Nachhaltig investieren:
biblische Wirtschaftslehre für schwierige Zeiten
Predigt im Besonderen Gottesdienst am 26. April 2009 mit Sprüche 14,28 u.a.
Im Gottesdienst waren als Lesungen Texte zum Umgang mit Geld und Besitz zu hören (2. Mose 23,10-12; 5. Mose 15,4-6; Matthäus 6,19-21 und 31-34). Ein kleines Theaterstück beschrieb – als eine Art Satire – die Entstehung der Wirtschaftskrise.
So, wie wir das eben gesehen haben, so war es wirklich. So ist es zur Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen. Es waren zwar keine Bierdeckel, sondern unsolide finanzierte Häuser in Amerika, und es war nicht nur eine Kneipe bzw. ein Haus, aber es war dieser Wunsch, auf jeden Fall kräftig zu verdienen, und dafür alle Warnsignale zu übersehen. Und es war eine Struktur, wo sich jeder darauf verlassen hat, dass die anderen schon das Richtige tun und dass sich so viele nicht irren können. Damit hat man das schlechte Bauchgefühl betäubt, mit dem Argument, dass es doch alle so machen. Und so ist dann eine Struktur der organisierten Verantwortungslosigkeit entstanden, wo keiner mehr alles überblickte und auch keiner mehr das Ganze überblicken wollte und keiner es mehr kontrollieren konnte. Und das ging eine lange Zeit gut, bis das ganze Gebäude an der schwächsten Stelle zu bröckeln begann, eben bei den faulen Hauskrediten für Leute, die sich nie im Leben hätten Häuser leisten können.
Wie kommt man zu solchen riskanten Anlagen, wo man eigentlich wissen müsste, dass es auf die Dauer nicht funktionieren kann, wenn man zweistellige Renditen erwartet? Nun, vielleicht haben Sie gemerkt, wie vorhin in dem Stück Erwartungen einfach herbeigeredet wurden. Bis auch die brave Gastwirtin mitmacht, obwohl ihre ganze Erfahrung als langjährige Geschäftsfrau ihr ja eigentlich etwas anders sagt. Aber wenn es alle so sehen, dann muss ja wohl was dran sein. Wenn ein Mensch allein sich Illusionen macht, die sind schon ziemlich hartnäckig, aber wenn eine organisierte Gruppe von Menschen sich immer mehr in diese Illusionen hineinredet und sich gegenseitig bestärkt und einer sich auf den anderen verlässt, und wenn vielleicht die Beförderung und das Gehalt davon abhängen, dass man keine Zweifel äußert, dann ist es noch viel schwieriger, einen klaren Kopf zu behalten. Und dann fragt man sich: sind vielleicht nicht wirklich die normalen Regeln, die immer galten, außer Kraft gesetzt? Ist es nicht vielleicht wirklich richtig so, wie es alle machen, weil sich heute so viel geändert hat?
Es gibt aber noch einen anderen Grund, weshalb es zu diesen riskanten Manövern gekommen ist. Es gibt einfach zu viel Geld, das keine echte Aufgabe hat. Und es ist tatsächlich so, dass es gar nicht so einfach ist, für Geld einen lohnenden Verwendungszweck zu finden. Wenn Sie an die Nachkriegszeit denken, als noch alles kaputt war, als später die Leute ihren ersten Kühlschrank und ihr erstes Auto kauften und viele sich ein eigenes Häuschen gebaut haben, da brummte die Wirtschaft. Da hat man Gastarbeiter geholt, weil es zu wenig Arbeitskräfte gab. Da wurde Kapital gebraucht, und im Oktober gab es den Weltspartag, damit auch wir Kinder unser Taschengeld in die Spardose stecken und auf ein Konto anlegen und nicht Lutscher dafür kaufen.
Heute sind diese Zeiten Vergangenheit. Inzwischen haben alle Autos und Kühlschränke und Waschmaschinen, und die halten meistens so lange, dass man gar nicht dauernd was neues braucht. Und wir wissen, weil die Erde begrenzt ist, kann es auch nicht endlos weitergehen mit dem »Immer mehr«.
Und dazu kommt, dass seit 20-30 Jahren die Menschen auch nicht immer mehr Geld bekommen, das sie dann ausgeben können. Im Gegenteil, wenn man die Statistiken anschaut, dann merkt man, dass die Menschen eher weniger Geld bekommen. Deswegen müssen wir Deutschen so viel exportieren, weil die Menschen hier in unserem Land zu wenig Geld haben, um all das zu kaufen, was sie produzieren. Dazu gehört übrigens auch, dass die Gesundheitsversorgung verknappt wird, dass die Renten kleiner werden, dass nicht genug in Bildung investiert wird, und dass überhaupt die öffentliche Infrastruktur immer schlechter wird. Die Einkommensverteilung verschiebt sich. Es gibt mehr Leute, die sehr viel Geld haben, und mehr Leute die sehr wenig Geld haben, und dazwischen werden es weniger. Es gibt sehr große Vermögen und es gibt die vielen, die nach relativ kurzer Zeit der Arbeitslosigkeit in den Hartz IV-Bereich geraten.
Und das führt dazu, dass inzwischen ganz viel Geld eigentlich keinem vernünftigen Zweck mehr dient, es ist nicht mehr dazu da, um den Menschen das Leben zu erleichtern, sondern es fließt in Firmenübernahmen und in Spekulationsgeschäfte, und für solches Geld sind auch die Finanzinstrumente erfunden worden, die jetzt in das Desaster geführt haben. Es ist verrückt – es gäbe so viel sinnvolle Aufgaben, wir müssten die Schulen sanieren und die Bildung verbessern und wir brauchten mehr Pflegekräfte für die Alten und die Kranken, und eigentlich müssten wir landesweit die Häuser alle dick isolieren, damit wir nicht mehr von den Gaslieferungen von Herrn Putin oder von irgendwelchen Ölscheichs abhängig sind. Das ganze Geld, das jetzt gebraucht wird, damit das Finanzsystem nicht völlig zusammenklappt – dafür hätte es so viel sinnvollere Verwendungsmöglichkeiten gegeben.
Aber lasst uns jetzt einmal unseren Blick von diesem ganzen Widersinn abwenden und stattdessen schauen, was man eigentlich in der Bibel zu diesem Thema findet. Früher hätte mir da jetzt wohl jemand geantwortet: du bist kein Fachmann, du hast keine Ahnung von solchen Dingen, überlass das den Fachleuten, die besser wissen, wie die Wirtschaft funktioniert. Inzwischen haben sich die Fachleute zum Glück so blamiert, dass sie im Moment alle ganz kleinlaut sind. Fast keiner von den Fachleuten hat diese Krise kommen sehen, keiner von den renommierten Wirtschaftsweisen hat laut »Halt« geschrieen, also sind wir jetzt endlich mal frei, uns unsere eigenen Gedanken zu machen.
Und wenn ich in die Bibel schaue, dann stehen da solche Sätze, wie wir sie auch vorhin schon in der Lesung gehört haben. Ich fange mal an mit Sprüche 14,28:
Was ist der Reichtum eines Landes? Das sind die Menschen. Für uns in Deutschland ist das noch richtiger als für andere, weil wir kaum Bodenschätze haben. Unser Kapital sind schon lange die Menschen gewesen, gut ausgebildete und motivierte Menschen. Und hier wird das den Regierenden deutlich ins Stammbuch geschrieben: du bist davon abhängig, dass du Menschen hast. Das ist dein Potential. Und wir müssten heute sicher dazusetzen: gut ausgebildete, körperlich und seelisch gesunde Menschen, die Elan und Fantasie und Verantwortung entwickeln. Das ist die Stärke eines Landes. Und es ist kein Luxus, wenn es für die Menschen leistungsfähige Krankenhäuser und gute Schulen gibt. Schwimmbäder und Parkanlagen und Büchereien und Kultur- und Jugendeinrichtungen sind kein Luxus – und Kirchengemeinden sind es sowieso nicht. Und es ist kein Luxus, wenn die Menschen auch genügend Zeit und Geld haben, um da hinzugehen. Dass die Menschen innerlich und äußerlich gesund bleiben, das macht die Stärke eines Landes aus. Die Ilseder Hütte hier bei uns hat immer deutlich gewusst, dass sie für ihre Arbeiter sorgen musste. Genug Gewinn hat die Hütte trotzdem gemacht. Es war eben auch wirtschaftlich ein Glücksfall, dass Gerhard Lukas Meyer, der erste Direktor der Ilseder Hütte, bewusster Christ war und sich für seine Leute verantwortlich fühlte. Heute hat man manchmal das Gefühl: in den oberen Gesellschaftsetagen werden die Menschen als eine Art überflüssige Esser angesehen, die nur Kosten verursachen und dann auch noch die Frechheit haben, Urlaub zu fordern, immer älter zu werden und dauernd zum Arzt zu rennen.
Und zum Wohlergehen der Menschen gehört eben auch, dass die Einkommensverteilung nicht zu weit auseinander klafft. Moderne Studien zeigen, dass das Glück der Menschen nicht so sehr von der Höhe ihres Einkommens abhängt, sondern viel mehr von einer einigermaßen gleichmäßigen Verteilung der Einkommen in einer Gesellschaft. Je mehr die Schere zwischen Spitzeneinkommen und Geringverdienern auseinander geht, desto weniger zufrieden werden die Menschen. Nicht alle müssen das Gleiche kriegen, aber es ist nicht in Ordnung, wenn der Unternehmensvorstand über 100 mal so viel verdient wie die Frau, die sein Büro sauber macht.
Gott wusste das schon immer, und deshalb ist im Alten Testament vorgesehen, dass alle sieben Jahre die Schulden erlassen werden. Und wer sich in der Not als Sklave verkaufen musste, der wird in diesem Erlassjahr freigelassen. Und alle, die ihr Land in der Not verkaufen mussten, die bekommen es im Erlassjahr zurück. Das stammt alles aus einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft, wir müssen das für uns sicher umformulieren, aber es sind lauter Regeln, die dafür sorgen sollen, dass die Unterschiede nicht immer größer werden. Die sorgen immer wieder für einen Neustart, einen Reset sozusagen, wo alle wieder auf dem gleichen Level anfangen, damit die breite Mitte der Gesellschaft nicht kaputtgeht.
Und außerdem war im Erlassjahr Produktionspause. Da wurde nichts angebaut, man lebte von den Vorräten, schlief länger und wenn doch noch etwas auf dem Feld oder auf den Bäumen wuchs, dann war es für die Armen. Und so kam auch die Natur zu ihrem Recht – sie konnte sich erholen und wurde eben nicht unbegrenzt für Produktionszwecke eingespannt. Und auch wöchentlich gab es die Produktionspause, den Sabbat, damit die Menschen rauskommen aus der Tretmühle und Pause haben. Die Pause ist Gottes Gebot, nicht die Arbeit. Und so lebte Gottes Volk mit weniger Arbeit als die anderen Völker und es ging ihm trotzdem besser. Warum? Weil es richtig ist, in Menschen und in ihr Wohlergehen zu investieren. Weil es richtig ist, auch der Natur eine Atempause zu geben. Es ist vernünftig, Mensch und Natur nicht rücksichtslos auszunutzen. Davon wird eine Volkswirtschaft am Ende leistungsfähiger, als wenn sie versucht, noch die letzten Reserven herauszukitzeln.
Und wenn man dann im Neuen Testament auf Jesus hört, dann merkt man, wie die ganze Wirtschaft den Segen Gottes als Voraussetzung hat. Nur weil Gott Tag für Tag immer noch seine Schöpfung und seine Geschöpfe segnet, nur deshalb können wir leben und produzieren, und deshalb ist die wichtigste wirtschaftliche Regel, dass wir den Fluss des Segens nicht einengen oder kontrollieren oder gar verschmutzen dürfen.
Deswegen sagt Jesus immer wieder: sorgt nicht! Versucht nicht, irgendwie den Segen unter eure Kontrolle zu bringen. Es ist genug für alle da. Es gibt genug zu essen auf der Welt für alle, auch noch für ein paar Milliarden mehr. Aber wenn die Verteilung nicht stimmt, wenn ihr versucht, für euch eine besonders große Portion Segen zu reservieren, dann gibt es Hunger und Not und Kriege.
Und dann ist da die Sache mit den Schätzen. Sammelt euch keine Schätze! sagt Jesus. Bei dem Wort Schatz dürfen Sie ruhig an dieses ganze nutzlose Kapital denken, das durch die Welt zirkuliert und mit dem einige reiche Leute Firmenübernahme-Monopoly spielen. Schätze sind aufgestapelter Segen, der zu nichts Sinnvollem gebraucht wird. In Jesu Zeiten hat man sie in Gold angelegt oder in kostbaren Kleidern. Und Jesus sagt: du Dummkopf! Diese kleinen Tierchen, die Motten, die kommen und fressen dein ganzes Vermögen auf, oder Einbrecher knacken deinen Safe, und dann ist es futsch, einfach weg, und du hättest damit so viel Gutes machen können. Soviel Geld, das jetzt in der Krise verbrannt worden ist, und wieviel Kinder hätten damit eine gesunde und sorglose Kindheit haben können.
Jesus sagt: Investiert bei einer sicheren Bank. Sammelt euch Schätze im Himmel, bei Gott. Was ihr habt, das investiert in Gottes Sache. Tut Gutes, macht euch Freunde mit dem Geld, lebt gut – ihr müsst nicht von trockenem Brot leben. Aber gebt den Segen weiter, den ihr empfangen habt, stapelt ihn nicht auf für später, sonst zerrinnt er euch eines Tages zwischen den Händen.
Und das ist auch ein volkswirtschaftliches Rezept. Denn was in der Gemeinde verstanden und hoffentlich dann auch gelebt wird, das soll ja ausstrahlen und – sicher immer nur in verdünnter Form – die ganze Gesellschaft erreichen. Wenn eine Volkswirtschaft in die Krise kommt, dann muss Vertrauen neu aufgebaut werden. Das schreibt heute jeder. Aber wie geht das? Indem man in lebensfördernde Dinge investiert, in eine gesunde Infrastruktur, in Menschen und ihr Wohlergehen. In der Wirtschaftskrise der 30er Jahre hat das der amerikanische Präsident Roosevelt getan, hat Dämme und Straßen und Siedlungen angelegt und Menschen mit Geld und Land zu einem Neustart verholfen und damit sein Land aus der tiefen Depression heraus geholt.
Heute würde das bedeuten: investieren in den ökologischen Umbau, in Energiesparen und umweltfreundliche Technologien. In ein umweltschonendes Verkehrssystem. Investieren in Bildung. Den Menschen die Sicherheit geben, dass wir auch in der Krise niemanden in Armut geraten lassen.
Ich weiß nicht, ob sich unser ganzes Land dazu durchringen wird. Viel wird da auch vom Ausgang der Bundestagswahl abhängen. Aber auch unabhängig davon ist dieser Weg für uns als Einzelne und als Gemeinschaft auf jeden Fall sinnvoll: Den Segen, den wir bekommen haben, nicht irgendwo auf Halde legen, ihn natürlich auch nicht zum Fenster rauswerfen, sondern ihn sinnvoll weitergeben. Wenn wir Segen sinnvoll weitergeben, wird er mehr. Großzügigkeit ist immer gut: das, was wir haben an Geld und Zeit und Freude und Möglichkeiten einsetzen.
Nachhaltig investieren: das macht man, indem man sich an Gottes Sache beteiligt. Dazu gehört auch Geben und Schenken und Spenden, aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt davon. Es gehört aber vor allem dazu, vertrauensvolle Beziehungen im Namen Jesu aufzubauen, wo man weiß: bei Problemen bin ich nicht allein, sondern ich werde von diesem Netzwerk aufgefangen. Aber es kann auch sein, dass man da erstmal selbst oft geben muss, bis es so weit ist, dass man auch mal etwas zurückbekommt. Aber oft geht das auch schneller, als man denkt. Jesus sagt: nichts von dem, was du in Gottes Herrschaft hier auf der Erde investierst, geht verloren. Gott registriert das genau und sorgt dafür, dass du es irgendwann und irgendwie zurückbekommst.
Es ist doch irre: in die abenteuerlichsten Finanzprodukte haben die Leute investiert. Haben blind einem Berater vertraut, der ihnen irgendwas empfohlen hat, was er selbst vielleicht nicht verstanden hat. Aber wenn es darum geht, in Gottes Sache zu investieren, dann werden sie alle unheimlich kritisch und runzeln die Stirn und haben tausend Einwände und können sich das nicht vorstellen. Wir können nur hoffen, dass diese Krise Menschen an der richtigen Stelle zum Nachdenken bringt. In Gottes Sache zu investieren ist eine nachhaltige Investition, viel weniger riskant als vieles andere. Trotzdem braucht man auch da machmal Mut – den nennt man mit dem Fachausdruck „Glauben“. Dieses Wagnis sollte man tatsächlich eingehen. Es reduziert die Sorgen und vor allem werden wir auf jeden Fall ein reiches und nicht langweiliges Leben zurückbekommen.