Erneuerte Körper
Predigt am 22. November 2015 (Ewigkeitssonntag) zu 1. Korinther 15,35-38.42-44
35 »Aber«, wird mir jemand entgegenhalten, »wie soll die Auferstehung der Toten denn vor sich gehen? Mit was für einem Körper werden sie ´aus ihren Gräbern` kommen?«
36 Wer so redet, weiß nicht, was er sagt! Wenn du Getreide aussäst, muss die Saat doch auch zuerst sterben, ehe neues Leben daraus entsteht. 37 Und was du säst – Weizen oder sonst eine Getreideart –, hat nicht das Aussehen der künftigen Pflanze; es sind Samenkörner und weiter nichts. 38 Aber wenn der Samen dann aufgeht und zur Pflanze wird, bekommt er eine neue Gestalt – die Gestalt, die ihm von Gott bestimmt ist. Und aus jeder Samenart lässt Gott eine andere Pflanze entstehen.
…
42 Entsprechend verhält es sich mit der Auferstehung der Toten. Der menschliche Körper ist wie ein Samenkorn, das in die Erde gelegt wird. Erst ist er vergänglich, aber wenn er dann auferweckt wird, ist er unvergänglich. 43 Erst ist er unansehnlich, dann aber erfüllt von Gottes Herrlichkeit. Erst ist er schwach, dann voller Kraft. 44 In die Erde gelegt wird ein irdischer Körper. Auferweckt wird ein Körper, der durch Gottes Geist erneuert ist. Genauso, wie es einen irdischen Körper gibt, gibt es auch einen durch Gottes Geist erneuerten Körper.
Über jedem Menschen, über uns wie über denen, die wir eben genannt haben, liegt die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten. Seit Jesus auferstanden ist, wird jedes Menschenleben im Zeichen dieser Hoffnung gelebt. Jesus ist auferstanden, als erster und bisher einziger, aber er soll nicht der einzige bleiben. Zur Auferstehung sind alle bestimmt.
Ungewohnte Vorstellungen
Und in unserem Abschnitt muss Paulus nun genauer sagen, was damit gemeint ist und wie er sich das denkt, weil es anscheinend Menschen gibt, die fragen: wie soll denn das gehen? Ich kann mir das nicht vorstellen. Und denen antwortet Paulus: das kommt daher, dass wir meistens im Rahmen dessen denken, was wir kennen, und wir haben es ganz schwer, uns etwas Neues und Anderes vorzustellen. Aber wenn wir ein bisschen überlegen, dann gibt es doch Beispiele dafür, wie auch in unserer täglichen Erfahrung etwas unerwartet Neues entsteht:
z.B. ist es für uns selbstverständlich, dass eine Pflanze anders aussieht als der Samen, aus dem sie hervorgegangen ist. Ein Getreidehalm hat keine Ähnlichkeit mit dem Korn, aus dem er gewachsen ist. Und wenn wir Salat haben möchten, dann säen wir keine kleinen Salatköpfe, sondern Samen. Aus den Samen werden Salatköpfe, es gibt eine klare Verbindung, das eine geht aus dem anderen hervor, aber was am Ende wächst, sieht ganz anders aus als der Anfang. Das fällt uns gar nicht groß auf, weil das für uns so selbstverständlich ist.
Aber wenn wir das nicht aus Erfahrung wüssten, dann würden wir auch da skeptisch fragen: wie soll denn aus so einem kleinen Ding wie einem Samenkorn ein Salatkopf werden?
Kontinuität und Bruch
Und so ist auch ein menschliches Leben eine Art Aussaat. Gott sät Menschenleben, aber er hat damit noch etwas ganz anderes im Sinn als die Art von menschlichem Leben, das wir bisher kennen. Es gibt eine klare Verbindung, aus einem Menschenleben geht etwas Neues hervor, aber das Neue ist auch ganz verschieden vom Alten, so wie ein Samenkorn und ein Getreidehalm nur wenig Ähnlichkeiten aufweisen.
Das alles sind Bilder, die unserer Fantasie auf die Sprünge helfen sollen, die uns öffnen sollen dafür, auf ganz anderen Wegen zu denken als normalerweise. Normalerweise stellen sich Menschen die Existenzform nach dem Tod, wenn sie daran glauben, irgendwie ähnlich dem Leben vor, das wir jetzt kennen. Die alten Ägypter haben ihren Toten Grabmale mit Möbeln und Gebrauchsgegenständern eingerichtet, als ob es sie da einfach weitermachen würden wie immer. Wer König war, blieb König, wer Diener war, blieb Diener. Viele andere alte Völker haben den Toten ihre Waffen mitgegeben, so als ob sie sich auch die kommende Welt nicht ohne Mord und Totschlag vorstellen könnten.
Aber wenn Gott die Toten ins Leben ruft, dann schafft er etwas Neues, was sich im Vergleich zu unserem jetzigen Leben ebenso grundlegend anders anfühlt, wie ein Same und eine Pflanze verschieden sind. Es geht nicht so weiter wie bisher, sondern es beginnt etwas Größeres, Klareres, Realeres, Stärkeres. Es beginnt ein Leben, das entscheidend von Gottes Geist angetrieben und bewegt wird.
Eine verwandelte Welt
Wir leben auch jetzt schon von der Lebenskraft Gottes. Ganz am Anfang hat er sie in uns hineingelegt. Aber wir benutzen Gottes Kraft, um unsere eigenen Dinge zu tun, auch wenn sie Gott nicht gefallen. In der kommenden Welt haben wir nicht nur seine Lebensenergie. Wir werden diese Energie auch in Übereinstimmung mit ihm einsetzen, und dann wird alles anders. Dann geht es nicht mehr weiter mit den großen und kleinen Kriegen, die Menschen untereinander führen, es geht nicht weiter damit, dass die einen die Diener sind und die anderen die Herren. Und das wird eine ganze andere Welt; wir werden sie kaum wiedererkennen.
Diese Welt ist darauf angelegt, im Großen und im Kleinen von Gottes Geist erfüllt zu werden. Sie wird nicht zerstört werden, sondern sie wird verwandelt werden, sie wird durch und durch Gott widerspiegeln, und sie wird zutiefst anders sein, als wir sie jetzt kennen. Zum Glück wird sie völlig anders sein! Denn es wäre doch schrecklich, wenn Gewalt und Unterdrückung selbst in der kommenden Welt nicht aufhörten. Und wir sollen dann auch nicht immer wieder mit Vergänglichkeit und Schwachheit konfrontiert werden. Das gehört zu diesem Leben, nicht zum kommenden.
Manchmal kommen Dinge am Ende noch in Ordnung
Wer einen Menschen auf dem letzten Abschnitt seines Lebensweges begleitet hat, der hat ja oft miterlebt, wie wenig am Ende übrig bleibt von dem, was ein Mensch in seiner Kraft einmal gewesen ist. Das gehört wirklich zu unserem Leben dazu, oft auch gerade zum letzten Teil des Lebens. Da ist so vieles schwach, vorläufig und hart. Und da gibt es auch viele Erinnerungen an traurige Zeiten, die man einem Menschen eigentlich gern erspart hätte.
Trotzdem ist kein Tag dieses Lebens umsonst oder überflüssig, weil es von der ersten bis zur letzten Minute dazu bestimmt ist, ein Same zu sein, aus dem etwas Größeres wächst. Und manchmal können wir das wirklich sehen, wie in einem Menschenherzen in Schwäche und Angst doch etwas Neues geboren wird, ein Durchbruch geschieht, der noch gefehlt hat, eine Schwelle überwunden wird, vor der einer sein Leben lang zurückgeschreckt ist; aber durch Gottes Gnade schafft er es doch noch. Ganz zuletzt ist er freundlich geworden, ganz zuletzt hat sie Hilfe annehmen können, ganz zuletzt hat es Frieden gegeben mit Menschen oder Ereignissen, die vorher das Leben überschattet haben. Ganz zuletzt hat sich noch etwas davon abgezeichnet, dass wir zu etwas anderem berufen sind als zu dem Leben, wie wir es bisher gekannt haben.
Ein notwendiger Bruch
Und wenn wir dann miteinander über einen Menschen nachdenken, der an sein Ende gekommen ist, dann schauen wir danach: was wird jetzt bleiben? Wo ist da Same, aus dem etwas wachsen soll, das Bestand hat in Gottes neuer Welt? Und was uns wirklich froh machen kann, auch im Moment des Abschieds, das sind die Dinge, die bleiben werden, weil es Bausteine sind für Gottes neue Welt. Und es ist gut, wenn man davon etwas ahnen kann, auch wenn unser Urteil da immer sehr begrenzt und vorläufig ist. Es ist gut, wenn man hier und da etwas davon sehen kann, wie ein Mensch sich nicht sträubt und sperrt, sondern sich Gottes Begleitung und Führung gefallen lässt.
Wenn wir uns von einem Menschen verabschieden, dann schauen wir deshalb nicht nur zurück. Wir schauen auch nach vorn zu dem Tag, an dem wir einmal diese ganze Vorläufigkeit hinter uns gelassen haben werden. Das Bild vom Samen sagt ja auch: wir werden wirklich verwandelt werden, wir werden ganz anders sein, als wir uns jetzt kennen. Es wird etwas Neues beginnen, das wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Es wird keine kontinuierliche Entwicklung sein, sondern es muss durch einen Bruch hindurch gehen, durch Sterben hindurch, wie ja auch ein Samenkorn seine bisherige Existenz aufgeben muss, wenn etwas Neues entstehen soll. Es wird der Erde anvertraut, es stirbt sozusagen, und nur so kann daraus etwas ganz anderes werden.
Ein Korn, das nicht dieses Wagnis des Ausgesät-Werdens erlebt, das wird ohne Perspektive vergehen oder verfaulen. Nur durch diesen Bruch hindurch kann es mit dem Korn weitergehen. Und das gilt für uns genauso. Damit Gottes neue Welt anbricht, muss die alte für uns zu Ende gehen. Gottes neue Welt ist komplett anders, so neu, dass wir sie uns allerhöchstens in Bildern vorstellen können.
Das Modell des Auferstehungslebens
Das heißt, ein bisschen wissen wir doch davon, wie das Auferstehungsleben aussieht, das ewige Leben, wie es auch heißt. Einer lebt ja schon als Auferstandener – Jesus. Und wenn er nach seiner Auferstehung seinen Jüngern gegenüber trat, dann hatten sie es im ersten Moment immer schwer, ihn zu erkennen. Er unterschied sich zu sehr von dem Jesus, den sie mit seinem irdischen Leib gekannt hatten. Sie hatten ja auch überhaupt nicht erwartet, ihm jemals wieder zu begegnen, und als er dann plötzlich vor ihnen stand, da dachten sie zuerst, er würde ihnen so begegnen, wie uns eben manchmal Tote noch für einen Augenblick begegnen – aber es ist eine unwirkliche Begegnung, und sie wird immer blasser. Deshalb musste Jesus seine Jünger erst überzeugen: nein, ich bin kein Gespenst, ich habe einen neuen Körper, einen Auferstehungsleib, und deshalb war das Grab leer, als ihr mich dort suchtet. Das Samenkorn ist verschwunden, weil aus ihm etwas Neues geworden ist. Aber ich bin es wirklich!
Das bedeutet für uns: Wir werden völlig verwandelt werden, aber wir werden immer noch wir sein, und deshalb nennen wir den Namen eines Menschen und schreiben ihn auf Grabsteine, gar nicht mal so sehr als Erinnerung, sondern als Zeichen der Hoffnung und als Ausblick in die Zukunft, die dieser Mensch und wir alle haben. Es wird nichts verlorengehen. Gott wird eines Tages danach schauen, ob Jesus in unserem Leben Raum gehabt hat.
Und zu allem Jesus-beeinflussten Leben, das er dann findet, dazu wird Gott sagen: ja, damit kann ich etwas anfangen. Das ist der Same der neuen Welt, der nimmt teil an der Auferstehung meines Sohnes. Ich erkenne darin etwas von Jesus, und deshalb lasse ich es gelten. Und ich erneuere es so, dass es erkennbar wird als Teil meiner Welt, die ich von Anfang an im Sinn hatte.
Das Leben schätzen
Können Sie sich vorstellen, wie froh wir dann sein werden über jede gute, gerechte und mutige Entscheidung, die wir jetzt schon treffen? Das ist manchmal bei Menschen so quälend und langwierig, und mit so vielen Ängsten verbunden: was werden die andern sagen? Was kommt da auf mich zu? Kann ich denn neu anfangen und ganz anders leben? Bringt das nicht mein Leben zu sehr durcheinander?
Aber im Rückblick werden wir sagen: wie gut, dass ich mich durchgerungen habe, dass ich dem Ruf gefolgt bin, von dem ich im Herzen wusste, dass er von Gott ist. Wie gut, dass ich damals die richtige Entscheidung getroffen habe, dass ich etwas gewagt habe, dass ich den Schritt getan habe, von dem ich wusste, dass er jetzt auf mich wartete. Wie schade, dass ich an so vielen andern Punkten nicht den Mut gehabt habe oder mich habe ablenken lassen, dass ich zu wenig investiert habe an Gedanken und Energie und Zeit. Aber diese Male, wo ich Jesus nachgefolgt bin mit meinem ganzen Herzen, mit all meiner Kraft und all meinen Möglichkeiten, wie dankbar und glücklich bin ich jetzt deswegen!
Das ist die Würde und Größe unseres Lebens, dass da ein Same gelegt werden soll, der auch jenseits der Grenzen dieser Welt noch Frucht trägt. Im Blick darauf sollen wir dieses vorläufige Leben lieben und mit Sorgfalt führen. Wir können in ihm schon jetzt manchmal einen Vorschein unserer Zukunft sehen. Und wir werden schon jetzt Gott kennen und lieben, wenn er uns in Jesus begegnet. So bereitet er uns darauf vor, in der neuen Welt zu leben, in der die Materie von seinem Geist bewegt wird, die von ihm geprägt ist und in der Leid und Schwäche Vergangenheit sein werden.