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In Teil II seines Buches („Das nötige Handwerkszeug“) unternimmt es Wright, seine grundlegenden methodischen Entscheidungen darzustellen. Diese ca. 140 Seiten sind sicher der am schwersten verdauliche Teil des Ganzen. Die hier dargestellten Zusammenhänge tauchen aber später immer wieder auf. Es ist sinnvoll, sie auch einmal zusammenfassend lesen zu können. Zumal an dieser Stelle (bei Wright ebenso wie bei anderen) Entscheidungen fallen, die für die Darstellung des Stoffes wie für jede davon beeinflusste Praxis erhebliche Auswirkungen haben.
Freundlicherweise hat Toby Faix darüber schon hier, hier und hier geblogt (und interessante Diskussionen losgetreten), so dass ich mich kürzer fassen kann.
Wright entwickelt ein Erkenntnismodell, das davon ausgeht, dass Menschen sich mit Hilfe von Stories die Wirklichkeit erschließen. Das kann z.B. eine Familiengeschichte sein, die Geschichte eines wissenschaftlichen Fachgebietes oder eben die Geschichte Israels als Volk Gottes. Stories transportieren jeweils einen weltanschaulichen Kern (den man aber nicht von der Story isolieren kann). Sogenannte „Fakten“ stehen immer schon im Rahmen solcher Stories und bekommen von dort aus Sinn. Stories können durchaus andere Stories unterwandern und verändern. So unterwanderten Jesus und die frühen Christen die bisherige Geschichte Israels und gaben ihr eine neue Wendung.
Das Modell der „Stories“ ist eine Abgrenzung gegenüber dem Positivismus, der sich vorstellt, dass das Ursprüngliche die Einzelbeobachtungen sind, aus denen dann die Gesamtsicht und die Deutung abgeleitet wird. Ein theologischer Positivist würde sich also vorstellen, dass aus der Überlieferung einzelner Jesusworte und -geschichten nach und nach größere Sinnzusammenhänge entstehen und zuletzt dann diesen reinen Fakten noch die theologische Deutung hinzugefügt wird. Wer dagegen mit Wright annimmt, dass Menschen schon immer in Sinnzusammenhängen (Stories) wahrnehmen und denken, wird ein anderes Bild der Überlieferung für wahrscheinlicher halten (dass nämlich die Anhänger Jesu ihn von Anfang an im Rahmen der jüdischen Story verstanden haben).
Auf der anderen Seite distanziert sich Wright davon, die Aufmerksamkeit nur auf das lesende Subjekt und seine Begegnung mit dem Text („was der Text mir heute sagt“) zu richten. Solche Fragestellungen berücksichtigen die Geschichte nicht ausreichend. Erstaunlicher Weise sind sich hier pietistische Tradition und Dekonstruktionismus recht nahe (91/92).
Somit kommt Wright zu einem kritischen Realismus, der von einem sowohl-als-auch (statt entweder-oder) geprägt ist: einerseits ist Menschen eine „Gottesperspektive“ auf Ereignisse nicht möglich, andererseits ist eine Reduktion von Ereignissen auf Wahrnehmung oder Bedeutung zu vermeiden.
Kurz macht er deutlich, dass dahinter eigentlich eine Hermeneutik der Liebe steht: Erkenntnis geschieht in einem sich-Einlassen auf ein Gegenüber, das dennoch nie wirklich sein Geheimnis verliert und ein echtes Gegenüber bleibt (96/97). Dies ist eine der Andeutungen, die vermuten lassen, dass er als Ergebnis des Gesamtprojektes u.a. einen eigenen erkenntnistheoretischen Ansatz ausführen wird, der in einer neuen Sicht des Seins verortet ist. An anderer Stelle signalisiert er etwa, dass ihm die Story vom Schöpfer, der seine Schöpfung am Ende doch noch in die von ihm geplante Richtung bewegt, wesentlich realistischer erscheint als die üblichen aufklärerischen Stories (136/37). Die Entwicklung einer neutestamentlichen oder christlichen Erkenntnistheorie ist sicherlich ein Unternehmen, das nicht besonders politisch korrekt ist – Wright reklamiert deshalb schon im Vorfeld einen Freiraum auch für sehr ungewöhnliche Stories (135).
Wright wendet seinen Ansatz des kritischen Realismus zunächst auf die drei Bereiche der Literatur, der Geschichte und der Theologie an. Er möchte damit am Gegenstand demonstrieren, dass dies ein sinnvoller Ansatz ist. Er bekennt sich dabei zu den Kriterien, die auch sonst für die Verifikation einer Hypothese gelten: Dass sie den vorliegenden Daten gerecht wird, dass sie die Details möglichst einfach integriert, und dass sie sich auch außerhalb ihres unmittelbaren Gegenstandes als fruchtbar erweist (70/71 – noch einmal ausführlich dargestellt 137 – 150). Gerade bei Entscheidungen in der Erkenntnistheorie ist dieser eher pragmatische Ansatz sinnvoll, weil es besonders hier keine Fixpunkte gibt, gegen die man eine Theorie prüfen könnte.
Man muss zugeben, dass dieser Teil des Buches wirklich hartes Brot ist. Wright kommt damit aber an Tiefenschichten der theologischen Diskussion heran, die sonst unbemerkt bleiben und gerade so ihren Einfluss ausüben. Auch wenn er sich mit postmodernen Ansätzen kritisch auseinandersetzt, bleibt sein Hauptgegner der Positivismus mit seinen direkten und indirekten Auswirkungen in der neutestamentlichen Theologie. Wright beschreibt diese Einflüsse bis in feine Verästelungen hinein und überlässt es vermutlich dem Leser, sie als „verheerend“ zu bewerten.
Auch wenn ich hier noch nicht einmal alle Hauptargumentationen vorstellen und würdigen kann, will ich auch im nächsten Post noch einmal beim grundlegenden Teil II des Buches bleiben, bevor es dann im Teil III um die Beschreibung des jüdischen Kontextes des Neuen Testaments geht.
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Hallo Walter!
Danke für Deine Zusammenfassung. Werde mir diesen Teil des Buches sicherlich bei Gelegenheit auch noch mal zu Gemüte führen. Viele Grüße,
Philipp
Komplizierte Zusammenhänge sehr klar dargestellt ! 🙂