Gottes strahlende Fülle – verborgen in der dunklen Realität der Erde
Predigt am 01. Februar 2009 zu Matthäus 17,1-9
1 Sechs Tage später nahm Jesus die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder von Jakobus, mit sich und führte sie auf einen hohen Berg. Sonst war niemand bei ihnen.2 Vor den Augen der Jünger ging mit Jesus eine Verwandlung vor sich: Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden strahlend weiß. 3 Und dann sahen sie auf einmal Mose und Elija bei Jesus stehen und mit ihm reden. 4 Da sagte Petrus zu Jesus: »Wie gut, dass wir hier sind, Herr! Wenn du willst, schlage ich hier drei Zelte auf, eins für dich, eins für Mose und eins für Elija.« 5 Während er noch redete, erschien eine leuchtende Wolke über ihnen, und eine Stimme aus der Wolke sagte: »Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt. Auf ihn sollt ihr hören!« 6 Als die Jünger diese Worte hörten, warfen sie sich voller Angst nieder, das Gesicht zur Erde. 7 Aber Jesus trat zu ihnen, berührte sie und sagte: »Steht auf, habt keine Angst!« 8 Als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus allein. 9 Während sie den Berg hinunterstiegen, befahl er ihnen: »Sprecht zu niemand über das, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn vom Tod auferweckt ist.«
Die drei Jünger haben etwas Großes miterlebt, was nur wenigen Menschen vergönnt ist. Noch nicht einmal alle 12 Jünger durften dabei sein, sondern nur die drei engsten Vertrauten Jesu. Und sie haben etwas gesehen, was man mit Worten nicht beschreiben kann. »Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden strahlend weiß«. Der Jesus, den sie kannten, verwandelte sich und stand da in göttlichem Glanz, so hell, dass man nicht hinschauen kann, so wie man ja auch nicht in die Sonnen sehen kann. Aber die Sonne ist nur ein kleiner Punkt, der weit weg ist. Jesus war ganz nahe, und ein Mensch sieht für uns sehr viel größer aus als die strahlende Sonne. Und von diesem nahen Jesus, mit dem sie gerade noch gesprochen hatten, den sie anfassen konnten, den sie gut kannten, ging jetzt ein intensives Licht aus, sein Gesicht strahlte feurig wie die Sonne, und auch seine Kleider bekamen ziemlich viel ab von diesem Glanz. Sie können sich das ruhig mal einen Augenblick vorstellen, wie wohl ein Mensch aussieht, der so hell strahlt wie die Sonne. Das ist nicht irgendwie im übertragenen Sinn oder symbolisch gemeint oder so, sondern so haben sie Jesus wirklich gesehen.
Was ist da passiert? Da ist für einen Augenblick der Schleier weggezogen worden, und sie haben Jesus so gesehen, wie er wirklich ist. Für einen Augenblick haben sie einen Blick getan in die wirkliche Welt, die unseren Augen sonst immer verborgen ist. Weil wir das gar nicht ertragen würden, immer das Licht dieser echten Welt zu sehen, deshalb hat Gott freundlicherweise den Schleier der Materie davor gehängt. Die echte Wirklichkeit ist viel intensiver, als wir es gewohnt sind. Wir kennen alle den Unterschied, wenn man eine dunkle Sonnenbrille trägt und die dann nach einiger Zeit absetzt. Wie dann die Welt auf einmal von strahlendem Licht und intensiven Farben erfüllt ist und man sagt sich: o, das hatte ich ja ganz vergessen, wie hell im Sommer mittags das Sonnenlicht ist. Ungefähr so, aber noch viel, viel stärker muss für die Jünger der Unterschied gewesen sein.
Und obwohl es schon die drei vertrautesten Jünger sind, die am besten auf dieses Erlebnis vorbereitet sind, ist es für sie immer noch umwerfend, im buchstäblichen Sinn. Zuerst ging es noch, da sahen ja noch nicht direkt in die göttliche Welt, sondern sie sahen nur, wie das Gesicht Jesu leuchtet, weil es von Gottes Licht angestrahlt wird. Jesus hat sein Leben lang immer auf Gott geschaut hat, er war nie ohne das Licht Gottes, und die Menschen haben das an ihm irgendwie gespürt, aber richtig sehen konnte man es nicht, und das ändert sich jetzt für einen Augenblick. Jetzt können sie einen Moment lang sehen, mit wem sie es die ganze Zeit über wirklich zu tun haben.
Aber dann kommt auch noch die strahlende Wolke, sie hören eine Stimme aus der Wolke, und da haut es sie nur noch um. Je mehr man von Gott mitbekommt, um so näher kommt man an den Punkt, wo man rufen möchte: Halt, geht es nicht auch etwas weniger heftig? Die volle Gegenwart Gottes könnte keiner von uns ertragen. Deshalb ist die Kommunikation zwischen uns und Gott auch so schwierig. Das ist wie das Verhältnis zwischen einem Waldbrand und einer Papierserviette. Wie sollten die irgendwie zusammenkommen können? Gott muss immer sehr genau darauf achten, dass er seine Gegenwart richtig dosiert. Es ist wie mit der Umlaufbahn der Erde um die Sonne: wären wir nur ein bisschen näher dran, würde hier alles verbrennen, und wären wir nur ein bisschen weiter weg, dann wäre die Erde voller Eis. Es gibt nur eine ganz schmale Zone des Lebens, in der wir sein können.
Und so ist es auch mit Gott: zu weit weg ist ebenso gefährlich wie direkt dran. Das ist der Grund, weshalb Menschen manchmal sagen: ich spüre Gott nicht. Dann ist die Schutzschicht ein bisschen zu dick geworden.
Aber die drei Jünger wissen von jetzt ab, mit wem sie es bei Jesus wirklich zu tun haben. Ich weiß nicht, ob sie es von da an immer realisiert haben, aber im Prinzip haben sie jetzt verstanden, dass in Jesus etwas verborgen war, was unsere normalen menschlichen Erfahrungen weit hinter sich lässt. Bisher haben sie gedacht, sie hätten es nur mit einem außergewöhnlichen Menschen zu tun, mit einem Propheten, einem Mann Gottes, der aus einer tiefen Einsicht in Gott spricht. Jetzt wissen sie, was da hinter den Kulissen wirklich los ist: wenn Jesus spricht und heilt und befreit, dann fällt da ein kleines Fünkchen von der strahlenden Helligkeit Gottes in die Welt hinein, in einer Dosierung, die immer noch Erstaunen hervorruft, aber sie ist doch zu ertragen. Die Dosierung ist an die Welt angepasst, runtergedimmt und integriert.
Aber in Wirklichkeit ist das ein Fünkchen von einem gewaltigen, hellen, strahlenden Licht, von dem wir nur nichts ahnen. In dem Menschen Jesus, der äußerlich aussieht wie irgendein Mensch sonst auch, da ist in Wirklichkeit die ganze strahlende Fülle der göttlichen Welt präsent. Das ist das Wunder der Menschwerdung Gottes: dass Gott es verstanden hat, seine Herrlichkeit in einen äußerlich ganz normalen Menschen einzupacken. Sein helles Licht so umzusetzen, dass es für uns Erleuchtung in unserem Leben ist, uns aber doch nicht verbrennt. Und trotzdem ist Gottes ganze Fülle da in dem was Jesus tat und wie er redete.
Petrus hat das zuerst falsch verstanden, als er den Vorschlag machte, drei Zelte zu bauen. Zum einen hat er noch nicht begriffen, dass Jesus in einer ganz anderen Liga spielt als selbst Mose und Elia, die großen Männer Gottes. Jesus ist nicht der Dritte in einer Reihe, sondern Gottes geliebter, einziger Sohn. Gott selbst spricht das deutlich aus.
Zelte bedeuten aber auch: man lässt sich häuslich nieder. Petrus dachte anscheinend, diese Zeit auf dem Berg könnte noch länger dauern. Warum soll man denn wieder runtergehen von dem Berg, man könnte doch bleiben. Man könnte sich doch irgendwie einrichten in der Nähe Gottes.
Alle Religionen machen das so. Alle Religionen versuchen, irgendwie ein bisschen von der Gegenwart Gottes festzuhalten und Menschen diese Gegenwart erleben zu lassen. Manche kriegen das besser hin und andere schlechter. Aber die Jünger Jesu sind die Leute, die mit Jesus wieder runter von dem Berg gehen und sein Licht in kleinen Portionen zu den Menschen bringen. Die drei Jünger wissen jetzt, dass in Jesus die ganze Fülle Gottes wohnt und man keine heiligen Orte und Plätze braucht, wo man zu Gott kommen kann. Jesus ist der heilige Ort, wo man Gott findet. Aber Jesus ist unterwegs, er bringt sein Licht dorthin, wo die Welt am dunkelsten ist und das Licht Gottes am allermeisten braucht.
Versteht ihr, man muss das beides festhalten und darf dabei auf keiner Seite vom Pferd fallen: In Jesus wohnt die ganze Fülle Gottes und genauso: er geht dahin, wo die Welt am dunkelsten ist. Beides muss man festhalten, man darf es nicht zu einer mittelmäßigen Mitte verbinden, sondern das eine stimmt wie das andere. In Jesus ist ein Licht, das stärker ist als alles, was wir kennen. Er ist der entscheidende Mensch, seine Geschichte ist der Mittelpunkt der ganzen Weltgeschichte. Jeder Mensch wird daraufhin befragt, wie er zu Jesus steht. Er gehört in die himmlische Welt Gottes, er ist Gottes einziger Sohn.
Und auf der anderen Seite verbindet sich Jesus mit der Erde und den Menschen und begrenzt die Momente, in denen sein wahres Wesen sichtbar wird. Wenn er vom Berg runtergekommen ist, geht er weiter nach Jerusalem, wo sie ihn kreuzigen werden. Und was das in Wirklichkeit für ein Abstieg ist, das versteht man erst dann richtig, wenn man weiß, dass er dort oben im Licht der göttlichen Welt geleuchtet hat. Gott liegt die Erde so sehr am Herzen, dass er seine Herrlichkeit verbirgt und tief in die schmutzigen Geschäfte der Welt eintaucht. Kaum ist er wieder zurück, muss er sofort eine verfahrene Situation klären. Er begegnet hautnah der Not, dem Schmutz, der Krankheit, der Gemeinheit und Grausamkeit, er wird verleumdet oder ignoriert, und er müsste nur einen Augenblick den Schleier fallen lassen, und all seine Gegner wären zu Asche verbrannt und die anderen, die daneben stehen auch, aber er tut es nicht.
Das ist so ungewöhnlich, dass Menschen es immer wieder missverstehen: die einen sagen »Jesus ist ja nur ein ganz normaler Mensch und all dies göttliche Brimborium, das man um ihn macht, ist fromme Seelenbräu«. Die anderen würden am liebsten wie Petrus oben auf dem Berg bleiben und sich die Hände nicht schmutzig machen mit der harten Realität der Erde. Und beide verstehen nicht, dass das größte Wunder von allem darin besteht, dass bei Jesus beides zusammen bleibt und nicht gegeneinander ausgespielt wird. Die alten Theologen haben dafür die Formel gefunden, dass Jesus »wahrer Gott« und gleichzeitig »wahrer Mensch« ist.
Das bedeutet nun aber für uns, wenn wir zu Jesus gehören, wenn er in uns wohnt, dass auch in unserem Leben etwas von diesem göttlichen Glanz verborgen ist. Das ist vor menschlichen Augen meistens verborgen, aber wir sollen wissen, dass wir Teil der Geschichte sind, in der es um das Schicksal der ganzen Welt geht. In allem, was wir tun, ist dieses göttliche Feuer verborgen. Gut, es ist manchmal sehr verborgen, oft viel mehr, als es sein müsste. Aber es ist da. Und wie wir wissen, kann sich auch aus einem kleinen Funken ein Großbrand entwickeln. Feuer kann sich sehr schnell vermehren, wenn die Bedingungen dafür da sind. Es ist nicht nur Jesus, in dem etwas Riesengroßes verborgen ist. Auch in dem, was wir tun, geht es um diese gewaltige Geschichte Gottes mit der Welt.
Liebe Freunde, wenn wir hier zum Gottesdienst zusammenkommen, wenn jemand den Tisch deckt in der Bücherei für nachher, wenn hier saubergemacht oder repariert wird, in all diesen Dingen geht es um die Erneuerung der Welt, in all dem ist im Verborgenen Gott dabei, seine Absichten mit der Welt umzusetzen. Und natürlich erst recht, wenn wir unsere Herzen aufschließen und auf ihn hören und uns verändern lassen und festhalten an dem, was er uns sagt. Man kann das schnell übersehen, so wie man Jesus normalerweise den göttlichen Glanz auch nicht angesehen hat. Aber wir sollen wissen, dass in der Gemeinde Jesu auch in aller Unscheinbarkeit der Glanz Gottes verborgen ist und jederzeit hell aufleuchten kann.
Manchmal wird der Schleier für einen Moment weggenommen, und wir merken mehr oder weniger deutlich, mit wem wir es wirklich zu tun haben. Mehr oder weniger intensiv spüren wir ein wenig vom göttlichen Glanz und erinnern uns wieder, dass es ja darum geht. Aber das sind wirklich nur Spitzenmomente, die in einem Menschenleben meist nicht so häufig gesät sind. Und dann sollen wir eben nicht versuchen, dauerhaft oben auf dem Berg zu bleiben, nicht sagen: einfach nur Jesus allein genügt, ich spare mir die ganzen komplizierten Angelegenheiten dieser Erde, sondern wir sollen Jesus folgen, der wieder runter geht, zu den Menschen mit ihren Problemen und Nöten, in all ihre komplizierten und verfahrenen Verhältnisse, und ihnen hilft in der Kraft Gottes.
Ich las neulich von einem Deutschen, der einige Zeit in Amerika gelebt hat, und der da mit seinen christlichen Freunden irgendwann mal über die Umweltprobleme gesprochen hat, über spritfressende Autos und die Erwärmung der Atmosphäre. Und die guckten ihn an und haben ihn ausgelacht. »Was machst du dir für Sorgen um den Planeten?« haben sie gesagt. »Wenn es so richtig schlimm wird, dann kommt Jesu wieder, und dann spielen diese Probleme gar keine Rolle mehr.«
Das ist ein Beispiel dafür, wie Menschen versuchen, oben auf dem Berg zu bleiben und sich da häuslich einzurichten. Was sollen wir uns mit den schmutzigen Geschäften der Erde belasten? Wa sollen wir uns schwierige Gedanken machen? Wir wollen einfach nur hier oben in der religiösen Sphäre bei Jesus bleiben!
Aber das geht nicht. Jesu geht wieder runter und kümmert sich um die Angelegenheiten der Menschen und bringt in die ganze Welt das Licht Gottes. Und ohne ihn ist der Berg einfach nur noch ein Berg. Normalerweise ist die göttliche Herrlichkeit tief im Menschlichen verborgen, und nur selten bekommen wir eine besondere Einladung von Jesus, mit ihm für eine Weile auf den Berg zu steigen. Normalerweise finden wir Jesus da, wo das Licht Gottes dringend gebraucht wird. Da ist er präsent und baut seine Gemeinschaft von Gefährten, die Gottes Licht in der Welt ausbreiten.
Gott hat sich tief mit der Welt eingelassen. Wir sollen es auch tun. Wir sollen die Leute sein, die das Licht genauso in verknotete Seelen bringen wie in die Entscheidungsräume der Politik und der Wirtschaft. Aber es ist wirklich Gottes Licht, ein kleiner Strahl von der Fülle des göttlichen Glanzes, und wenn wir die Tür weiter aufmachen, dann kann noch viel mehr von dieser Fülle in die Welt hinein kommen.