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Ich habe seit Anfang des Jahres begonnen, den Weg der kontemplativen Übungen nach Franz Jalics selbst zu gehen. Das ist, nebenbei gesagt, einer der Gründe, warum auf diesem Blog so lange Sendepause war. Da war ein neues Element in meinem Tagesablauf, und es hat das Bloggen verdrängt. Im Moment arbeite ich daran, beides wieder in meinen Rhythmus zu integrieren. Aber im Zweifelsfall ist das Leben wichtiger als das Beschreiben des Lebens.
Ich habe jedoch in dieser Zeit halbwegs regelmäßig Tagebuch geführt und möchte jetzt, mit einigem zeitlichen Abstand, diese Erfahrungen hier teilen (übrigens habe ich Anfang Mai auch beim EmergentCamp in Bremen etwas dazu berichtet).
Das Wichtigste vorab: in diesen fünf Monaten habe ich mich auf eine Weise verändert, wie ich es vielleicht erhofft, aber mir vorher nicht hätte vorstellen können. Ich habe Dinge entdeckt, die ich nicht erwartet habe. Und ich merke, dass ich immer noch ganz am Anfang eines Weges bin. Wenn ich aber überschaue, was mir schon in dieser Anfangsphase zugekommen ist, dann ergibt das eine große Hoffnung und Erwartung für das, was auf diesem Weg noch folgen kann.
Jalics beschreibt zwei Wege, um die Übungen zu machen: entweder in zehntägigen Exerzitien, oder über eine längere Zeit alltagsbegleitend. Ich wähle die zweite Möglichkeit. Ich sehe das nicht als Notbehelf an, im Gegenteil. Zu oft habe ich schon den Effekt erlebt, mit vollem Herzen von einer Konferenz oder einem Seminar nach Hause zu kommen und das Erlebte dann nicht in meinen Alltag integrieren zu können. Diesmal möchte ich von vornherein unter Alltagsbedingungen etwas hoffnungsvoll Neues versuchen. Die gemeindetaugliche Spiritualität, nach der ich suche, muss alltagsfest sein. Immerhin, eine kleine Starterleichterung hatte ich: mein Nach-Weihnachtsurlaub ließ mir zuerst noch etwas mehr Spielraum.
Die Übungen beginnen mit der Wahrnehmung der Natur: täglich eine Stunde rausgehen ohne ein anderes Ziel, als die Natur wahrzunehmen. Das soll an die Grundhaltung der Wahrnehmung heranführen. Die Natur ist einerseits noch sehr vielfältig, so dass die Konzentration leichter fällt. Andererseits ist sie ein friedliches Gegenüber, mit dem wir keine Konflikte haben, das wir nicht missverstehen können, das nicht unser Begehren oder unseren Ärger weckt. Kurzum, die Beobachtung wird nicht so sehr durch unsere persönliche Verwicklung mit dem Gegenüber irritiert.
Und los geht’s:
3. Januar:
Entschlossen losgegangen. Über die Bahn, und schon bin ich in den Fuhsewiesen. Erster Eindruck: es ist scheußlich kalt. Warum musste ich nur gerade im Winter damit anfangen! Mit Schal vor dem Gesicht ist das Ganze kein Vergnügen! Alles ist verschneit – das schränkt auch die Wahrnehmungsmöglichkeiten ein.
Zweiter Eindruck: ich denke ja die ganze Zeit! Immer!! Die Übung sorgt vor allem dafür, dass ich jetzt Dinge wahrnehme, die mir so vertraut sind, dass sie mir sonst nicht auffallen. Also fällt mir auf: Die ganze Zeit bin ich in einem inneren Dialog, interpretiere, bewerte, analysiere, denke weiter. Die Außenwelt ist nur ein Anstoß für meine Gedanken. Danach läuft alles in meinem Kopf ganz von allein weiter. So krass hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wie soll ich das je abschalten? Aber ich erinnere mich: Jalics empfiehlt, nicht dagegen anzukämpfen, sondern es einfach stehen zu lassen. So ist es eben. Zum Glück neige ich sowieso nicht dazu, mich wegen Versagens o.ä. selbst fertig zu machen. Also einfach weiter machen.
Ich komme durchgefroren nach Hause. Und bin sehr gespannt, wie das morgen weitergeht.
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