Ein Feuer in der Welt
Predigt am 1. Juni 2008 mit Lukas 12,49
Vor der Predigt wurden die folgenden Bibelstellen – begleitet von Musik – gelesen:
2 Der Engel des HERRN erschien Mose in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. 6 Und der Herr sprach: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. 8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land.
2. Mose 13:
Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten.
4. Mose 11:
1 Und das Volk klagte vor den Ohren des HERRN, dass es ihm schlecht gehe. Und als es der HERR hörte, entbrannte sein Zorn, und das Feuer des HERRN loderte auf unter ihnen und fraß am Rande des Lagers.
1. Könige 18:
36 Und als es Zeit war, das Speisopfer zu opfern, trat der Prophet Elia herzu und sprach: HERR, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute kund werden, dass du Gott in Israel bist und ich dein Knecht und dass ich das alles nach deinem Wort getan habe! 37 Erhöre mich, HERR, erhöre mich, damit dies Volk erkennt, dass du, HERR, Gott bist und ihr Herz wieder zu dir kehrst! 38 Da fiel das Feuer des HERRN herab und fraß Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf im Graben. 39 Als das alles Volk sah, fielen sie auf ihr Angesicht und sprachen: Der HERR ist Gott, der HERR ist Gott!
2. Könige 2:
1 Als aber der HERR Elia im Wetter gen Himmel holen wollte, gingen Elia und Elisa von Gilgal weg. 11 Und als sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Wetter gen Himmel. Elisa wurde sein Nachfolger.
2. Könige 6:
14 Der König von Damaskus sandte Rosse und Wagen und ein großes Heer, um Elisa zu ergreifen. Und als sie bei Nacht hin kamen, umstellten sie die Stadt Dothan. 15 Und der Diener des Mannes Gottes stand früh auf und trat heraus, und siehe, da lag ein Heer um die Stadt mit Rossen und Wagen. Da sprach sein Diener zu ihm: O weh, mein Herr! Was sollen wir nun tun? 16 Elisa sprach: Lass dir keine Angst einjagen, weil es so viele sind! Auf unserer Seite stehen noch mehr. 17 Und Elisa betete und sprach: HERR, öffne ihm die Augen, dass er sehe! Da öffnete der HERR dem Diener die Augen und er sah, und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her.
Jesaja 30:
27 Siehe, des HERRN Name kommt von ferne! Sein Zorn brennt und mächtig erhebt er sich, seine Lippen sind voll Grimm und seine Zunge wie ein verzehrendes Feuer.
Hesekiel 21,3:
So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will in dir ein Feuer anzünden, das soll grüne und dürre Bäume verzehren, dass man seine Flamme nicht wird löschen können, sondern es soll durch sie jedes Angesicht versengt werden vom Südland bis zum Norden hin.
Lukas 12,49:
Jesus sprach: 49 »Ich bin gekommen, um auf der Erde ein Feuer anzuzünden; ich wünschte, es würde schon brennen!«
Apostelgeschichte 2:
1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an „einem“ Ort beieinander. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
Wenn Menschen Gott begegneten, dann sind sie häufig auf Feuer gestoßen. Aus einem brennenden Dornbusch, der nicht verbrannte, sprach Gott zu Mose. Als Feuersäule zog er vor seinem Volk her. Und als Elia die große Auseinandersetzung mit den Baalspriestern hatte, ein Kampf, in dem um die Seele Israels gerungen wurde, da lässt Gott Feuer vom Himmel fallen und wird erkennbar als ein Gott, der mit Feuer antwortet.
Feuer ist real, aber es ist nicht zu greifen. Man kann es nicht aufbewahren, man kann es nicht in handliche Pakte einpacken, es sieht in einem Moment so aus und im anderen so. Feuer hat sein eigenes Leben. Deshalb passt es so gut zu Gott – wir können ihn nicht unter Kontrolle bekommen, aber er ist real.
Feuer wärmt, ohne Feuer kämen wir nicht durch den Winter. Aber Feuer ist auch gefährlich. Das Volk Israel zieht unter der Führung von Mose hinter der Feuersäule her – aber dann fangen sie an zu meckern. Passt dies nicht, passt das nicht, und überhaupt! Überall, wo etwas Großes passiert, gibt es auch die Meckerer. Die können mit ihrem Gerede so viel kaputt machen, und deshalb sendet Gott Feuer, das anfängt, das Lager Israels zu bedrohen. Gott ist nicht ungefährlich.
Feuer ist Energie. Gott ist voller Kraft und Dynamik. Gott lässt nicht zu, dass sich das Böse ungehemmt ausbreitet. Gott beschützt seine Leute. Feurige Rosse und Wagen schickt er Elisa als Schutz, und die Soldaten des Königs von Damaskus können ihm nichts tun.
Das Feuer Gottes bedroht das Schlechte. Und es zeigt an, dass Gott heilig ist, ganz anders als wir, mächtig und heilig. Mose muss sich seine Schuhe ausziehen, so heilig ist der Ort, weil dort Gott ist.
Und auch als Johannes der Täufer vom kommenden Messias spricht, der alles in Ordnung bringen soll auf der Erde, da hat er dieses Bild von Gott und seinem Gesandten im Kopf, als er sagt (Lukas 3,16-17 – war vorhin das Evangelium):
Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. 17 In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.
Johannes stellt sich das so vor, als ob der kommende Gesandte Gottes endlich wieder dieses Feuer bringen wird, das alles Schlechte und Kaputte vernichtet. Und dann kommt Jesus, und Johannes sieht sofort: der ist es, auf den ich gewartet habe. Aber nach einiger Zeit bekommt Johannes Zweifel, weil dieses reinigende Feuer auf sich warten lässt. Jesus ist anders. Er sagt zwar:
Ich bin gekommen, um auf der Erde ein Feuer anzuzünden; ich wünschte, es würde schon brennen!
Aber dann gibt es auch die Geschichte (Lukas 9,54), wo ein Dorf es ablehnt, Jesus und seinen Jüngern Gastfreundschaft zu gewähren. Jakobus und Johannes sind darüber sauer und schlagen vor, man könnte ja Feuer vom Himmel fallen lassen und dieses Dorf vernichten. Aber Jesus weist sie streng zurecht und fragt: wisst ihr nicht, welchem Geist ihr gehört?
Jesus hat etwas anderes im Sinn, wenn er sich Feuer auf der Erde wünscht. Nicht ein Feuer, das von oben auf die Erde fällt, nicht ein Eingreifen Gottes von jenseits der Welt, sondern ein Feuer auf der Erde, in den Menschen. Was bisher von außen auf Menschen zu kam, erschreckend und gefährlich, daraus macht Jesus etwas, was in den Menschen wohnt und sie bewegt. Diese göttliche Energie soll in Zukunft aus den Menschen heraus wirken. Auch jetzt noch ein leidenschaftliches Nein zu allem Bösen, aber nicht mehr von außen, sondern direkt an der Quelle des Verderbens. Auf dieses Feuer wartet Jesus.
Und das sendet er schließlich zu Pfingsten: da kommt noch einmal Feuer, göttliches Feuer, aber es bedroht nicht mehr, es ist nicht unheimlich, sondern es verteilt sich auf die Jünger. Und sie haben von nun an die Kraft Gottes in sich. Sie reden mit Überzeugung von Gott, sie tun Wunder in der Kraft Gottes. Das Feuer Gottes ist durch Jesus so verändert worden, dass es in Menschen brennen kann, ohne sie zu verbrennen. Gottes Energie in Menschen.
Und man muss da wirklich beide Seiten festhalten: es ist wirklich Energie, ungreifbar, du kannst sie nicht kontrollieren. Niemandem ist es je gelungen, dieses Feuer des Heiligen Geistes wieder von der Erde zu vertreiben, auch wenn er die Menschen verfolgt hat, die die Träger dieses Feuers waren. Es ist immer noch Gott, das Feuer ist nicht abgekühlt, es eignet sich nicht, um ein nettes Feuerchen im Kamin zu entfachen, sondern es bleibt wild und gefährlich. Gott ist auch jetzt nicht harmlos, man kann auch jetzt nicht seinen Spott mit ihm treiben.
Und genauso ist sein heiliges Feuer jetzt ganz angepasst an das menschliche Maß, nicht fremd und zerstörerisch, sondern vertraut und nahe. Ja, es sind ungewöhnliche, dramatische Erfahrungen, die Menschen mit Gott machen. Aber sie geschehen durch Menschen, auf menschlichen Wegen und in menschlichem Maß. Beides ist richtig, das Wilde und Gefährliche und das Vertraute, Nahe. Gott hat sich übersetzt, transformiert; gut, er ist eben Mensch geworden.
An Jesus kann man das am besten sehen, wie er in manchen Augenblicken strikt ist, konfrontativ, zornig: er wirft die Händler und Wechsler aus dem Tempel, er nennt die religiösen Autoritäten Heuchler, er stoppt seine Jünger hart, wenn sie falsch liegen. Er ist kein Softie, er ist nicht konfliktscheu, oh nein, er heizt manche Konflikte erst richtig an. Und dann wieder geht von ihm Segen und Heilung aus, er geht sensibel und liebevoll mit verletzten Menschen um, in seiner Umgebung blühen sie alle auf und finden zu ihrer Größe.
Und das ist kein Widerspruch, sondern das gehört zusammen, das ist das Feuer Gottes in ihm, die Glut der Liebe, die Leidenschaft für das Leben, und genauso das leidenschaftliche Nein zu allem, was Menschen zerstört und unfrei macht. Das eine kann nicht sein ohne das andere. Aber beide Male ist es Feuer, Energie, Kraft, Leidenschaft, wie auch immer man es nennen will. Die beste Formel, die ich dafür gefunden habe, lautet: Gott ist gefährlich, aber er ist gut. Gott ist gefährlich, aber er ist gut.
Damit wir auch ein etwas moderneres Bild dafür haben, möchte ich Ihnen von einem Menschen erzählen, der das Feuer Gottes erlebt hat und uns historisch näher steht. Es war um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, als Galilei die Drehung der Erde um die Sonne feststellte und die Grundlagen der modernen Physik entdeckt wurden. Genauer gesagt, in der Nacht vom 23. zum 24. November 1654 wurde Blaise Pascal, dem genialen Mathematiker und Philosophen, eine Gotteserfahrung zuteil. Es war eine Begegnung mit dem Feuer Gottes, und es machte aus ihm einen gläubigen Menschen. Er war damals 31 Jahre alt.
Pascal hat dieses Erlebnis auf Pergament aufgeschrieben und das Dokument in seine Kleider eingenäht, so, als wolle er jeden Tag seines Lebens körperlich an diese Gnade erinnert werden. Neun Jahre später starb er, und man fand das Pergament an seinem Körper. Es beginnt so:
»Im Jahr des Herrn 1654, Montag, den 23. November, von ungefähr halb elf abends bis ungefähr halb eins in der Nacht: Feuer. Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Gott der Philosophen und der Gelehrten. Gewissheit, Freude, Friede. Gott Jesu Christi. Er wird nur gefunden auf den Wegen, die im Evangelium gelehrt werden. Tränen der Freude. Ich hatte mich von ihm getrennt. Ich bin vor ihm geflohen, habe ihn verleugnet, gekreuzigt. Dass ich nie mehr von ihm getrennt werde. Hingabe an Jesus Christus.«
Dieses Dokument enthüllt einen Menschen, dessen ganzes Universum erschüttert und umgewendet ist, und der wiedergeboren wird und aufs neue sprechen lernt. »Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Gott der Philosophen und der Gelehrten«. Nicht dieser harmlose Gott, den sich jeder nach Belieben zurecht biegt, sondern der echte, leidenschaftliche Gott, der Feuer ist, der nicht zu kontrollieren ist, gefährlich und gut.
Und er schaut aus nach Menschen, die wissen, dass wir größer sind als jedes Schema, die sich nicht abfinden mit den Fesseln, die uns am Wachstum hindern und an die Mittelmäßigkeit binden, er sucht Menschen, die frei werden wollen von ihrer heillosen Vergangenheit und von den Mechanismen, die uns an die Verletzungen der Vergangenheit binden. Menschen, die heraus wollen aus dem stahlharten Gehäuse, in das die Gesellschaft uns gesperrt hat, damit wir nur keine Alternativen denken und schon gar nicht anfangen anders zu leben. Menschen, die es in Kauf nehmen, dass ihre alte Welt zerbricht, wenn sie nur zusammen sein mit diesem Gott des Feuers. Menschen, die lieber unruhig und unbeständig leben als festgefroren zu sein.
Ihnen allen offenbart sich der Vater Jesu Christi als derjenige, der leidenschaftlich gut ist, ein glühender Backofen voll Liebe, wie Luther es einmal formuliert hat. Ein Gott, mit Leidenschaft an der Seite der Menschen. Und der gleichzeitig mit ebensolcher Leidenschaft alles zerbricht und umstürzt, was den den Menschen knechtet, bedrückt und zerstört. Und der in Menschen wohnt, damit er genau zwischen beidem unterscheiden kann und nicht das Gute samt dem Zerstörerischen verdirbt.
Gott lässt spätestens seit Jesus sein Feuer in Menschen brennen. Jetzt kommt die Glut von innen. Wir sollen keine Fische sein. Fische haben die gleiche Körpertemperatur wie das Wasser, in dem sie schwimmen. Es ist schlimm, wenn wir nur so viel Wärme im Herzen haben wie die kalte Welt um uns herum. Menschen sind als Warmblüter geschaffen. Und Gott hat uns seinen Geist gegeben, sein Feuer in unser Herz, damit wir um uns herum die Temperatur verändern.
Das heißt nicht, dass wir von Emotionen bestimmt sein müssten. Blaise Pascal war auch nach seiner Bekehrung immer noch ein Mann, der tief gedacht hat und das, was er erlebt hat, in vernünftige Gedanken umgesetzt hat. Auch wenn wir logisch denken, wenn wir planen, wenn wir in Ruhe und Geduld abwarten: das alles widerspricht nicht dem Feuer der Leidenschaft. Gott selbst wartet mit brennender Geduld, bis sein Feuer die ganze Welt ergriffen hat.