Woher soll der Beifall kommen?
Predigt am 2. September 2007 zu Matthäus 6,1-4
1 Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten. 2 Wenn du Almosen gibst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. 3 Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut. 4 Dein Almosen soll verborgen bleiben und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Man kann das, was Jesus hier sagt, zusammenfassen in der Frage: von wem willst du Applaus haben? Wen willst du mit dem, was du tust, beeindrucken? Diese Frage ist für Jesus so wichtig, dass er ihr immerhin ein halbes von drei Kapiteln der Bergpredigt widmet. Und zwar das Kapitel, in dem es dauernd um die Dinge geht, bei denen es ein klares Entweder-Oder gibt. Wo er auch sagt: du kannst nicht zwei Herren gleichzeitig dienen. Du musst dich entscheiden. Und so, wie man sich entscheiden muss, ob man Gott oder Mammon dienen will, so muss man sich auch entscheiden, wessen Beifall man bekommen will.
Und auch hier steht nicht zur Debatte, ob man vielleicht gar keinen Beifall bekommen möchte. Das geht nicht. Wir sind so konstruiert, dass wir die Rückmeldungen von irgendwem anders brauchen. Wir brauchen Resonanz, wir erfahren nur mit der Hilfe anderer, wer wir sind. Das kann man schon bei Babys sehen, und da ganz besonders, wie sie merken, wer sie sind, wenn jemand sie anschaut. Ein Baby ist von Anfang an unheimlich sensibel für die kleinsten Gefühlsregungen der Menschen, mit denen es zusammen ist, und es kann sich zuerst da gar nicht gegen abgrenzen. Das kommt dann erst im Lauf der Zeit, da entwickeln wir dann ein Selbstwertgefühl, das etwas unabhängiger ist von den aktuellen Rückmeldungen anderer. Aber das ist nicht besonders gefestigt, und wir bleiben ein Leben lang äußerst sensibel für das, was Menschen über uns sagen und denken.
Wir werden uns also immer so fühlen, als ob wir auf einer Bühne stehen und all unsere Aktionen vor Publikum aufführen. Davon kommen wir nicht los. Das ist eine Folge davon, dass der Mensch als Gegenüber Gottes geschaffen ist. Irgendwie steckt in uns das Wissen, dass es jemanden gibt, der uns anschaut und unter dessen Augen wir leben und dessen Kommentar zu unserem Leben eine große Bedeutung hat.
Das ist auch nichts, dessen man sich schämen müsste. So sind wir, das gehört zu unserer Grundausstattung. Wer behauptet, er wäre unabhängig vom Urteil anderer, der macht sich was vor. Der Wunsch, dass andere uns wahrnehmen und möglichst auch toll finden, ist ein ganz starkes Motiv für menschliches Verhalten. Was tun die Menschen nicht alles, um mal für ein paar Minuten oder ein paar Monate im Fernsehen vorzukommen! Wir schielen immer auf Publikum. Wir haben nur mehr oder weniger gut gelernt, das zu tarnen, vor anderen sowieso und manchmal auch vor uns selbst.
Die Frage ist nur, an welches Publikum wir uns wenden. In wessen Augen möchtest du groß rauskommen? Und an dieser Stelle sagt Jesus: das ist eine der Angelegenheiten, wo du eine klare Entscheidung fällen musst. Diese beliebte Lösung »man kann doch das eine tun und das andere nicht lassen«, die funktioniert hier nicht. Willst du Beifall von Menschen oder von Gott? Willst du, dass Menschen dich toll finden, vielleicht sogar beneiden, oder willst du, dass Gott sich über dich freut? Was ist dein Ziel? Und natürlich sagt uns Jesus: du solltest dich für Gott entscheiden. Es ist viel besser, wenn du auf Gottes Beifall Wert legst als wenn dir dein Ansehen bei Menschen wichtig ist. Es kann sein, dass du dich an Gott orientierst und dann als Zugabe oben drauf noch Ansehen bei den Menschen bekommst. So wie Gott auch die versorgt, die vor allem nach seinem Reich trachten. Aber das Ziel ist es, in Gottes Augen gut dazustehen, ihm zu gefallen.
Dafür gibt es viele Gründe; ich möchte drei davon nennen:
- Beifall von Menschen befriedigt nicht wirklich
Es gibt ja die so genannten Promis, über die häufig was in den Zeitungen steht. Und für viele Menschen ist es ein Traum, auch mal ganz oben zu sein, im Rampenlicht zu stehen und viele Menschen jubeln ihnen zu, vorne fallen die Mädchen reihenweise in Ohnmacht, und jedes Wort, was sie sagen, wird mit Tausenden von Watt verstärkt. Oder wenn man es in der Politik zu etwas gebracht hat, dann werden vielleicht nur selten die Fans vor Begeisterung zu kreischen anfangen, aber man ist doch dauernd in den Nachrichten oder in der Zeitung.
Aber wenn man sich das nüchtern anschaut, was da über all die bekannten Leute steht, dann merkt man sehr schnell, dass es da auch nur ziemlich menschlich zugeht. Man hat nicht das Gefühl, dass »die da oben« wirklich ein so viel schöneres Leben haben als wir anderen. Da gibt es genauso Könner und Chaoten wie bei uns normalen Leuten, es gibt Pechvögel und Glückspilze, die einen machen eine gute Figur und die anderen blamieren sich öfter mal. Und ich weiß noch nicht mal, ob es wirklich einen großen Unterschied macht, ob man sich vor 20 Leuten blamiert oder vor 20 Millionen.
Ich glaube, dass das eher wie beim Geld ist: solange du wenig hast, kann etwas Geld deine Lebensqualität enorm erhöhen. Aber sobald du ein Dach über dem Kopf hast, genug zu essen, keine Schulden und noch ein bisschen oben drauf für Kino oder Urlaub oder ein gutes Buch, von da ab trägt Geld nur noch sehr wenig zum Glück bei.
Viel entscheidender ist dann deine innere Fähigkeit, dich an den Dingen auch zu freuen. Und genauso nützt einem der Beifall von viel oder wenig Menschen gerade dann nicht wirklich, wenn man ihn unbedingt haben will. Das Problem ist nämlich: eigentlich bekommen wir nie genug davon, oder wir wissen nicht, ob er ehrlich gemeint ist, oder wir sind vielleicht auch tief in uns überzeugt, dass wir den Beifall gar nicht verdienen. Gerade wenn Menschen eigentlich starke Zweifel haben, ob sie wirklich wertvoll sind, dann ist die Bewunderung durch andere keine Lösung. Man braucht dann immer mehr davon, aber es beseitigt die inneren Selbstzweifel nicht. Gerade für Menschen, die selbst nicht wirklich an ihren Wert glauben, kann es ein wichtiger Schritt zur Befreiung sein, wenn sie aufhören, nach dem Beifall anderer zu schielen. Denn, das ist der zweite Gesichtspunkt: - Wenn wir uns am Beifall anderer orientieren, machen wir uns von ihnen abhängig
Wenn ich möchte, dass andere mich gut finden, dann räume ich ihnen Macht über mich ein. Gerade von Leuten, die es zu Bekanntheit gebracht haben hört man immer wieder, wie sie zu kämpfen haben mit der Versuchung, einfach nur den Erwartungen des Publikums zu entsprechen und nicht mehr sie selbst zu sein. Künstler, die sich nicht an die Erwartungen ihrer Plattenfirmen anpassen wollen, Schauspieler, die unzufrieden sind mit den Klischees, die ihnen die Drehbücher vorschreiben. Und erst recht in der Politik ist die Versuchung so groß, jede Woche wieder auf die Umfrageergebnisse zu schauen und die Popularitätspunkte zu vergleichen. Und die Ziele, für die man mal angetreten ist, sind längst vergessen. Und dann wundern sich alle, dass es kaum noch Leute mit Profil und Grundsätzen gibt.
Wenn wir uns am Beifall anderer orientieren, sind wir in Gefahr, uns selbst zu verlieren mit unseren besonderen Stärken. Es könnte sein, dass wir dann gerade unseren einzigartigen Beitrag, den wir der Welt zu geben haben, schuldig bleiben. Wir verraten unsere ganz persönliche Berufung, anstatt darauf zu vertrauen, dass sie uns den Weg weist. Und erst recht, wenn jemand versucht, sein persönliches Defizit, seine Selbstzweifel und seinen Schmerz durch den Applaus anderer zu bemänteln, der wird sich damit in immer größere Abhängigkeit von anderen bringen, bis er irgendwann zusammenklappt und dadurch die Chance bekommt zu einem neuen, versöhnteren Blick auf sich selbst und das Leben. Denn, und das ist Punkt 3, - Wenn wir uns am Beifall anderer orientieren, bringen wir uns um das Beste.
Jesus spricht davon, dass unser Vater im Himmel in das Verborgene sieht und für unseren Lohn sorgen wird. Wenn wir Almosen geben, also den Armen etwas geben, dann haben wir Anteil an Gottes Engagement für die Armen und an seiner geduldigen Arbeit an der neuen Welt, die er heraufführen wird. Gott erneuert die Welt, er befreit seine Schöpfung aus der Gefangenschaft unter den Mächten des Todes und der Zerstörung, wir warten auf den neuen Himmel und die neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Aber das wird nicht erst irgendwann mal sein am Ende der Welt, sondern durch Jesus haben wir jetzt schon Anteil an der noch verborgenen Gerechtigkeit Gottes. Im ersten Kapitel der Bergpredigt findet sich das Stichwort von der »besseren Gerechtigkeit«. Jesus sagt: eure Gerechtigkeit muss besser sein als die Gerechtigkeit der Religiösen. Die Regeln und Traditionen der Schriftgelehrten und Pharisäer sind natürlich ein Hinweis auf Gottes neue Welt, aber Jesus sagt: bei mir findet ihr diese neue Welt selbst, bei mir habt ihr nicht nur Hinweise und Erinnerungen, sondern bei mir lebt ihr jetzt schon in Gottes neuer Welt. Bei mir ist sie nahe herbei gekommen.
Andere mögen die Armen unterstützen, um sich selbst auf die Schulter zu klopfen und vor anderen als Wohltäter dazustehen, aber wenn ihr zu den Armen haltet, dann rüttelt ihr an den Grundfesten dieser Welt, wo jeder sich selbst der Nächste sein soll. Und ihr baut an einer neuen Welt, in der es keine Armut mehr gibt. Wenn Christen die Armen unterstützen, dann ist das jedes Mal ein Aufstand gegen die ungerechte Verteilung der Güter in der Welt. Es ist ein Nein gegen eine Welt, in der es genug zu essen gibt, und in der trotzdem Menschen verhungern. Und es dürfte klar sein, dass man für solche revolutionären Taten nicht auf Beifall von den Vertretern dieser Welt hoffen darf.
Deswegen haben sich die Nachfolger Jesu nie in dieses Betütteln der Armen, Alten und Schwachen rein ziehen lassen, das keine wirkliche Freude aufkommen lässt und vor allem so entmündigend ist. Jesus z.B. hat Armen Geld gegeben, aber das erfahren wir nur mal nebenbei in einem Nebensatz. Dafür ist er nicht bekannt geworden. Die Menschen kamen zu ihm nicht wegen dem Geld, sondern weil sie bei ihm eine neue Lebensperspektive und eine neue Hoffnung bekamen. Viel wichtiger als Geld ist, wenn Arme lernen, wieder eine Vision für ihr eigenes Leben zu bekommen, eine Hoffnung, eine Richtung. Frei zu werden von Selbstverachtung und Selbstablehnung. Da dabei zu sein und das mitzuerleben, dafür wird man nicht immer einen Orden bekommen, aber es fühlt sich so gut an, da könnte auch die Erhebung in den erblichen Adelsstand nicht mitziehen.
Liebe Freunde, unsere Aufgabe ist es nicht, möglichst vielen Leuten zu gefallen, sondern unnachgiebig den Menschen anzustreben, zu dem Gott uns geschaffen und berufen hat. Was nützt es uns, wenn wir die ganze Welt gewinnen, aber nicht der Mensch geworden sind, der wir sein sollen? Jeder von uns ist berufen, ein einzigartiger Teil von Gottes neuer Welt zu sein, die schon im Verborgenen heranwächst. Auf diese verborgene neue Welt richtet Gott seine Aufmerksamkeit. Und deswegen bringen wir uns um das Beste, wenn unsere guten Taten nicht im Zusammenhang dieser neuen Welt stehen, sondern im Blick auf diese alte Welt geschehen. Wenn Gott auf uns schaut und Freude an uns hat, dann haben wir endlich das Publikum, für das wir gemacht sind. Wenn er sagt: gut gemacht! – das ist in Wirklichkeit die Anerkennung, die wir immer gesucht haben.
Es geht darum unnachgiebig den Menschen anzustreben, zu dem Gott uns geschaffen und berufen hat. Das ist unsere Aufgabe. Ob dann die Menschen zu Tausenden kommen werden, um bei uns Rat und Hilfe zu suchen, oder ob wir zum Staatsfeind Nr. 1 werden, oder ob wir unser Leben irgendwo unbeachtet im Winkel leben, das können wir vorher nicht wissen. Das ist aber auch nicht wichtig. Gott wird dafür sorgen, dass wir das bekommen, was wir brauchen, wenn wir nur als erstes nach seinem Reich trachten. Das steht übrigens auch in der Bergpredigt.