Gut bauen und die Probe bestehen
Predigt am 18. August 2002 zu 1. Korinther 3,9-16
Die Geschichte von der Heilung des Taubstummen, die wir eben im Evangelium gehört haben (Markus 7,31-37), die endet damit, dass die Leute erschrecken, weil Jesus alles gut gemacht hat. Genau das gehört zusammen: alles wird gut – und sie erschrecken.
Warum gehört das zusammen? Weil Jesus die Gegenwart Gottes bringt. Jesus ist die Gegenwart Gottes. In ihm wohnt Gott. Gott hat diesen Weg gefunden, um uns ganz nah zu kommen, damit wir verstehen, wie er ist. Und wie ist Gott? Er segnet und heilt. Jesus sorgt dafür, dass in seiner Umgebung die ganzen Zerstörungen heilen, mit denen wir in dieser Welt geschlagen sind. Bei ihm wird alles gut.
Die Gegenwart Gottes ist aber auch kein Spaß. Das ist nicht ungefährlich, so nahe an Gott dran zu sein. Da bekommt alles sofort eine unglaubliche Bedeutung. Was man sich sonst mal erlauben darf, das geht da nicht mehr. Und die Leute verstehen das.
So wie wenn es sich einer zum Mittagsschlaf auf einer Kiste bequem gemacht hat, und dann schaut er sich zufällig die Aufschrift auf der Kiste an, und da steht: »Vorsicht, Dynamit!«. Da kann er nicht ruhig sein Mittagsschläfchen fortsetzen, sondern er erschreckt und sagt: »Oh weh, wo bin ich da hingeraten?«
Oder wie Petrus bei seiner ersten Begegnung mit Jesus sagt: Herr, ich bin ein sündiger Mensch, halte doch lieber ein bisschen Abstand von mir, dann fühle ich mich sicherer (Luk. 5)!
Und nach der Auferstehung Jesu und nach dem Kommen des Heiligen Geistes zu den Jüngern, da wird die Gemeinde Jesu zum Ort, wo Gott zu finden ist. Da setzt sich das Wirken Jesu fort. Der Heilige Geist, der Jesus inspiriert hat, der lenkt und leitet auch die Gemeinde. Er wohnt in ihr.
Und dann gilt es für die Gemeinde, dass man sich da nicht einfach so benehmen kann wie in irgendeinem anderen Verein, sondern in der Gegenwart Gottes sind manche Dinge nicht mehr erlaubt, die man sonst vielleicht verbuchen würde unter dem Titel: »gut, es menschelt eben überall«. Es ist riskant, im Umfeld des Heiligen Geistes so weiterzumachen wie sonst auch und wie man sonst immer so einigermaßen durchs Leben gekommen ist.
Das musste auch der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth schreiben. In Korinth menschelte es ganz gewaltig, da gab es Rangeleien zwischen Leuten, die jeweils Teile der Gemeinde hinter sich versammelten. Und es gab Leute, die es ganz toll fanden, dass Paulus dort eine Gemeinde gegründet hatte, und sie fanden es noch besser, dass er jetzt weg war und sie dort die Zügel in die Hand nehmen konnten. Die Kärrnerarbeit am Anfang, die hatten sie ihm gerne überlassen, aber nachdem die Gemeinde erst einmal existierte, da fanden sie, dass sie nun auch gut ohne ihn auskommen konnten.
In dieser Situation schreibt Paulus nach Korinth, und das ist der Predigttext dieses Sonntages (1.Kor 3,9-16):
9 Wir sind also Gottes Mitarbeiter, ihr aber seid Gottes Ackerland. Oder mit einem anderen Bild: Ihr seid Gottes Bau. 10 Nach dem Auftrag, den Gott mir gegeben hat, habe ich wie ein umsichtiger Bauleiter das Fundament gelegt. Andere bauen nun darauf weiter. Aber jeder soll sehen, wie er weiterbaut!
11 Das Fundament ist gelegt: Jesus Christus. Niemand kann ein anderes legen. 12-13 Es wird auch nicht verborgen bleiben, was jemand darauf baut, ob Gold, Silber oder wertvolle Steine, ob Holz, Schilf oder Stroh. Am Tag des Gerichts wird sich erweisen, ob es Bestand hat. Dann wird die Feuerprobe gemacht: Das Werk eines jeden wird im Feuer auf seinen Wert geprüft.
14 Wenn das, was ein Mensch gebaut hat, die Probe besteht, wird er belohnt. 15 Wenn es verbrennt, wird er bestraft. Er selbst wird zwar gerettet, aber so, wie jemand gerade noch aus dem Feuer gerissen wird.
16 Wisst ihr nicht, dass ihr als Gemeinde der Tempel Gottes seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt?
Die Gemeinde ist der Tempel Gottes. Nicht mehr der Tempel in Jerusalem, der zur Zeit dieses Briefes noch stand, sondern die 15 oder 100 Menschen, die sich irgendwo in einem Haus oder dem Innenhof eines Anwesens im Namen Jesu versammeln. Die Gemeinde, in der der gleiche Heilige Geist wirkt, der in seiner ganzen Fülle in Jesus gewohnt hat. Diese Gemeinde ist der Platz, wo Gott zu finden sein will.
Das Fundament ist Jesus Christus: sein Leben, sein Weg, die Freiheit, die er gebracht hat, den Weg zu Gott, den er vorangegangen ist. Das hat sich keiner von uns ausgedacht, das ist Gottes Werk. Wenn Jesus nicht gelebt hätte, gäbe es auch keine Gemeinde. Nur weil Jesus diesen Weg gebahnt hat, darum können andere ihm nachfolgen.
Und Paulus sagt: ich habe bei euch dieses Fundament gelegt, indem ich in Korinth so lange von Jesus und seinem Weg erzählt habe, bis die ersten davon überzeugt waren, dass das der Weg ist, den Menschen gehen sollen. Ich habe diesen Grund und dieses Zentrum der Gemeinde nach Korinth gebracht, wo man bis dahin nichts davon wusste. Das ist die Sache, um die es geht.
Aber wie man nun von Jesus her diese Gemeinde gestaltet, das ist die Verantwortung von Menschen, zunächst und vor allem die Verantwortung des Leiters oder der Leiter einer Gemeinde, aber dann natürlich die Aufgabe aller. Und da gibt es eben viele Möglichkeiten, bessere und schlechtere. Es ist nicht so, dass in der Nacht alle Katzen grau sind, es reicht nicht, sich Mühe gegeben zu haben, auch das Ergebnis soll gut sein.
Der Weg Jesu – das ist die Realität, um die es geht. Wie kann die Gemeinde gestaltet werden, damit diese Realität dort mit Händen zu greifen ist? Menschen, die in die Gemeinde kommen, die sollen möglichst nicht weniger sehen und erleben als die Menschen, die auf den Straßen Israels Jesus begegneten und in den Häusern des Landes Israel mit ihm zu Tisch saßen.
Wobei natürlich klar ist, dass es nicht darum geht, dass man die gleichen Kleider trägt oder die gleiche Weinsorte trinkt, die Jesus damals getragen und getrunken hat, sondern die geistliche Substanz, die entscheidende Qualität, die rüberkommt, die soll so authentisch wie möglich sein. Die Gemeinde soll transparent sein für die Person und die Art Jesu, sie soll deutlich geprägt sein von der Kraft des Heiligen Geistes. Das ist das Entscheidende.
Eine Gemeinde so zu gestalten, dass das geschehen kann, das ist unsere Aufgabe. Von diesem vorgegebenen Fundament her so zu bauen, dass das Gebäude dazu passt.
Da kann sich keiner damit herausreden, dass er scheinbar demütig sagt: Das muss doch Gott machen. Nein, wir sollen die Gemeinde gestalten, und ob Gott in dieser Gemeinde etwas machen kann, das hängt davon ab, dass wir sie wenigstens einigermaßen richtig bauen.
Man kann die Gemeinde nämlich auch so bauen, dass Gott kaum eine Chance hat. Es gibt so viele Gemeinden, die mit einem Mörtel der Ängstlichkeit und der Einschüchterung gebaut worden sind, da kann gar keine Freude aufkommen. Es gibt Gemeinden, die sind so konstruiert, dass man Gott und den Heiligen Geist eigentlich gar nicht braucht, selbst wenn man oft betet und den Namen Jesu in Ehren hält. Man kann Kirchen und Gemeinden auf falsche Fundamente bauen, und dann muss Gott manchmal eine Bombe ans falsche Fundament legen, damit wir uns wieder daran erinnern, was denn nun wirklich das Fundament der Gemeinde ist.
Natürlich könnte man da noch lange drüber reden, wie schlecht gebaut Kirchen und Gemeinden manchmal sind. Und man muss das tatsächlich deutlich wahrnehmen und darf es nicht schönreden, weil es ja nicht besser werden kann, wenn man das immer mit dem Mäntelchen der Liebe zudeckt. Aber es macht keinen Spaß, darüber zu reden.
Paulus will, dass wir wissen: es gibt tatsächlich verschiedene Arten, wie Menschen Gemeinde bauen, bessere und schlechtere Arten, und er beschreibt das in dem Bild der verschiedenen Baumaterialien: baut man mit Gold oder Silber oder haltbaren Steinen, z.B. mit Marmor? Oder baut man mit billigen Material wie Holz oder Stroh? Das ist eine gewisse Verschiebung des Bildes von der Frage nach dem Bauplan zur Frage des Materials. Paulus ändert die Optik, weil er deutlich machen will: die eigentliche Frage ist, ob die Gemeinde im Feuer des Gerichts bestehen wird. Und damit ist einerseits das Endgericht gemeint, wenn Gott all unser Tun hier auf der Erde bewerten wird, andererseits geht es um die Feuerproben, die vorläufigen Prüfungen, die Gemeinden schon hier in dieser Zeit bestehen müssen.
Damit das gelingt, müssen Gemeinden stabil sein, aus dauerhaftem Material, fest verbunden mit dem Fundament. Es geht nicht um kurzfristige Effekte, sondern um eine solide Konstruktion, die es Menschen dauerhaft ermöglicht, Zugang zur Wirklichkeit Gottes zu finden, immer und immer wieder. Was Gott dann tut, das wird immer wieder auch überraschend und neu sein, aber wir von uns aus sollen so miteinander leben, dass Gott bei uns ganz beständig einen Raum zum Wirken hat.
Die Frage ist: baut ihr die Gemeinde so, dass sie diese Feuerprobe bestehen kann? Wird Gott eines Tages sagen: Ja, bei euch ist mein Heiliger Geist gerne gewesen? Da hat er nicht um seinen Platz kämpfen müssen, da war er immer willkommen. Da gab es immer Menschen, durch die er reden konnte, und er wurde gehört. Ihr habt ein Gespür für die Unterscheidung gehabt, was mein Geist sagt, und was von Menschen oder von anderen Geistern kommt. Bei euch gab es Strukturen und Regeln, die mir Raum geschaffen haben. Bei euch gab es Menschen, die verstanden haben, worauf es mir ankommt. Und ihr habt dafür gesorgt, dass die dann auch zu sagen hatten. Eure Aufmerksamkeit war immer darauf gerichtet, was ich euch zu sagen hatte, und die ganzen Rangeleien und der ganze Zank, den es sonst unter Menschen gibt, damit hat unter euch keiner angefangen, weil ihr etwas viel Besseres kanntet.
Liebe Freunde, es ist jetzt schon schön, in so einer Gemeinde zu leben. Aber es wird überwältigend gut sein, wenn Gott uns das einmal bestätigen wird: ja, durch euch haben Menschen Jesus kennengelernt und dadurch haben sie mich verstanden. Bei euch war Jesus willkommen, und ihr hattet für ihn immer eine offene Tür, wenn er bei euch anklopfte und um Asyl bat. Und auch dann, wenn ihr unter Druck gerietet, dann hat euch das nicht von mir weggebracht, sondern gerade dann konnte ich mit euch weitergehen und euch reinigen und euch meine Macht neu zeigen. Ihr wart an eurem Ort und in eurer Zeit die Partner, die ich mir gewünscht habe.
Wenn wir jetzt gerade an die Hochwasserkatastrophe an der Elbe denken, da ist ja die sächsische Landeskirche betroffen, die Partnerkirche unserer Landeskirche ist. Und auf einmal, völlig unvorhergesehen, kommen da Gemeinden in so eine Prüfung: was können wir Menschen sagen und tun, die viel oder alles verloren haben? Eben nicht: Kopf hoch, die Versicherung wird schon zahlen! Sondern verstehen, was da mit Menschen passiert, über die plötzlich der Schrecken gekommen ist, und so mit ihnen reden können, dass sie auch mitten im Schrecken die Hand Gottes entdecken können, die sie halten will.
So können Gemeinden von heute auf morgen in die Feuerprobe kommen, keiner hat es vorausgesehen, keiner konnte damit rechnen, aber von heute auf morgen zeigt es sich, ob sie solide gebaut haben.
Und als demütige und bescheidene Christen wissen wir natürlich, dass all unser Tun fehlerhaft und gebrochen ist. Aber Paulus rechnet eben nicht grundsätzlich mit christlichen Versagern. Paulus stellt uns hier als realistische Möglichkeit vor Augen, dass auch wir mit Gold bauen können, und wenn es geprüft wird sagt Gott: gut so, so habe ich mir das gewünscht!
Natürlich sagt Paulus auch, dass unser Werk die Feuerprobe nicht bestehen kann, es kann sich als billig, als leere Beschäftigungstherapie, als oberflächliche Kosmetik herausstellen; und obwohl das für uns nicht Verdammnis bedeutet, wird es überaus schmerzhaft sein, wenn unser Werk nicht besteht. Wir werden gerettet, aber wie durch Feuer hindurch, und Feuer ist eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Es wird schmerzhaft sein, wenn einer sehen muss, wie sein ganzes Werk, sein Leben und Streben, das er mit seinem Herzblut betrieben hat, im Gerichtsfeuer verbrennt. Deswegen lasst uns mit Energie nach diesem anderen streben, dass unsere Gemeinde die Prüfung besteht, dass sie jetzt schon für die Gerechten ein Zeichen der Hoffnung ist und für Gott ein Grund zur Freude.
Wir kommen sicherlich aus geistlich eher ärmlichen Zeiten. Aber niemand wird für die Zeit zur Rechenschaft gezogen, in die er hineingeboren wird. Wir werden danach gefragt, was und wie wir in unserer Zeit gebaut haben: ob durch uns Gott hier mehr Raum gehabt hat, ob Menschen durch uns besseren Zugang zu Gott finden konnten, ob durch uns der Weg Jesu leichter oder schwerer zu erkennen war. Ob Gottes Geist durch uns betrübt oder eingeladen worden ist. Und lasst uns die Vison unter uns befestigen: dass wir in dieser Zeit die Aufgabe bestehen und in der Ewigkeit von Gott hören: recht so, du bist treu gewesen und hast es gut gemacht.