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Schon 2015 waren wir in der Gebläsehalle mit christlich orientierten Iranern in Kontakt gekommen. Sie waren nicht vor Krieg geflohen, sondern vor der Repression in ihrem Heimatland. Hier suchten sie nach Anschluss an eine Gemeinde, und weil sie mich aus dem Camp kannten und unsere Kirche gleich in der Nachbarschaft war, kamen sie auch zu uns in den Gottesdienst.
Ich habe es damals sehr bewundert, dass sie, obwohl sie ja zunächst einmal beinahe nichts verstanden, doch immer wieder im Gottesdienst auftauchten. Zum Glück hatten wir damals schon Kontakt zu zwei Iranern, die bereits länger in Deutschland lebten und gelegentlich übersetzen konnten. Und ich kann mich an erste Bibeldiskussionen in der Gebläsehalle erinnern: in einer der vielen Familienkojen auf dem Boden sitzend, mit Google Translator (der damals Persisch nur sehr andeutungsweise verständlich machte) und natürlich Tee.
Bald hatten wir eine ganze Reihe von guten Kontakten in der Gebläsehalle. Und obwohl der größte Teil der Bewohner aus Syrien kam, hatten wir es bald vor allem mit Iranern zu tun. Wir hatten uns das nicht ausgesucht, es ist einfach so gekommen.
Noch 2015 entschlossen wir uns kurzfristig, in unserer recht flexiblen Gemeinschaft eine internationale Untergruppe einzurichten. Die ersten Male waren chaotisch: einige Familien brachten ihre Kinder mit, die damals in der unsicheren Situation noch sehr unruhig waren und sich verständlicherweise unter den Erwachsenen langweilten. Andere telefonierten zwischendurch und wollten uns mal kurz der Mutter oder dem Cousin im Iran vorstellen. Eben eine Begegnung von zwei unterschiedlichen Kulturen.
Aber nach und nach spielte sich das alles ein. Wir haben in unserer Gemeinschaft eine Eingangsliturgie, die an jedem Abend gleich ist (nach der Liturgie von Iona in Schottland). Jetzt merkten wir, dass es für die Neuankömmlinge sehr hilfreich war, wenn es so ein konstantes Element gab, das sie nach und nach mitsprechen konnten. In den Gruppen arbeiteten wir mit der Bibellteilen-Methode, bei der jeder seine Gedanken beisteuern kann. Ein Problem blieb lange die Sprache. Nicht immer war ein Übersetzer zur Hand. Aber irgendwie haben wir es doch hinbekommen.
Wir haben dann darauf hingearbeitet, dass möglichst viele von unseren guten Bekannten aus dem Camp nach Ilsede oder Peine verteilt wurden. Das war damals recht einfach, weil auch die Behörden ein Interesse hatten, Menschen im Landkreis zu behalten, die schon Kontakte vor Ort hatten.
Am Pfingstmontag 2016 haben wir im Gottesdienst 13 Iraner zwischen 3 und 38 Jahren getauft. Für die Taufgespräche haben wir einen Dolmetscher organisiert. So wurden die iranischen Geschwister für mich immer stärker zu Personen mit einem eigenen Lebensweg und einer je eigenen Art, damit umzugehen. Es ist ja ein wichtiger Schritt, wenn man langsam anfängt, nicht mehr vor allem die kulturellen Unterschiede zu sehen, sondern das persönliche Profil des jeweiligen Menschen.
2016 haben wir insgesamt viel an elementarer Integrationsarbeit geleistet. Es ging dabei oft um einfache Dinge wie z.B. das Bedienen von Bankautomaten, Telefonverträge oder die Funktionsweise des Gesundheitssystems. Besonders nervig waren die Briefe von der Rundfunk-Gebühren-Einzugszentrale, auch wenn sie sich inzwischen „Beitragsservice“ nennt. Und auch wir haben über den Fragebögen der Sozialbehörden gegrübelt und nicht verstanden, was die da wissen wollten und was das jeweils für Folgen hat. Es war auch einiges an Einsatz nötig, bis unsere Leute akzeptable Wohnungen hatten. Gelegentlich musste ich darauf hinweisen, dass Konflikte in Deutschland bitteschön nur mit Worten auszutragen sind. Aber ich hatte auch die Autorität, so etwas zu sagen und wurde gehört. Auch hier: es gäbe viele Geschichten zu erzählen, aber dies soll ja ein Überblick bleiben.
Aus der Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden entstand das „Ökumenische Integrationsnetz Ilsede“. Der Kirchenkreis bewilligte uns dafür eine halbe Stelle für einen Mitarbeiterin, die die Betreuung der Freiwilligen übernahm, sich um spezielle Einzelfälle kümmerte und auch viele Kontakte zur Kommune und zum Landkreis hielt. Auch ich bin in diesem Jahr gefühlt jede Woche im Rathaus gewesen. Wir haben dabei gemerkt, dass die Arbeit in unseren Dörfer und Ortsteilen anders laufen muss, dezentraler, als in der Stadt, wo es größere Heime und Zentren gibt.
Immer wieder kam natürlich die Frage: wie lange dauert es, bis wir anerkannt sind und uns selbst eine Wohnung suchen können? Einige warteten darauf, ihre Familien nachholen zu können. Ich hatte aus meinen bisherigen Erfahrungen heraus mit einer Frist von etwa einem Jahr bis zur entscheidenden Anhörung beim Bundesamt getippt. Am Ende dauerte es bei den meisten fast doppelt so lange.
Unsere Gemeinde ging unproblematisch mit den neuen internationalen Mitgliedern um. Vielleicht lag das auch daran, dass wir ja schon in den Jahren 2002-2008 Erfahrungen mit einem Kirchenasyl gemacht hatten. Eine Zeit lang wurde der Predigttext im Gottesdienst immer auch auf Persisch vorgelesen. Mehr wäre über unsere Möglichkeiten gegangen. Und allmählich wurden die Deutschkenntnisse auch besser.
2017 war dann das Jahr, in dem es endlich zu den Anhörungen kam.
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