Sühne/Versöhnung als Metapher

A community called atonement – Kapitel 5

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Scot McKnight erinnert daran, dass theologische Begriffe Metaphern sind. Das betrifft auch die verschiedenen Begrifflichkeiten, mit denen Sühne/Versöhnung beschrieben wird. Sie sind wie Linsen, durch die wir uns das anschauen, was Gott durch Jesus tut, um das Problem der Sünde zu lösen und Menschen zurückzubringen in die Beziehung zu ihm und zu anderen.

Wozu sind Metaphern gut?
Metaphern sind aber nicht nur eine Einkleidung dessen, was man sagen will; sie öffnen neue Einsichten und neues Verständnis einer Sache. Und zwar als Bilder, die in unserer Seele wohnen und ihr helfen, die Welt zu verstehen. Diesen Bildern müssen wir vertrauen, dann können sie ihre Arbeit tun.
Andererseits sind Metaphern nicht die Sache selbst. Die verschiedenen Begrifflichkeiten, in denen Sühne/Versöhnung ausgedrückt wird, sollen uns – jede auf ihre Art – zum Kern des Ganzen bringen, zur Versöhnung mit Gott, uns selbst, anderen und der Welt. Dazu brauchen wir all diese verschiedenen Metaphern: Rechtfertigung und Opfer und Stellvertretung und Genugtuung und Lösegeld und Anrechnung usw. Und auch wenn sie nicht die Sache selbst sind – wir vertrauen darauf, dass sie ihre Aufgabe erfüllen und uns zur Realität der Versöhnung bringen.
Es geht deshalb darum, die verschiedenen Bilder für das, was Gott tut, so zu betrachten, dass sie Fenster zum Handeln Gottes werden.

Ein Beispiel: Das stellvertretende Strafleiden
Eines dieser Bilder ist das stellvertretende Strafleiden Jesu (engl.: penal substitution): Gott ist heilig, Menschen sündig. Weil Gott heilig ist, kann er menschliche Sünde nicht ignorieren. Es muss eine Strafe geben. Die nimmt Jesus auf sich. Unsere Sünde wird ihm aufgelegt, seine Gerechtigkeit uns zugerechnet.
Von seinen Vertretern wird dieses Bild als zentrale Beschreibung der inneren Mechanismen von Sühne/Versöhnung angesehen, seine Kritiker halten genau diese Monopolstellung für eine falsche Einseitigkeit. Aus dem feministischen Bereich wird das Bild als „göttlicher Kindesmissbrauch“ verunglimpft – McKnight distanziert sich recht deutlich von solchen unfair verzerrten Darstellungen.
Aber das Bild birgt in sich tatsächlich Probleme. Wenn man davon ausgeht, dass Gott einerseits Liebe ist, andererseits aber auch gerecht und heilig (und deshalb auf dem Ausgleich für die Sündenschuld bestehen muss), dann gerät man in Gefahr, sich einen bipolaren Gott vorzustellen, der sich selbst nicht im Klaren ist, wie er eigentlich mit Sündern umgehen will. Dieser Gefahr entgeht man nur, wenn man Liebe und Heiligkeit Gottes gedanklich zusammenbringt. Man muss etwa Gottes Zorn als Funktion seiner Liebe verstehen.

Eine zweite Gefahr besteht darin, dass die Personen der Trinität gegeneinander ausgespielt werden. So als ob z.B. Jesus uns gegen den zornigen Vater beschützt. Demgegenüber muss ein gutes Verständnis dieser Metapher daran festhalten, dass an jedem Handeln Gottes immer alle Personen der Trinität beteiligt sind.
Schließlich geht es um die richtige Gewichtung: die Vertreter der Theorie vom stellvertretenden Strafleiden Jesu sind – wenn man sie wohlwollend liest – in der Regel nicht der Meinung, dass dies der einzige Zugang zu Sühne/Versöhnung ist. Aber eine gewisse Tendenz in dieser Richtung ist nicht zu übersehen. Sie wird zu einer Brille, mit der man die Bibel selektiv liest. An dieser Einseitigkeit entzündet sich dann oft Kritik an der ganzen Theorie.
McKnight selbst ist überzeugt, dass man Paulus nicht ohne den Gedanken der Strafe verstehen kann. Aber dieser Gedanke muss besser eingebettet sein in die erlösende Gnade Gottes. Daran wird dieses Buch arbeiten. Zunächst folgt aber in Kapitel 6 eine Erinnerung an die Notwendigkeit der Demut in der Theologie.

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