Rhythmen des Lebens (2): Sommer
Predigt am 8. Juli 2007 (Besonderer Gottesdienst) mit 5. Mose 14,26
Der Gottesdienst begann mit einer Bild/Musik – Präsentation zum Thema „Sommer“. Der Predigt ging voran eine Theaterszene, in der ein Ehepaar darüber verhandelte, ob, wie und vor allem wann sie den Sommer genießen könnten.
Der Sommer ist wahrscheinlich die schönste Jahreszeit von allen. Auch die anderen haben ihren Reiz und ihre unverwechselbaren Schönheiten, aber nie fühlt sich das Leben so leicht an wie im Sommer. Man muss nicht Heizen, man muss sich nicht in dicke Kleidung einhüllen; man kann leichte Schuhe tragen; man kann im Gras sitzen. Das Wasser ist warm genug, um es angenehm zu empfinden. Es ist lange hell, und morgens gibt es ein wunderbares Licht, wenn die Sonne am Horizont aufsteigt; abends können wir zusehen, wie sie langsam und rot versinkt. Die Eisdielen haben auf und die Ferien sind nicht mehr weit. Alles ist grün; nacheinander werden die Früchte reif, und man kann sie direkt vom Baum essen.
Und auch in der Stadt ist der Sommer etwas Besonderes: die Menschen sitzen abends draußen, essen und trinken und unterhalten sich. Die Parks und die Freibäder sind voller Menschen. Das Leben ist wunderbar anders. Der Sommer ist eines der schönsten Geschenke, die uns das Leben macht.
Und er ist nicht nur eine Jahreszeit in der Natur, sondern auch eine Jahreszeit unseres Lebens: wenn es alles gut geht, wenn wir die Unsicherheiten des Lebensanfangs hinter uns gelassen haben und die Mühen des Alters noch nicht in Sicht sind; wenn wir genügend Energie haben, um auch Belastungen zu bewältigen; wenn unser Leben erfüllt und sinnvoll ist; wenn wir merken, wie allmählich Früchte heranreifen.
Natürlich gibt es auch die Zeiten, die weh tun und hart sind; es gibt den Herbst, und auch der Winter wird kommen; und es gibt Menschen, die haben den Eindruck, dass ihr Sommer verregnet ist und nur ab und zu ein paar Tage mit Sonne dazwischen liegen. Wer gerade im Sommer lebt, soll wissen, dass es anderen ganz anders geht, und dass er selbst auch nicht immer im Sommer leben wird. Aber das soll uns nicht davon abhalten, uns am Sommer zu freuen, wenn wir ihn erleben. Wer gerade nicht im Sommer lebt, soll ihn den anderen gönnen. Wenn ich gerade im Winter lebe, hilft es mir nicht, wenn es allen anderen auch so geht. Alles hat seine Zeit, sagt der Prediger Salomo. Es gibt die Zeit des Tanzens und es gibt die Zeit des Klagens, und wir sollen das nicht zu einem Einheitsbrei machen. Wer gerade im Sommer lebt, soll sich die Freude nicht verderben lassen durch den Gedanken daran, dass das ja nicht immer so sein wird.
Denn es ist so leicht, den Sommer zu verpassen. Ist es Ihnen schon mal so gegangen, dass auf einmal der Sommer vorbei war und Sie sagten: wir haben in diesem Jahr ja noch gar nicht richtig draußen gesessen? Es war so viel zu tun, und wir haben die schönste Zeit des Jahres verpasst. Deswegen haben wir eben ja den beiden hier zugesehen, die einfach keine gemeinsame Zeit für den Sommer gefunden haben. Alles hat seine Zeit, sagt Salomo. Wir können den Augenblick nicht aufbewahren; wenn er vorbei ist, kommt er nicht wieder.
Es ist leicht, den Sommer zu verpassen: in der Natur genauso wie in unserem Leben. Den Aufbruch des Frühlings spüren wir so deutlich, es geht voran, es wird immer grüner; eine Zeit, in der sich die Veränderung ankündigt wie der Herbst, die kann man nicht ignorieren; und den Winter der Seele, die Zeiten von Verlust, Trauer und Ohnmacht, kann man schon gar nicht übersehen. Aber weil das Leben im Sommer so leicht ist, deshalb können wir ihn übersehen, wir können ihn als selbstverständlich nehmen.
Ich sprach einmal mit jemandem, der in der beruflichen Aufbauphase war, die Kinder brauchten auch viel Aufmerksamkeit, Schulden mussten abgezahlt werden, und er sagte: wir sind wohl gerade in den sieben mageren Jahren. Eine ganze Zeit später sprach ich noch einmal mit ihm, und er sagte: jetzt im Rückblick merke ich, dass das vielleicht eher die fetten Jahre waren.
Es ist leicht, die Geschenke des Sommer zu übersehen. Aber wenn Sie das tun, dann werden Sie irgendwann voll Sehnsucht zurückschauen auf die gute alte Zeit, Sie werden sagen: ja, damals! Und vielleicht sogar sagen: Ach, hätte ich doch damals nur … ! Und wenn Sie jetzt einen kurzen oder längeren Sommer erleben, dann machen Sie sich klar: jetzt ist die Zeit, an die Sie später einmal zurückdenken werden, wo Sie sagen werden: ja, damals, das war toll. Jetzt leben Sie in der guten Zeit, die einmal Ihre persönliche Legende sein wird!
Sie kennen vielleicht die Geschichte von der Feldmaus, die den ganzen Sommer über nichts tut, in der Sonne sitzt und bei den anderen Mäusen als Faulpelz verschrieen ist. Die anderen sammelen im Sommer schon die Nahrung für den Winter. Aber als dann der Winter kommt und alle trostlos im dunklen, kalten Bau sitzen, da zeigt sich, dass die kleine Maus im Sommer etwas anderes gesammelt hat: nämlich Eindrücke. Und als sie dann den anderen erzählt von den Schönheiten des Sommers, von den goldenen Sonnenstrahlen, den duftenden Blumen und den funkelnden Tautropfen, da merken sie, dass es doch nicht so schlecht war, dass diese Maus den Sommer über Eindrücke und Erinnerungen gesammelt hat. Also schöpfen Sie den Sommer voll aus, den Sommer in der Natur und den Sommer in der Seele. Sammeln Sie Geschichten und Bilder darüber.
Und ich möchte drei Wege nennen, mit denen wir den Sommer in unserer Seele verankern können:
- Wahrnehmen
Lassen Sie es zu, dass Sie das Besondere des Sommers auch wahrnehmen, damit er nicht verloren geht z.B. hinter einem Terminkalender, der unsere Wahrnehmung von dem, was wichtig ist, filtert. Das wechselnde Wetter in diesen Tagen finde ich dafür eigentlich sehr hilfreich. Wenn wir durch den Regen immer wieder daran erinnert werden, dass Sonnenschein nicht selbstverständlich ist, dann schätzen wir die Sonne mehr, als wenn sie Tag für Tag scheint.
Aber unabhängig davon: schauen Sie auf die Geschenke des Sommers, achten Sie darauf, dass Sie sie wirklich schätzen. Gehen Sie raus in die Natur, schmeißen Sie die Gedanken an das, was noch zu tun ist, aus dem Kopf, unterbrechen Sie für einige Zeit, wenn es draußen schön ist, gehen Sie Eis essen, oder was immer Sie gerne machen – denken Sie daran, dass dieser Moment nicht wiederkommt.
Lassen Sie zu, dass der Sommer die gewohnte Alltagsroutine durchbricht. Achten Sie auf den Zauber eines besonderen Momentes, spüren Sie eine warme Sommernacht, ohne innerlich auf die Uhr zu schauen, setzen Sie sich am Morgen auf die Terrasse und schauen Sie einfach. Gott ist ein Wesen voller Freude, und er schuf die Welt aus Freude am Leben. Das spürt man gerade im Sommer. Wir sollen Gottes Freude teilen. „Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde“ sagt Jesus zu seinen Jüngern, und das ist nur eine von ganz vielen Stellen, wo in der Bibel von Freude die Rede ist. Und wenn wir das auf den Sommer des Lebens anwenden, dann heißt das: nehmen Sie die gute Zeit wahr, in der Sie leben, und zwar indem Sie sie feiern – das ist nämlich mein Punkt Nummer 2: - Feiern
Feiern ist die Art, auf die wir Menschen schöne Dinge und Ereignisse besonders intensiv wahrnehmen. Es ist bemerkenswert, wie oft in der Bibel vom Feiern die Rede ist. Das Volk Israel bekam den Auftrag, dreimal im Jahr große Feste zu feiern. Sie freuten sich schon lange vorher darauf. Man sollte dafür eine Abgabe erheben, und was sollte man damit tun?„Gib das Geld für alles, woran dein Herz Lust hat, es sei für Rinder, Schafe, Wein, starkes Getränk oder für alles, was dein Herz wünscht, und iss dort vor dem HERRN, deinem Gott, und sei fröhlich, du und dein Haus“
heißt es (5. Mose 14,26). Ein Fest ist eine organisierte Gelegenheit, um gemeinsam schöne Dinge zu tun. Jesus scheint dauernd dafür gesorgt zu haben, dass gefeiert wurde. Und die Gottesdienste der ersten Christen sahen wöchentlichen Feiern mit Essen und Trinken viel ähnlicher als unserer Form des Gottesdienstes. Das Volk Gottes soll die Freude Gottes leben und praktizieren. Klar, es gibt blöde Feiern, wo die Leute einfach nur einen Anlass suchen, möglichst viel Alkohol in sich reinzuschütten. Aber die richtige Antwort darauf ist doch, so zu feiern, dass wir klar und wach all das Gute wahrnehmen, das Gott uns gibt, und auch durch unsere Gespräche und alles an dieser Freude teilzuhaben.
- Dankbarkeit
Wenn unser Leben gut läuft, dann gerät uns Gott leicht aus dem Blick. Wir erleben das alles als persönlichen Erfolg und übersehen Gottes Güte, die das alles möglich macht. Aber die Undankbaren fangen schnell an, sich über alles zu beschweren. Irgendwie ist es das Tüpfelchen auf dem i, wenn wir Gott danken für all die guten Dinge, die er uns schenkt. Dankbar sein bedeutet, in allem die Liebe Gottes wahrzunehmen. So wie in einem Geschenk das Wertvollste eigentlich die Freundlichkeit des Schenkenden ist – wenn es denn nicht nur ein Pflichtgeschenk ist.
So werden all die guten Dinge des Sommers dann besonders feste Wurzeln in unserer Seele schlagen, wenn wir sie aus Gottes Hand entgegen nehmen, wenn wir uns für den neuen Tag und den wunderbaren Morgen bedanken, wenn wir immer wieder mal in der frischen Luft den Atem Gottes spüren und in unserer Gesundheit die Lebenskraft Gottes wahrnehmen. Wenn wir in all diesen vergänglichen Dingen Gott wahrnehmen, dann wächst daraus eine Beziehung zur Quelle aller Freude, und wir werden so auch in den weniger schönen Zeiten etwas haben, das uns von innen her erfreut, und das kann uns dann keiner nehmen.
Dankbarkeit ist eine wirklich Therapie gegen negative Gedanken, Zynismus und Unzufriedenheit. Seelische Gesundheit hat etwas zu tun mit der Fähigkeit, dankbar zu sein. Diese Fähigkeit können wir gerade im Sommer einüben, und auch der Winterhimmel wird uns dann an den Sommer erinnern, als wir dankbar den neuen Tag begrüßt haben.
Wir werden den Sommer unseres Lebens nicht verpassen, wenn wir ihm eine Chance geben, von uns wahrgenommen zu werden, ihn feiern und dankbar sind. Irgendwann ist auch diese Jahreszeit vorbei, die Schule geht wieder los und die Blätter werden bunt. Aber wenn wir die Geschenke des Sommers angenommen und in unserer Seele verankert haben, dann haben wir getan, was wir konnten. Und dann sind wir gut ausgerüstet auch für die anderen Zeiten.