Wie geht christliche Gemeinschaft?

Tobias Jones: Utopian Dreams

Über Peter Aschoff stieß ich auf ein Buch von Tobias Jones, der darüber nachdenkt, wie authentische christliche Gemeinschaft zustande kommt. Tobias Jones hat verschiedene Gemeinschaften besucht und studiert, um herauszufinden, wie sie funktionieren. Ich glaube, dass hier sehr wichtige Regeln formuliert sind. Weil wir sie nicht beachten, deshalb gibt es so wenig gelingende tiefe Gemeinschaft, unter Christen und darüber hinaus. Jason Clark hat die Ergebnisse, zu denen Tobias Jones gekommen ist, mit Blick auf die Gemeinde überarbeitet und in acht Punkten zusammengefasst, die ich hier übersetze:

  1. „Gemeinschaft“ als Nebenprodukt
    Sich unter dem Motto „wir wollen Gemeinschaft“ zu treffen, ist eine Einbildung und illusionär. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit gerade auf etwas anders richten als auf „Gemeinschaft“. Gemeinschaft entsteht als Nebenprodukt, wenn man gemeinsam etwas Wichtiges tut.
  2. Bedürftigkeit
    Gemeinschaft entsteht, wenn man andere wirklich braucht. In einer Konsumgesellschaft brauchen wir die anderen aber nicht wirklich. „Konsumgesellschaft“ bedeutet, dass wir alles kaufen können. Wir kommen deshalb jetzt auch ohne einander aus. Nur wenn wir die anderen brauchen, werden wir uns an sie verschenken. [und das bedeutet: wir müssen es so einrichten, dass wir andere brauchen, und dass uns das auch klar ist – d. Übers.]
  3. Verzicht auf Wahlfreiheit
    Gemeinschaft kann nicht entstehen, wenn du dir die Möglichkeit zum Rückzug offen lässt. Der Weg zur Gemeinschaft führt über den Abschied von der Wahlfreiheit und über endgültige Festlegungen. Viel zu viele von uns bilden sich ein, irgendwann käme noch etwas Besseres. In der Zwischenzeit binden sie sich nicht. Diese Konsumentenmentalität führt dazu, dass wir keine echten Verbindlichkeiten betreffend Wohnort, Beziehungen oder Arbeitsplatz eingehen.
    Das verhindert Gemeinschaft.
  4. Offen und doch klar ausgerichtet
    Gemeinschaft wird möglich, wenn wir einerseits offen für andere sind, so dass ein Prozess von Lernen und Wachstum beginnt; und dabei andererseits doch ganz auf unseren Auftrag und unsere Kernüberzeugungen konzentriert.
  5. Eindeutige Regeln
    Es ist notwendig, klar zu wissen, was man gemeinsam glaubt und gemeinsam tut. Zu sagen „sei, was du gern sein möchtest, und dann komm und spiel Gemeinschaft“, funktioniert nicht. Gemeinschaften entstehen dadurch, dass man gemeinsam festlegt und umsetzt, welche Glaubensüberzeugungen, welcher Auftrag und welche Grundwerte gelten sollen.
  6. Keine Oberflächenkosmetik
    Dauernd „Gemeinschaft“ zu fordern, produziert keine Gemeinschaft. Und die Gemeinschaft an der Oberfläche herauszuputzen nützt auch nichts, wenn man diese anderen Punkte nicht beachtet. Gemeinschaft besteht darin, dass man das Leben samt all seinem Chaos gemeinsam anpackt.
  7. Leitung und Hierarchie
    Gemeinschaft entsteht, wenn man bereit ist, sich von anderen leiten zu lassen; wenn man lernt, auf sein Recht zur jederzeitigen Selbstbestimmung zu verzichten. Zu viel Hierarchie zerstört die Gemeinschaft, zu wenig auch. Wir brauchen Berater, Mentoren, Trainer und Jüngerschaftsausbilder.
  8. Gemeinsame Aufgaben
    Gemeinsame Arbeit, besonders körperliche Arbeit, und gemeinsamer Dienst schaffen Gemeinschaft. Man kann es lernen aus der Geschichte – vom Heiligen Benedikt bis zu Simone Weil.

Kommentar:
Eine durchgehende Stoßrichtung: Gemeinschaft wird durch eine liberale Mentalität verhindert. Ohne Verbindlichkeit geht es nicht. Wir werden die Scheinrealität der Medien und Events nur überwinden, wenn wir uns mit Überzeugung konkreten Menschen, Gruppen und Gemeinschaften verpflichten. Und die werden nur gesund bleiben, wenn sie Zwecke außerhalb ihrer selbst haben. Oder wie Jesus sagt: Wer sein Leben sucht, wird es verlieren. Wer es um meiner und des Eavngeliums willen verliert, wird es finden.
Übrigens: Natürlich kann man da jetzt wieder ein sowohl-als-auch draus machen: Dienst nach außen, klar, aber wir selbst brauchen doch auch etwas für uns, die berühmte Tankstelle zum „Auftanken“. Natürlich ist das irgendwie richtig. Faktisch heißt das aber, das der von Jones formulierten harten Einsicht die Zähne gezogen werden. Manchmal muss man einseitig sein.

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