Die Energie der Auferstehung – der Sieg über den Tod
Predigt am 16. April 2006 (Ostern II) zu 1. Korinther 15,50-58
50 Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.
51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.
54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ 56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!
58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
Die Auferstehung Jesu hat Fernwirkungen für die ganze Welt, bis an die Enden der Erde und bis ans Ende der Zeit. Und sie hat genauso Tag für Tag Auswirkungen für das Leben der Christen. Beides bringt Paulus hier zusammen. Er hat ein ganzes Kapitel lang über die Auferstehung Jesu gesprochen, hat sich mit Leuten auseinander gesetzt, die an der allgemeinen Auferstehung der Toten zweifelten, oder die behaupteten, die Auferstehung liege schon hinter uns, und es komme gar nichts Neues mehr nach.
Und jetzt schließt er dieses Kapitel ab mit den Worten:
Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
Das heißt, dass die Auferstehung Jesu die Voraussetzung und die Kraft dafür ist, dass Paulus und die anderen im Namen Jesu die Welt gestalten, dass sie sich einsetzen für das Werk des Herrn, Jesus hätte wohl gesagt: für das Reich Gottes. Die Energie der Auferstehung Jesu fließt in ihr Leben und wird umgesetzt in ein aktives Wirken, das die Welt nicht so lässt, wie sie ist. Und im Rückblick auf die letzten 2000 Jahre sehen wir ja, welche enormen Umwälzungen das Evangelium in die Welt gebracht hat, selbst da, wo es gebremst, missverstanden oder verfälscht wurde.
Man muss sich klar machen, dass das nicht selbstverständlich ist. Schon damals gab es Leute, die das nicht so sahen, deshalb muss Paulus ja das lange Kapitel über die Auferstehung schreiben. Man könnte ja auch sagen: was interessiert mich diese Welt noch? Wenn die Auferstehung der Toten kommt, dann wird die sowieso zum alten Eisen geworfen! Also – was sollen wir da noch Mühe und Arbeit investieren?
Deshalb ist die Frage so wichtig: wie wird es eigentlich sein, wenn die Toten auferstehen? Diese Frage vom Ende der Welt hat Bedeutung für unser Leben und unser Lebensgefühl Tag für Tag. Man kann es vielleicht so zuspitzen: wenn wir eines Tages auferstehen – in welcher Welt leben wir dann eigentlich? Leben wir dann irgendwo im Himmel auf Wolken? Nein, sagt Paulus, es geht darum, dass unser vergängliches Leben, unser sterblicher Körper, dass das alles verwandelt wird und mit Unsterblichkeit und Unvergänglichkeit bekleidet wird. Wir werden völlig erneuert werden, so dass wir nur mit Mühe wieder zu erkennen sind, aber wir werden auf dieser Erde leben, und auch die wird verwandelt werden.
In einem Bild drückt das die Offenbarung aus, wenn sie davon spricht, dass am Ende der Zeit das neue Jerusalem aus dem Himmel herab kommt zu uns auf die Erde und Gott unter uns wohnen wird. Der Himmel ist ja jetzt noch der abgetrennte Bereich Gottes, aber dieser Himmel kommt einmal auf die Erde, die Trennung in zwei Bereiche fällt weg, und die Erde und die Menschen werden erneuert.
Wir stellen uns oft die Zukunft genau andersherum vor: so als ob wir im Großen und Ganzen dieselben bleiben, aber in einer neuen Welt, oder eben im Himmel leben. Ich erzähle heute nicht die Geschichte vom Münchner Dienstmann Alois, der in den Himmel kommt, auf einer Wolke sitzen muss und dem es da oben nicht gefällt, weil er eben völlig der Alte geblieben ist. Die Geschichte ist ein gutes Beispiel für diese populäre Erwartung, wo man sich den Menschen nicht ausgetauscht vorstellt, sondern nur die Umgebung verändert wird. So möchten wir das gerne, dass die Umstände verändert werden, und wir können die alten bleiben! Aber in Wirklichkeit werden wir fundamental und massiv verändert werden, und dann werden wir in dieser Welt leben, die wir kennen, nur wird die dann genauso verändert sein wie wir auch.
Ich glaube, dass es für uns viel leichter ist, uns eine andere Welt vorzustellen, als uns vorzustellen, dass wir selbst völlig anders sind. Irgendwo in einer anderen Umgebung zu leben, dass kennen wir vom Urlaub her. Aber dass wir selbst ganz anders sein könnten, das ist viel schwerer zu denken. Dass wir aus unserer Haut raus kommen, dass wir völlig erneuert werden und sogar einen anderen Körper bekommen und trotzdem immer noch wir sind – das ist viel schwerer vorstellbar.
Wir können uns das am besten am auferstandenen Jesus klar machen. Als Jesus seinen Jüngern nach seiner Auferstehung von neuem begegnete, da erkannten sie ihn zuerst nicht – und zwar nicht nur, weil sie gar nicht erwartet hatten, ihn wiederzusehen. Er sah auch anders aus. Er war verändert. er war ja jetzt ein Mensch des Himmels. Ich glaube nun zwar, dass bei Jesus dieser Unterschied so gering war, wie er bei keinem anderen Menschen sein wird. Jesus war schon hier auf der Erde von den Kräften des Himmels erfüllt. Und er war nicht von Sünde gezeichnet. Trotzdem, auch bei ihm gab es eine Veränderung: er ließ den Leib aus Fleisch und Blut hinter sich und bekam einen neuen Körper, der schon zur zukünftigen neuen Welt passte.
Aber es war immer noch derselbe Jesus. Wenn er das Brot brach, dann tat er es auf seine ganz spezielle Art. Mit ihm zusammenzusein, das fühlte sich immer noch so an, wie sie es von ihm kannten. Seine Person war geblieben. Und er trug sogar an seinem neuen Körper die Spuren der Kreuzigung: die Nägelwunden und die Verletzung durch den Lanzenstich in die Seite.
So wird es einmal auch mit uns sein: ich bin dann immer noch ich, und du bist du, und wir haben die Geschichte unseres Lebens nicht hinter uns gelassen, wir werden auch die Spuren der körperlichen und seelischen Verletzungen tragen, die wir in unserem Leben erlitten haben. Aber wir werden verwandelt sein. Wir werden ein neues Leben haben, und all die alten Verletzungen werden keine Macht mehr über uns haben, wir werden mit ihnen ausgesöhnt sein, und wir werden vor allem nur noch selten an sie denken. Wir werden endlich das Leben führen, zu dem wir von Anfang an bestimmt waren. Und der Unterschied zwischen unserem alten Leib, unserem alten Leben und unserer neuen Existenz wird viel, viel größer sein als bei Jesus.
Wir werden dann im Rückblick erst wirklich erkennen, wie sehr wir jetzt in allem vom Tod geprägt sind. Das fällt uns jetzt gar nicht so auf, weil wir es nicht anders kennen, aber dann werden wir zurückschauen und sagen: wie haben wir es damals nur aushalten können in diesem vom Tod überschatteten Leben! Wir werden sehen, wie der Tod unser ganzes Lebensgefühl unterwandert hatte. Wie wir uns keine Zeit genommen haben, weil uns immer der Tod im Nacken saß; wie wir uns mit billigen Erleichterungen zufrieden gegeben haben, weil wir es nicht besser erwarteten; wie die Grenzen dieses Körpers auch immer wieder unser Denken und unsere Fantasie begrenzt haben.
Erst wenn wir davon befreit sind, dann ist der Tod und sein Einfluss in dieser Welt besiegt, und dann werden wir die Schönheit und den Reichtum dieser Erde erst wirklich erkennen und erleben. Und bei den einen wird das so geschehen, dass sie mit einem neuen Körper auferstehen, und die anderen, die das Ende der Zeit miterleben, die werden verwandelt werden und sich von einem Moment zum anderen in einem neuen Körper wiederfinden. Die meisten Menschen in der neuen Welt werden also schon irgendwann einmal gestorben sein, aber etliche werden den Tod nicht erleben, sondern in das neue Leben hinein verwandelt werden. Trotzdem, so sagt es Paulus an einer anderen Stelle, der eine wird es nicht besser haben als der andere.
Auf jeden Fall werden wir alle zurückschauen auf einen massiven Bruch, wenn wir herauskommen aus unserer jetzigen Existenzweise in das neue Leben des kommenden Reiches. Fleisch und Blut werden das Reich Gottes nicht erben. Wir können nicht auf einem kontinuierlichen Weg hineinkommen in die neue Welt. All das Alte und Begrenzte muss zurückbleiben. Es wäre schlimm, wenn sich auch in die neue Welt Gottes Misstrauen und Unterdrückung und Ausbeutung einschleichen würden. Und auch die ganze Hinfälligkeit und Störanfälligkeit unseres Körpers mit seinen Begrenzungen und Problemen – all das hat da nichts mehr zu suchen. Nein, da gibt es zum Glück eine Grenze, an der all das nicht vorbeikommt. In einem Augenblick werden wir einmal diese Grenze überschreiten, und wir werden es alles los sein. Dann werden wir nur noch mitnehmen, was zu Jesus passt, und es wird in seiner ganzen Herrlichkeit enthüllt werden.
All die Dinge, die zu Jesus passen, die in Übereinstimmung mit ihm getan worden sind, alles, was wir mit ihm zusammen erlebt haben, alles, was er uns geschenkt hat, auch alles, was wir ertragen und durchgehalten haben um seinetwillen, all das wird dann ins richtige Licht kommen. Dann wird deutlich werden, wie er schon immer neben uns war und uns begleitet hat, wie er uns inspiriert hat zu guten und wichtigen Taten, und wir werden verstehen: du warst das, und deswegen hast du das gemacht, und was bin ich froh, dass ich damals auf dich gehört habe, und wie toll, dass ich damals wirklich diesen Schritt getan habe, vor dem ich so viel Angst hatte und der mir so schwer gefallen ist. Wie gut, dass ich damals die Initiative ergriffen habe, dass ich damals nicht meiner Trägheit nachgegeben habe!
Und deswegen sagt Paulus: eure Arbeit im Herrn ist nicht vergeblich! Schaut sie jetzt schon an unter dieser Perspektive, wie ihr sie einmal im Rückblick sehen werdet. Erst vom Ende her bekommen die Dinge die richtige Dimension. Einmal werden Dinge ganz unwichtig werden, die uns hier sehr beschäftigt haben, und unauffällige Dinge werden immens wichtig sein.
Nichts von dem, was hier auf der Erde im Sinn Jesu getan wird, ist vergeblich. Nichts wird vergessen werden. Es wird alles noch einmal vorkommen, es wird zu den Schätzen der neuen Welt gehören, all eure guten Werke werden geputzt und poliert und auf den Leuchter gestellt werden, so dass sie hell strahlen und euer Stolz und eure Freude sind. Investiert in das, was bleiben wird, sammelt euch Schätze im Himmel, nehmt immer noch zu im Werk des Herrn, und das heißt nicht, dass erschöpfte Männer und Frauen jedes Jahr wieder mehr vom Gleichen aufgepackt bekommen, sondern dass wir immer tiefer verstehen, was unsere Aufgabe ist, und sie immer besser erfüllen können, so dass wir schließlich mit fast allem, was wir tun, die Art Jesu um uns herum verbreiten und uns dazu nicht erst extra aufraffen müssen.
Die Perspektive dieser neuen Welt ist dazu da, uns jetzt schon immer wieder zu beflügeln, und daran zu erinnern, dass unser Tun einen Sinn hat, uns mutig und neugierig zu machen, und Kraft zu geben, und die wirklich wichtigen Dinge zu unterscheiden von denen, die wir genauso gut lassen können. Die künftige Welt klopft jetzt schon an die Tür der alten Welt, und ihre Kräfte fließen in unser Leben in Form von Erwartung, Vorfreude und Begeisterung.