Heilung für zerbrochene Herzen (Mit Gott wandeln III)
Predigt am 26. Juni 2005 mit Matthäus 5,1-6 und Lukas 7,36-49
7,36 Es bat ihn aber einer der Pharisäer, bei ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tisch.
37 Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers,brachte sie ein Glas mit Salböl 38 und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit Salböl.
39 Als aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.
40 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41 Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. 42 Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er’s beiden. Wer von ihnen wird ihn am meisten lieben? 43 Simon antwortete und sprach: Ich denke, der, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt. 44 Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen;du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. 46 Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. 48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben.
49 Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser,der auch die Sünden vergibt? 50 Er aber sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!
5,1 Als Jesus aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. 2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Wie Gott das Herz eines Menschen heilt, das bleibt ein Geheimnis. Es ist wie mit der Heilung von äußeren Wunden: wir können die Wunde reinigen und verbinden, wir können optimale Bedingungen für die Heilung schaffen, aber den eigentlichen Heilungsprozess haben wir nicht unter Kontrolle.
So sehen wir selten, wie Gott ein gebrochenes Herz wieder heil macht. Es gibt Menschen, die solche Eindrücke haben, dass Jesus mit ihnen durch ihr Lebenshaus geht oder dass er ihr Herz in die Hand nimmt und zusammenfügt. Aber vielleicht sind das ja auch nur Bilder, die nur widerspiegeln, was da auf einer tieferen Ebene abläuft. Wir sehen das Ergebnis, aber der eigentliche Prozess selbst, von dem erfahren wir nicht so viele Einzelheiten. Aber er geschieht. Das, was in uns zerbrochen ist oder was uns große Schmerzen bereitet hat, die immer noch lebendig sind, das kann wieder heil werden, so dass die Erinnerung noch da ist, aber es ist keine quälende Erinnerung mehr, die wir mit viel Kraft immer wieder wegschieben müssen, damit sie uns nicht überflutet. Wir haben dann über sie getrauert, wir haben den Schmerz mit dem Beistand Jesu noch einmal erlebt, und er hat auch diesen Schmerz getragen und uns abgenommen. Die Kraft seines Lebens hat über den Tod in uns gesiegt, und wir können unbelastet und ohne Furcht vorangehen.
Gibt es das wirklich? Ja – ich erinnere an die Frau aus der Geschichte vorhin (Luk. 7,36-50). Sie galt als Sünderin, d.h. als jemand, der grob gegen das Gesetz verstieß. Die Standardvermutung ist dann, dass sie in nicht legalisierten Verhältnissen lebte oder Prostituierte war. Wie konnte sie das auf sich nehmen, mitten in die Runde der Pharisäer hinein zu gehen, deren Blicke wie vergiftete Pfeile waren, mitten unter die Leute, die sie verachteten und jede Menge verletzende Worte für sie bereithielten? Ja, natürlich, die Dankbarkeit für Jesus hat sie bewegt, aber wofür war sie dankbar? Sie muss eine Vorgeschichte mit Jesus gehabt haben, und da ist bei ihr offenbar etwas in Ordnung gekommen, sie hat ein Gefühl für ihre Würde bekommen, ihr Herz ist heil worden.
Alle abschätzigen Blicke und Worte können uns ja nur dann etwas anhaben, wenn unser Herz schon vorgeschädigt ist, wenn der Angriff von außen zusammenkommt mit einer Stimme in unserem Innern, die diesen Angriff bestätigt, die sagt: genau! sie haben recht! so wertlos bist du wirklich, du bist klein, schmutzig und wehrlos. Kein Wunder, wenn du herumgestoßen wirst, du bist nichts wert. Es war geradezu die Geschäftsgrundlage der Pharisäer, mit dieser Stimme im Innern zusammenzuarbeiten. Dadurch bekamen sie erst ihren Einfluss. Es ist die Geschäftsgrundlage aller Religion, Mittel gegen diese anklagende Stimme anzubieten, die sagt: du bist nichts wert. Deswegen braucht Religion diese Anklage.
Aber Jesus hat diese Stimme der Anklage zum Schweigen gebracht. Immer wieder, einfach so, ohne Gegenleistung oder Bedingungen. Menschen, die ihr Leben lang unter Angriffen auf ihre Würde und ihren Wert leben mussten, fühlen sich bei Jesus angenommen, sicher und heil. In seiner Gegenwart muss die Stimme der Anklage verstummen.
Und diese Frau konnte jetzt das tun, was sie sich sonst nie getraut hätte: mitten in diese Schlangengrube hineingehen und sich zu Jesus und ihrer Dankbarkeit bekennen. Was muss bei der alles passiert sein, dass sie sich so schutzlos macht, sich und Jesus so angreifbar macht durch diese Geste der Nähe und der Zuwendung. Das lädt ja geradezu ein zu abfälligen Bemerkungen und noch mehr zu anschließendem Klatsch.
Normalerweise legen wir uns Schutzmechanismen dagegen zu: wir suchen nach Gründen, weshalb die anderen mindestens ebenso schlecht sind, wir legen uns eine Portion Zynismus zu, wir sammeln Argumente, weshalb wir nun gerade nicht anders können als so zu handeln, wie wir es tun. Wir pochen auf unser Recht, dass andere sich auf uns einstellen und uns Zeichen des Respekts geben. Oder Menschen betäuben sich und sagen: ohne Alkohol kann ich mich nicht leiden. Alles zum Selbstschutz, um den Schmerz abzumildern.
Wenn wir von einem zerbrochenen Herzen sprechen, dann ist das deshalb eigentlich nicht ganz richtig. Es ist eigentlich nicht so, dass das Herz kaputt geht wie eine Vase, die in Scherben fällt, sondern es werden Verbindungen innerhalb des Herzens abgebrochen, Teile des Herzens werden isoliert und verschlossen, so dass wir keinen Zugang mehr zu ihnen haben. Nur manchmal fühlen wir eine unbestimmte Traurigkeit, die aus diesen verborgenen Kammern aufsteigt, einen Hunger, der mit Essen nicht zu stillen ist, oder eben eine anklagende Stimme, die ihre Kraft aus den geheimen Unterströmungen der Seele bezieht. Und es kommt uns genau im falschen Moment dazwischen, und wir sagen: ich weiß nicht, warum, aber irgendetwas in mir bringt mich dazu, Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht will.
Aber diese Frau hat das alles hinter sich. Sie weint, sie zeigt den gestillten Schmerz ihres Herzens, die Freude, dass das alles Vergangenheit ist. Sie schämt sich nicht mehr. Sie kann das Innerste ihres Herzens nach außen kehren ohne Angst vor dem, was andere dazu sagen. Sie hat die Furcht vor der Missachtung durch andere verloren. Sie weint. Das ist ein Zeichen ihrer Heilung. Ihr Herz ist wieder ganz geworden, da muss nichts mehr abgespalten und versteckt werden.
An dieser Stelle kommen die Seligpreisungen Jesu aus der Bergpredigt ins Spiel. Da werden ja immer wieder Menschen beglückwünscht, die mit offenem Herzen vor Gott und die Menschen treten und auf die ganzen Schutzschilde und Abwehrmechanismen verzichten. Menschen, die arm sind vor Gott, die sich der Trauer und dem Schmerz stellen, die nicht von anderen die Erfüllung ihrer Bedürfnisse erpressen, die nicht Vorwürfe aufhäufen, sondern sanftmütig bleiben, und die ihren Hunger nach Gerechtigkeit auch in einer ungerechten Welt nicht verleugnen. Immer wieder Menschen, die sich der Kraft ihres Herzens anvertrauen und sich keine äußeren Ersatzsicherheiten zulegen.
Jesus macht damit deutlich: wir müssen uns entscheiden zwischen der Heilung und dem Selbstschutz. Eins geht nur. Wenn du den Weg des Selbstschutzes gehst, dann wirst du dir kurzfristig Schmerzen ersparen, aber du stehst deiner Heilung im Wege. Wenn du geheilt werden willst, dann musst du es riskieren, deinem Schmerz wieder zu begegnen, du musst es wagen, die Dämme niederzulegen, mit denen du dich geschützt hast, du musst die verriegelten Tore öffnen, weil nur so die Liebe Gottes dahin kommen kann, wo sie am nötigsten gebraucht wird. Deswegen ist Heilung keine leichte Sache, und wir können sie nur im Vertrauen auf Jesus erlangen – im Vertrauen darauf, dass er unser Schutz ist und wir auf das andere verzichten können. Deswegen spricht Jesus immer wieder davon, dass wir vergeben sollen, weil das Aufhäufen von Anklagen auch ein Selbstschutz ist, mit dem wir unser Herz beruhigen wollen, aber in Wirklichkeit vergiften wir es damit. Denn wenn wir andere anklagen, stärken wir damit auch immer den Ankläger in uns.
Heilung ist Gnade, sie ist Gabe, wir können sie nicht verlangen, weder von Gott noch von Menschen, wir haben kein Anrecht darauf, wir können sie nicht erkämpfen, aber wir sollen darum bitten, und diese Bitte wird Jesus nicht übergehen. Aber es heißt eben nicht: selig sind die Fordernden, sondern: selig sind die Sanftmütigen.
Dass es Heilung und Vergebung bei Jesus umsonst gibt, das hat die Religionsverwalter seiner Zeit gegen ihn aufgebracht. Er hat gerade ihre Methoden als das Hauptproblem angesehen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, uns von all diesen falschen Wegen zu trennen, ihren Versprechungen nicht zu glauben, und dann stattdessen Jesus die Tür weit aufzumachen, damit er all die verborgenen Winkel unserer Seele berühren, heilen und ausfüllen kann. Dann bekommen wir wieder ein ganzes, ungeteiltes Herz, wir müssen uns nicht verstecken, wir müssen nichts mehr mit viel Kraft wegdrängen, sondern das Leben Jesu kann in unserer Seele fließen.
Ich habe zu Anfang gesagt: was dann passiert, ist ein Geheimnis. Wir wissen nicht genau, wie das vor sich geht, dass Jesus uns heilt. Aber vielleicht hilft dem einen ander anderen ein Bild:
Jesus hält die zerbrochenen und isolierten Teile deines Herzens in seinen Händen, und dann fügt er sie zusammen, hält sie vorsichtig aneinander, dass sie wieder miteinander in Kontakt kommen, und macht er aus deinem Herzen und aus deinem Leben etwas Ganzes. Die Zerrissenheit verschwindet, die Widersprüche lösen sich auf, es ist nicht mehr in viele Bereiche aufgeteilt, sondern es herrscht Einigkeit und Einheit; die Liebe Jesu kann ungestört fließen. Du erhältst dein ganzes Herz zurück, und die Freude hat einen Ort, an dem sie wohnen kann.
Gebetsteil nach der Predigt:
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Einleitung
Mit den ersten vier Seligpreisungen wollen wir uns auf eine Reise in unser Herz begeben, wir wollen Jesus erlauben, dort mit seiner heilenden Gegenwart anwesend zu sein. Die Seligpreisungen helfen uns, in eine Haltung hineinzukommen, in der wir das zulassen. Schaut einfach, ob ihr das so für euch mitsprechen könnt:
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Glücklich zu preisen sind die, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Herr, ich komme zu dir auf meiner Suche nach Heilung, nach Ganzheit und Frieden. Ich bringe dir die zerbrochenen Teile meines Herzens, damit du sie zusammenfügst und alles seinen richtigen Platz bekommt. Ich will mich nicht mehr betäuben oder ablenken; es geht mir nicht mehr darum, was Menschen sagen. Aber ich möchte ein ganzer Mensch vor dir werden, der nichts verbirgt und nichts vortäuscht. Ich möchte das Leben, das von dir kommt. Ich trenne mich von allen anderen Göttern und Götzen, von allem, was sich breitgemacht hat in meinem Leben und dir deinen rechtmäßigen Platz streitig macht. Dir allein soll mein Herz gehören, und ich will nichts vor dir zurückhalten.
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Glücklich zu preisen sind die, die trauern; denn sie werden getröstet werden.
Ich vertraue darauf, dass du, Gott, meine Trauer in Freude verwandeln wirst. Darum trauere ich vor dir um alles, was ich erlebt habe an Schmerzen und Enttäuschungen. All die Momente, in denen mein Herz so weh getan hat. Alle Tage, an denen ich mich verlassen und verraten fühlte. Alle Nächte, in denen ich wach gelegen habe und meine Gedanken kreisten. Alles, was ich vergessen habe, eingesperrt hinter dicken Mauern, woran ich mich nie wieder erinnern wollte. Aber wenn dein Licht am dunklen Ort scheint, dann wird es gut. Du wirst mir zurückgeben die verlorenen Tage und Jahre. Vor dir, Herr, trauere ich um all diesen Schmerz, weil du mich trösten wirst. Weil du mich heilst, und weil auf mich die neue Welt wartet, in der kein Leid mehr sein wird, keine Schmerzen, und wo du alle Tränen abwischen wirst. Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du sammelst sie.
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Glücklich zu preisen sind die Sanftmütigen; denn sie werden die Erde als Besitz erhalten.
Ich will nichts fordern und verlangen, ich will niemanden manipulieren, nicht dich, Herr, und nicht Menschen. Ich warte auf das Erbe, das du für mich bestimmt hast, mit demütigem und geduldigem Sinn. Ich vertraue nicht auf Macht und Ansehen vor Menschen; aber dass die Kraft deines Erbarmens mich begleitet, die Liebe in mir wächst und ich den Schmerz in anderen sehe, darum bitte ich dich. Lass diese Kraft präsent sein in meinem Leben, damit verschlossene Tore gesprengt werden, Gefangene befreit und Verwundete wiederhergestellt werden. Behüte mich vor Bitterkeit und Zynismus. Ich verzichte darauf, anderen ihre falschen Wege anzurechnen. Ich spreche sie frei und ziehe meine Vorwürfe zurück.
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Glücklich zu preisen sind die, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten; denn sie werden satt werden.
Ich warte auf den Tag, Herr, an dem du alles erfüllst und kein Raum mehr ist für Unterdrückung, Unrecht und Verletzung. Ich warte auf den Tag, an dem diese Welt zu dir zurückkehrt wie der verlorene Sohn ins Vaterhaus. Ich sehne mich danach, dass diese Erde in ihrer ganzen Herrlichkeit wiederhergestellt wird, und ich sehne mich nach deinem Geist, der die Tiefen meiner Seele erfüllt und alles gut macht. Ich möchte frei werden von den Bindungen meiner Vergangenheit, frei von den Erinnerungen an Unrecht und Schmerz, frei von der Furcht vor vergifteten Worten und frei von allen Einflüssen des Feindes. Du hast mich befreit zur Freiheit, und in dieser Freiheit will ich unbeirrt vorangehen.
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Abschluss
Wir bitten Gott, dass er heilt in dem Raum, den wir ihm heute geöffnet haben. Wir bitten Jesus, dass er uns trennt von allem, was ihm entgegensteht, und dass er uns mit der Kraft seiner Auferstehung verbindet, mit seiner königlichen Freiheit und mit dem Leben der kommenden Welt.