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Es gibt einen Haufen Theorien über Sühne/Versöhnung, die meist vom Römerbrief ausgehen und Jesu Vision vom Reich Gottes kaum erwähnen. Das Reich Gottes ist das, was Gott durch die Gemeinschaft des Glaubens tut, um seine Erlösungspläne auszuführen. Dazu gehört auch das, was er in dir und mir tut. Deswegen muss Sühne/Versöhnung als Wiederherstellung von Menschen in jeder Beziehung verstanden werden, so dass sie in die Lage versetzt werden, eine Gemeinschaft zu bilden, in der Gottes Wille verwirklicht wird und Freiheit zur Transformation des ganzen Lebens herrscht.
Deshalb ist jede Lehre über Sühne/Versöhnung unzureichend, wenn sie nicht gleichzeitig eine Lehre über die Gemeinde ist. Mit der Gemeinschaft des Reiches Gottes muss jede Theorie über Sühne/Versöhnung beginnen. McKnight will das an Eckpunkten des lukanischen Geschichtswerkes (‚Lukan thread‘) zeigen.
Das Reich Gottes nach dem Bericht des Lukas
Lukas setzt ein mit dem Magnificat (1,46-55), einem Lied, das Jesus als Kind von seinen Eltern gehört haben könnte. Da geht es um die Aufrichtung von Gerechtigkeit durch Marias Sohn. Auch das Benedictus des Zacharias (1,67-79) spricht von der Befreiung Israels von seinen Feinden, also Rom und Herodes. Es geht immer um die Schaffung einer Gesellschaft, in der Gottes Wille getan wird. Die Vergebung der Sünden ist gebunden an Gottes Plan, eine Glaubensgemeinschaft zu schaffen, die mit ihm im Bund ist. Jesus selbst sieht in seiner Antrittspredigt (4,16-21) seinen Auftrag als gute Nachricht für die Armen. Die Seligpreisungen (6,20-26) zeigen, dass Jesus eine neue Gesellschaft um die Marginalisierten herum bauen will. In seiner Antwort auf die Frage des Täufers Johannes (7,21-23) macht er deutlich, dass seine Mission die Beendigung von Unrecht, Krankheit, Verwirrung und Unterdrückung bedeutet, damit jede und jeder nach dem Willen des Bundesgottes leben kann.
Hinter diese Vision Jesu darf keine Lehre über Sühne/Versöhnung mehr zurückfallen. Die Schaffung einer Gemeinschaft, in der Gottes Wille getan wird, gehört in den Kern des Verständnisses von Sühne/Versöhnung. McKnight unterstreicht: Jesu Vision vom Reich Gottes und Sühne/Versöhnung gehören zusammen; wenn man sie trennt, tut man ihnen Gewalt an. Das Ziel von Sühne/Versöhnung ist die Verwirklichung des Reiches Gottes.
Jesu Mission, die sein Leben, Sterben, Auferstehen und die Sendung des Hl. Geistes umfasst, kommt zu ihrem Ziel in der ersten Gemeinde, die Lukas in Apostelgeschichte 2 beschreibt. Diese Gemeinde ist die Verwirklichung von dem, was Jesus in seiner Antrittspredigt und in den Seligpreisungen ankündigte. Nimmt man Apg. 4,32-35 (v.a. Gütergemeinschaft) dazu, dann entsteht das Bild einer Alternativgesellschaft, die nicht nach den Machtstrukturen der römischen (und jüdischen) Welt funktioniert.
Bei diesem Verständnis des Reiches Gottes, das Jesus hatte, muss jede Theorie über Sühne/Versöhnung ansetzen. Aber das Thema ist komplex, und auch andere biblische Themen müssen dabei berücksichtigt werden. Davon werden die nächsten beiden Kapitel handeln.