Jesus Christus – Herr über die Mächte
Predigt am 31. Mai 2019 (Christi Himmelfahrt) zu Epheser 1,19-23
19 Ihr sollt begreifen, wie überwältigend groß die Kraft ist, mit der Gott an uns, den Glaubenden, wirkt. Es ist dieselbe gewaltige Kraft, 20 mit der er an Christus gewirkt hat, als er ihn vom Tod auferweckte und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite setzte.
21 Damit steht Christus jetzt hoch über allen Mächten und Gewalten, hoch über allem, was Autorität besitzt und Einfluss ausübt; er herrscht über alles, was Rang und Namen hat – nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.
22 Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt. 23 Die Gemeinde ist sein Leib: Er, der alles zur Vollendung führen wird, lebt in ihr mit seiner ganzen Fülle.
Himmelfahrt wird die Machtfrage gestellt: Wer bestimmt über unsere Welt? Wir haben eben diese gigantischen Machtmaschinen gesehen, die aber in Wirklichkeit aus Menschen zusammengesetzt sind. Das sind künstlerische Bilder, aber wir verstehen, was sie bedeuten: aus vielen kleinen Menschen, die nur selten böse Absichten haben, wird etwas ganz anderes: eine Macht, die von Einzelnen nicht mehr zu steuern ist. Und diese Mächte ziehen durchs Land und verwüsten es. Sie verseuchen die Ozeane mit Plastik und heizen die Atmosphäre auf, sie ruinieren mit ihren Finanzkrisen ganze Volkswirtschaften, sie überziehen Länder mit Krieg und treiben Menschen in die Flucht. Sie verbrennen die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Sie scheinen unkontrollierbar zu sein, obwohl sie nichts tun können ohne Menschen, die ihnen dienen.
Das Thema von Himmelfahrt
Aber vorhin haben wir in der Lesung gehört: Jesus herrscht über die Mächte. Gott hat ihn im Himmel zum Meister all dieser Gewalten eingesetzt. Er steht über all diesen Mächten und Herrschaften.
Bitte halten Sie das auf jeden Fall fest, bevor Sie vielleicht fragen: »wie soll das denn funktionieren?« Halten Sie diesen Gedanken fest: Das Thema von Himmelfahrt ist die Machtfrage. Wer bestimmt über unsere Welt? Wie werden die großen Mächte gezähmt, die dabei sind, uns und alle Geschöpfe ins Verderben stürzen? Was kann man dem Eindruck entgegensetzen, dass wir ohnmächtig sind angesichts dieser gewaltigen Machtzusammenballungen? Und was kann man denen sagen, die sich in Verbitterung zurückziehen oder nach irgendwelchen menschlichen Sündenböcken suchen, denen sie die Schuld an allem geben können?
Eine Quelle der Hoffung
Was uns gesagt wird, ist: es gibt einen Ort der Hoffnung, an den die entfesselten Gewalten nicht kommen. Es gibt einen Ort, von dem aus sich dauernd Widerstand gegen ihre Herrschaft erhebt. Es gibt einen Ort des Lebens, den die Mächte des Marktes nicht kaufen können. Dieser Ort ist der Himmel. Jesus herrscht »vom Himmel aus«, von diesem unkontrollierbaren Ort her, von der verborgenen Seite der Welt aus.
Und dann fangen auf einmal junge Leute an, am Freitag nicht zur Schule zu gehen und demonstrieren stattdessen für die Bewahrung ihrer Zukunft. Obwohl alle dachten, dass diese Jugend eigentlich bloß Party machen will. Und plötzlich ist das Thema der Zukunft unseres Planeten auf dem Tisch und bringt bei der Europawahl alle Prognosen durcheinander. Wer hätte das erwartet?
Der Himmel ist nicht berechenbar. Er inspiriert Christen und Nichtchristen, er antwortet auf Gebete, er macht aus einzelnen Menschen plötzlich Symbolfiguren, die weltweite Bedeutung haben, er bringt Menschen in Bewegung, die sich vorher noch nie für so etwas interessiert haben, und schon kommen Menschen auf die Idee, mit ihrer Position als Rädchen im Getriebe zu hadern.
Gottes Macht in Menschen
Das ist der besondere Weg, wie Gottes Lebensmacht wirkt: durch Menschen hindurch. Dieselbe gewaltige Macht, die Christus von den Toten erweckt hat, die weckt auch in denen, die mit Jesus verbunden sind, eine gewaltige Liebe zum Leben. Die Mächte wollen uns entmenschlichen, sie wollen uns zum Rädchen im Getriebe machen, sie reduzieren uns auf unsere Rolle, als Produzenten und Konsumenten. Sie wollen von uns nur das, was sie nutzen können.
Aber wir sind Menschen! Wir sind viel mehr als bloß Anhängsel eines sinnlos weiterlaufenden Apparates. Wir sind schöpferische Wesen, liebende Wesen, Menschen, die sich Dinge vorstellen können, die es noch gar nicht gibt, aber eines Tages bringen wir sie hervor. Wir sind Wesen, die offen sind für Inspirationen vom Himmel her. Das ist unsere Würde und Größe.
Gottes gewaltige Macht entfaltet sich durch Menschen hindurch. Diese Macht ist nicht einfach da, sondern sie will von Menschen entdeckt und hineingelassen werden in die Welt und in unser Leben. Sie funktioniert nicht ohne Menschen, die sich ihr zur Verfügung stellen, weil sie die Fülle des Lebens lieben, die in Christus zu uns gekommen ist. Und wir haben überhaupt erst angefangen, diese gewaltige Kraft zu entdecken.
Echt jetzt?
Wenn wir freitagabends um halb sieben in der St. Bernward-Kirche zu den Zukunftsandachten zusammen kommen, egal ob evangelisch, katholisch oder was auch immer, dann beten wir auch für alle, die Unheil stiften und eine lebenswerte Zukunft bedrohen. Wir beten nämlich, dass Gott ihnen in den Weg tritt und ihre Pläne scheitern lässt. Und neulich fragt mich einer, ob mir denn nicht aufgefallen wäre, dass sich ausgerechnet jetzt in Österreich diese rechtsgerichtete Partei so grandios entlarvt hat? Und ich war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, da einen Zusammenhang zu sehen, aber jetzt frage ich mich: waren wir das? Was haben wir da möglicherweise angeschoben? Oder fange ich an, größenwahnsinnig zu werden?
Diese Frage wird sich diesseits des Himmels nicht endgültig klären lassen. Aber vielleicht haben wir ja wirklich ein bisschen dazu beigetragen, dass die geistige Atmosphäre klarer geworden ist, sauberer, weniger vergiftet. Vielleicht. Möglicherweise.
Du fehlst noch!
Der Himmel sorgt dafür, dass kleine Menschen in der Kraft Gottes Großes bewirken. Aber niemand kann ihn berechnen oder kontrollieren. Er ist für Überraschungen gut. Und wir haben gerade erst angefangen, das Potential zu entdecken, dass da verborgen ist. Vielleicht treibt uns ja jetzt die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen dazu, dass wir da immer intensiver suchen und anklopfen, weil es sonst so wenig Hoffnung gibt. Und, ganz ehrlich: ich wünsche mir, dass Sie auch dabei sind. Wir sind alle kleine Menschen, die sich ohnmächtig fühlen gegenüber den gigantischen Mächten, die unsere Welt erschüttern. Aber an Christi Himmelfahrt werden wir daran erinnert, dass Gott mit kleinen Menschen Großes tun will.
Es gibt noch so viel zu entdecken, so viel zu lernen, so viel zu hoffen. Bitte seien Sie auch dabei. Öffnen Sie Ihr Herz für den Anruf Jesu vom Himmel her. Ja, auch durch Sie soll sich Gottes gewaltige Macht entfalten.