Der weiße Stein und der neue Name

Predigt im Besonderen Gottesdienst am 30. Januar 2005 mit Offenbarung 2,17

Wer überwindet, dem will ich geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen Stein; und auf dem Stein ist ein neuer Name geschrieben, den niemand kennt als der, der ihn empfängt.

Mit Steinen haben wir es schon manchmal im Gottesdienst zu tun gehabt. Ich erinnere mich an verschiedene Gelegenheiten, wo wir gesagt haben: nehmt euch einen Stein, bringt ihn nach vorne und legt ihn zu Füßen des Kreuzes ab, als Zeichen dafür, dass ihr eure Sorgen und Lasten zu Jesus bringt, weil er bereit ist, uns das abzunehmen, wenn wir ihm vertrauen. Das werden wir nachher auch mit Papier machen können. Aber in diesem Vers geht es um einen Stein, den wir bekommen, nur es ist nicht ein schwerer Laststein, der niederdrückt und das Leben dunkel macht, sondern es ist im Gegenteil ein weißer Stein – ein weißer Stein, den Jesus uns geben will, und auf diesem Stein steht ein geheimer Name.

Steine hatten damals, als das geschrieben wurde, manchmal die Funktion von Amuletten, oft mit einem Zauberspruch darauf, um Menschen zu schützen oder um Liebe und Glück herbeizurufen, und bis heute gibt es ja Leute, die kosmische Kräfte anzapfen möchten, indem sie bestimmte Steine bei sich tragen.

Aber auf dem weißen Stein, den Jesus seinen Leuten gibt, steht keine Magie, sondern: ein neuer Name. In der Bibel ist ein Name nicht Schall und Rauch, sondern ein Name bedeutet etwas und sagt etwas aus über das Wesen eines Menschen. Vielleicht kennen einige von uns aus dem Alten Testament, ganz vorn im 1. Buch Mose, die Geschichte von dem Hobbykoch Jakob, der seinem Bruder Esau mit einem Linsengericht das Erstgeburtsrecht abluchste. Jakob war, um es milde zu sagen, ein problematischer Charakter, aber Gott führte ihn: auf vielen Umwegen und durch viele Höhen und Tiefen, Gott kämpfte mit ihm darum, ihn zu einem Menschen Gottes zu machen, denn er sollte der Stammvater des Gottesvolkes werden. Und als es so weit war, als Jakob so gebrochen und so verwandelt war, dass er das werden konnte, da segnete Gott ihn und gab ihm einen neuen Namen: den Namen »Israel«; und so heißt sein Volk bis heute.

Wenn Gott seine Leute so umwandelt, dass er sie segnen und mit seiner Mission beschenken kann, dann gibt er ihnen zum Zeichen dafür einen neuen Namen. Menschen, die an Magie glauben, die möchten sich mit Sprüchen, Formeln und Tricks schützen, aber sie möchten die Alten bleiben und sich diesen Weg der Umwandlung und Erneuerung ersparen. So arbeitet Gott nicht. Er erspart uns das nicht, er zeigt uns keine nette, schnelle Abkürzung, sondern er schickt uns auf diesen Weg mitten hindurch durch das, was uns Angst macht, durch Erlebnisse, die wir nie erleben wollten, durch Tage, in denen wir unzufrieden und unruhig sind und manchmal auch durch Zeiten, wo wir denken: ich halte es keinen Tag länger so aus!

Gottes Wege gehen durch die Wüste, durch Sterben und Auferstehen, den Weg des Kreuzes.

Menschen erleben harte Dinge, Menschen erleben manchmal schreckliche Dinge. Vielleicht sind Sie, vielleicht bist du jemand, der sich gut erinnern kann an Zeiten und Augenblicke, wo man gedacht hat: nein, das ist wie ein böser Traum, und ich kann werde das nicht überleben und ich möchte nur weglaufen. Vielleicht ist gerade jetzt so eine Zeit. Nach aller Wahrscheinlichkeit und Erfahrung ist nicht nur einer und nicht nur eine unter uns, der es jetzt gerade so geht. Aber auf jeden Fall kennen wir alle Menschen, wo wir denken: das darf doch nicht wahr sein! das alles kann doch ein Mensch gar nicht ertragen! Soviel Pech, erst das eine, und jetzt, wo es gerade wieder besser wird, auch noch das! Und wir wissen ja nicht, ob wir nicht vielleicht selbst so etwas noch vor uns haben.

Manchmal verstehe ich wirklich nicht, wie das gehen soll – aber aus Gottes Sicht geht es dabei immer darum, dass unser neuer Name sichtbar wird, dass wir endlich sichtbar werden als die Menschen, zu denen er uns geschaffen hat. Und offensichtlich ist das für ihn so wichtig, so zentral, es liegt ihm soviel daran, dass er all diese Schmerzen in Kauf nimmt, damit der neue Mensch mit dem neuen Namen geboren werden kann.

Denn es sind genauso seine Schmerzen. Gott fühlt jeden Schmerz, den ein Mensch leidet, seine Liebe macht ihn so verwundbar, er kann sich nicht von uns abwenden, er sitzt neben uns, er steht neben uns, er liegt neben uns und er fühlt das alles. Und jedes Mal, wenn einem hundeelend ist, dann ist Gott da, vielleicht merkst du nichts davon, aber er war da und hat sich nicht abgeschottet von unserem Schmerz. Er fühlt ihn.

Und trotzdem hört er nicht damit auf, uns all diese Dinge zuzumuten, die manchmal so weh tun und manchmal nur lästig sind. So als ob er uns immer wieder an den Punkt führen will, an dem wir etwas merken sollen. Und andere sehen den oft ziemlich deutlich, warum es bei uns gerade dieser Punkt ist, aber wir selbst sehen es manchmal als letzte: wenn Gott es so deutlich gemacht hat, dass wir gar nicht mehr anders können, als irgendwie unseren Blick darauf zu richten.

Deswegen: ich habe jetzt eine Übung für Mutige. Schnapp dir jemanden, dem du vertraust und der dich gut kennt, und setz ihn auf den Stuhl vor dich (also nicht in diesem Moment bitte, keine Panik! Die Übung ist für zu Hause!) und dann sag ihm: ich verspreche dir, für all das, was du mir in den nächsten 10 Minuten sagen wirst, werde ich dir nie böse sein, ich werde nicht nachtragend sein. Ich werde vielleicht nicht deiner Meinung sein, aber ich werde dir nichts übel nehmen. Absolut nichts. Niemals. Kein Wort. Ich verzeihe dir jetzt schon alles.

Ok? Und dieses Versprechen musst du auch halten. Wenn du dazu nicht bereit bist, dann lass lieber die Finger davon. Und dann fordere ihn auf: jetzt sag mir bitte, warum ich deiner Meinung nach immer dieses Pech habe. Sag mir, warum deiner Meinung nach in meinem Leben dies und das und jenes schief gegangen ist. Sag mir was du denkst, ich will es von dir hören.

Schwierig? Keine Sorge, selbst dann wird der nicht völlig ehrlich mit uns sein, er wird uns schonen. Aber ich habe ja gesagt, dass jetzt eine Übung für Mutige kommt. Dieser Vertraute, der sollte freundlich mit uns sein, aber nicht zu freundlich. Wenn Sie einen Ehepartner haben, dann nehmen Sie den. Unsere Ehepartner sollen unsere besten Freunde sein, oder mindestens sollen sie es werden. Wirklich. Es lohnt sich, daran zu arbeiten, das nur nebenbei.

Aber wenn es keinen Menschen gibt, den wir fragen können, oder wenn keiner uns Antwort gibt, dann können wir Gott fragen. Das sollte man sowieso auf jeden Fall machen: zu Gott sagen »Ich möchte diesen neuen Namen haben, ich möchte den weißen Stein eines Tages in meiner Hand haben, und ich will den Preis dafür bezahlen, und wenn die Wahrheit bitter ist, und wenn es mein ganzes Lebenskonzept durcheinander bringt, aber bitte hilf mir zu verstehen, was da noch zwischen uns steht. Was ich noch überwinden muss, bevor ich diesen weißen Stein bekommen kann.« Wissen Sie, es ist alles viel leichter, wenn wir das wirklich möchten, wenn wir verstehen wollen, was Gott uns sagen will. Dann tut die Wahrheit nicht ganz so weh.

Dieser Satz mit dem weißen Stein, der ist ja aus der Offenbarung des Johannes, aus dem Brief, aus der Botschaft Jesu an die Gemeinde in Pergamon. Pergamon war eine Stadt voll Magie: der Tempel des Zeus, der Tempel des Kaisers und so weiter. In dem Brief steht: bei euch ist der Thron des Satans. Also die Stelle, wo hinter den Fassaden der höchsten Götter sich in Wirklichkeit Gottes Feind verehren lässt. Und das war hart für die Gemeinde, in dieser Nachbarschaft zu leben. Da hat es garantiert Anfeindungen und Verleumdungen und Gewalt gegeben. Einer aus der Gemeinde hat schon mit seinem Leben bezahlen müssen. Aber diese Angriffe von außen sind nicht das schlimmste Problem. Angriffe von außen kriegt die Gemeinde immer ab, aber normalerweise werden Gemeinden dadurch stärker und klarer. Viel gefährlicher war es, dass das Heidentum begann, in die Gemeinde selbst einzusickern. Heidnische Mentalität und Kultur lebten vorsichtig wieder auf, die Christen trugen das ja auch alle noch irgendwie in sich, und dann sagten Leute: das ist doch nichts Schlimmes, das muss man nicht so eng sehen, darauf kommt es doch gar nicht an.

Aber Jesus lässt der Gemeinde sagen: kehrt um, klärt das, tut es von euch aus, sorgt für die nötigen Entscheidungen, sonst muss ich es tun, und das wird dann noch mehr wehtun.

Liebe Freunde, die entscheidenden Kämpfe finden in uns selbst statt, ein Kampf darum, dass wir innerlich klar werden, dass unser Herz nicht zwiespältig ist, dass wir frei werden von allen Bindungen und Abhängigkeiten, die uns klein machen. Wir werden im äußeren Bereich erst dann wirklich etwas bewegen, wenn unser Herz fest geworden ist und zwar festgemacht in dem Herrn des Himmels und der Erde. Und das ist ein Kampf. Wir hängen an so viel anderen Dingen, sie kosten uns Kraft und Format, aber die Trennung fällt so schwer, und wenn es nur der Topf mit der Schokocreme ist, von dem wir uns trennen wollen.

Leichter wird dieser Kampf dann, wenn wir uns durchgerungen haben, deutlich Partei zu nehmen für den neuen Namen, den wir bekommen sollen, für diesen neuen Menschen, der ans Licht kommen soll, für diese Verheißung, die wir für uns ganz persönlich haben. Und dieser neue Name, das wird unser wirklicher Name sein, der schon immer auf uns gewartet hat, und wir werden dann sagen: genau, der bin ich, Gott hat mich schon immer gekannt, viel besser, als ich mich selbst gekannt habe, und viel, viel besser, als die anderen mich kennen – jetzt weiß ich endlich, wer ich bin, wofür ich geschaffen bin, jetzt kenne ich meine Geschichte und ich weiß, warum ich diesen ganzen Weg gehen musste, und ich verstehe endlich, dass Gott es nicht böse mit mir gemeint hat, dass er mich nicht bestrafen oder verurteilen wollte, sondern er hat mich diesen ganzen Weg geführt, damit er mir endlich meinen richtigen Namen sagen kann und ich ihn verstehe.

Wer überwindet, dem will ich geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen Stein.

Wer aufbricht aus der Sklaverei, um der Verheißung zu folgen und frei zu werden, der muss durch die Wüste hindurch, durch Durststrecken. Aber in der Wüste gibt es das Manna, überraschenderweise gibt es dort Wegzehrung zu finden. Gott sorgt für uns in der Wüste, und am Ziel wird uns Jesus den weißen Stein geben mit dem neuen Namen.

Ihr könnt nachher in diesem Gottesdienst in den Altarraum kommen und euch hier einen weißen Stein abholen. Da steht nichts drauf, kein Name, weil ja niemand von uns hier euren wirklichen Namen kennt, der auf euch wartet. Der ist ja ein Geheimnis zwischen Gott und dir, so wie die Worte, mit denen Liebende sich nennen, ein Geheimnis sind zwischen den beiden. Nur manchmal liest man in der Zeitung, dass die sich Kuschelmaus und Kuschelbär nennen, aber eigentlich ist das ein Geheimnis.

Der Stein, den ihr hier bekommt, ist nur eine Erinnerung an den weißen Stein, den Jesus uns einmal geben will. Der echte Stein wartet jetzt noch auf uns. Aber holt euch nachher einen von unseren Steinen im Altarraum ab, damit ihr nicht vergesst, was noch vor uns liegt, und weshalb es sich lohnt, zu überwinden.

Und wenn ihr euch an einer der Stationen segnen lasst, vielleicht lasst ihr ja da den neuen Menschen segnen, der in euch begonnen hat zu leben, dass er wächst und stärker wird. Es ist nichts Schlechtes daran, wenn wir um Schutz und Gelingen beten und um unser Wohlergehen. Gott freut sich, wenn wir ihn darum bitten, weil er unser Vertrauen sieht. Aber weil es ihm so wichtig ist, deshalb gefällt es ihm ganz besonders, wenn wir ihn darum bitten, uns zu dem Menschen zu machen, zu dem er uns geschaffen hat.

Ich weiß nicht, ob das schon hier sein wird, oder wohl eher erst im Himmel, aber diesen Stein, den möchte ich aus der Hand Jesu bekommen. Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden, aber wir warten darauf mit großer Sehnsucht.