Wahrheit, die gelebt werden will
Predigt am 5. März 2017 (Vorstellungsgottesdienst der Konfirmandengruppe) zu Matthäus 6,25-34
Die Konfirmandengruppe hatte sich bei der Freizeit mit zwei Schwerpunkten der Bergpredigt beschäftigt: der Feindesliebe und der Freiheit von Sorgen. Im Vorstellungsgottesdienst wurden dazu Gedanken und Szenen vorgetragen. Darauf nahm die Predigt oft Bezug, ohne dass das hier immer extra erwähnt wird.
24 Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 25 Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?
27 Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: Sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?
31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Eben gerade hat uns Lasse noch einmal einen der zentralen Texte der Bergpredigt vorgelesen: Macht euch keine Sorgen! Euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht, und er sorgt für euch. Auf der Konfirmandenfreizeit und jetzt auch mit den Beiträgen hier im Gottesdienst haben wir dieses Zentrum sozusagen umkreist. Stell dir vor, du müsstest dir keine Sorgen um dich selbst machen! Dann hättest du es nicht nötig, Leute zu beleidigen oder sie herabzusetzen, du müsstest nicht wütend werden wegen Leuten, die gemein zu dir sind, und du könntest die unkontrollierbaren Wendungen des Lebens einfach auf dich zukommen lassen. Wäre das nicht ein wirklich gutes Leben?
Sorgen und das Herabsetzen von anderen sind ja ein Zeichen dafür, dass Menschen unsicher sind über sich selbst. Seit Adam und Eva zweifeln Menschen in ihrem Kern daran, dass sie ok sind. Sie zweifeln daran, dass sie ihre Sachen hinkriegen, sie zweifeln daran, dass die Welt freundlich mit ihnen umgehen wird, sie zweifeln daran, dass sie klug genug sind, dass sie schön genug sind, sie zweifeln daran, dass irgendjemand sie mag, sie zweifeln an der Welt und sie zweifeln an sich selbst. In manchen Lebensaltern wird das besonders deutlich – eins davon sind die Jahre um die Konfirmation herum. Und der Unterschied dabei ist nur, dass die einen das besser verstecken können, vor sich selbst und vor anderen, und die anderen kriegen das nicht so gut hin.
Denn man kann das überspielen, indem man andere klein macht oder sich selbst groß zu machen versucht, man kann versuchen, von anderen viel Beifall zu kriegen oder einen Haufen Geld einzusammeln, man kann lernen, selbstsicher bis großspurig aufzutreten und andere zur Seite zu schieben, man kann lernen, seine eigene Erscheinung perfekt auszubauen und sich zum großen Selbstdarsteller zu machen. Man kann auf Nummer sicher gehen und gegen alle möglichen Probleme vorsorgen. Man kann kriminell werden oder ein großer Wohltäter, und alles deswegen, weil man bewusst oder unbewusst ganz tief drin den Eindruck hat, dass ich nicht ok bin. Manche entwickeln eine richtige Meisterschaft darin, das zu tarnen und zu überspielen, und wir normal begabten Menschen versuchen, da wenigstens einigermaßen mitzuhalten. Das macht das ganze Leben mühsam, es richtet Schaden an, es verdirbt die gute Schöpfung.
Das große Ja
Und dann kommt Jesus und sagt: das erste und wichtigste in deinem Leben ist das große Ja, das Gott zu dir gesprochen hat, von Anfang an und jeden Tag wieder neu. Gott hat zu dir Ja gesagt, schon längst, bevor du anfangen konntest, etwas aus dir zu machen, dich zu verbessern oder dich größer, toller und beliebter zu machen. Gott liebt das Leben, und deshalb hat er dich als lebendiges Wesen erschaffen. Du bist ein Gedanke Gottes, der Gestalt angenommen hat, deswegen bist du ok, und Gott wird für dich sorgen. Und wenn ich das für mich selbst weiß, dann weiß ich das genauso für andere, und dann erkenne ich auch in ihnen realisierte Gedanken Gottes. Und ich muss nicht größer sein als sie, sondern wir sind miteinander in die Welt gerufen, um gemeinsam Gottes Freundlichkeit und Treue zu verkörpern.
Zum Glück ist das Wissen darum nie ganz ausgestorben. Unsere Welt würde überhaupt nicht funktionieren, wenn jeder immer nur an sich selbst denken würde, wenn es nicht eine Solidarität unter Menschen gäbe, wenn uns nicht immer wieder Freundlichkeit begegnen würde, für die wir gar nichts getan haben. Zum Glück handeln wir längst nicht immer aus Sorge oder Raffgier oder Großspurigkeit oder aus Unsicherheit heraus. Aber es ist leider genug davon da, um Gottes gute Schöpfung und uns selbst nachhaltig zu beschädigen.
Wahrheit auf unvorhersehbaren Wegen
Von Jesus und seiner Bergpredigt aus strahlt nun die ursprüngliche Wahrheit in die Welt hinein und bringt Licht in die unterschiedlichsten Situationen. Und wir werden ermutigt, dieser Kraft der Wahrheit zu vertrauen, dass sie uns wieder in Einklang bringt mit unserer wahren Bestimmung. Es ist eine Wahrheit, die gelebt werden will.
Die Kraft dieses neuen Lebens, das in Jesus deutlich sichtbar wird, berührt auf jeden Fall uns selbst, aber vielleicht reicht sie ja weit darüber hinaus. Für einen unfairen Lehrer wie vorhin Tom 😉 zu beten, das hilft auf jeden Fall dazu, dass sich die Wut nicht in mein Gehirn reinfrisst. Aber vielleicht macht es ja auch was mit diesem Stinkstiefel von Lehrer oder mit der besten Freundin, die einen so schmählich im Stich lässt. Vielleicht erreicht ja auch ein Gebet Präsidenten und Kanzlerinnen und Menschen, die im Krieg leben und andere unterdrücken oder unter ihnen leiden. Vielleicht auf Wegen, die wir gerade gar nicht im Blick haben.
Das alles hat seinen Mittelpunkt darin, dass wir dem großen Ja vertrauen, das Gott zu seiner Schöpfung und auch zu jedem Einzelnen von uns gesprochen hat. Wir sind kein zufälliges, belangloses Produkt von irgendwelchen Zufällen, sondern an unserem Ursprung hat uns Gott gerufen, er hat uns wunderbar gemacht, er begleitet uns, er sieht die Wege (und auch die Irrwege) der Gedanken in unserem Herzen, und er sendet uns die Botschaft: du brauchst nichts aus dir machen, du brauchst nicht größer und besser werden, schon gar nicht auf Kosten anderer, du musst nichts Besonders sein, du brauchst auch nicht den Beifall von anderen, weil ich dich schon längst freundlich angesehen habe.
Zweifeln, aber richtig
Ich habe mich mit dir verbunden, sagt Gott, du liegst mir am Herzen. Ich möchte, dass mein Segen auch durch dich reichlich in die Welt kommt. Zweifle an der falschen Fassade, die du um dich herum aufgebaut hast, aber zweifle nicht an dir – ich tue es jedenfalls nicht.
Das ist die Wahrheit über unser Leben. Das ist die Wahrheit, die uns und alle Geschöpfe gedeihen lässt. Gott möchte, dass diese Wahrheit auch von uns aus ausstrahlt und weitergeht. Bis am Ende die Schöpfung neu ist, entgiftet, geheilt, erlöst.