Ein neuer Himmel, eine neue Erde
Predigt am 24. Juli 2016 zu Offenbarung 21,1-8 (Predigtreihe Offenbarung 35)
1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.
8 Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.
Heute kommen wir endlich in die Schlussszene der Offenbarung. Immer wieder fühlte es sich bei unserem Hören auf die Offenbarung in den letzten Wochen und Monaten so an, als ob wir kurz vor dem Ziel wären, und immer wieder ging es doch noch einmal in eine neue Runde des Kampfes mit den gottfeindlichen Mächte. Eine Verkleidung nach der anderen mussten sie opfern, aber jedes Mal erhoben sie sich danach wieder neu, in immer klarerer Gestalt. Aber das ist jetzt vorbei. Jetzt beginnt die neue Welt.
Das Ziel von Anfang an
Darauf läuft es alles hinaus. Das war von Anfang an das Ziel des Buches, und das ist das Ziel der Welt, die Gott geschaffen hat: ein neuer Himmel und eine neue Erde; die heilige Stadt, die aus dem Himmel herab auf die Erde kommt; und Gott, der unter seinen Menschen wohnt und alles Dunkle und Zerstörerische vertreibt, der alle Tränen abwischt und damit die Wunden der Vergangenheit heilt. Das ist das aufgelöste Rätsel der Weltgeschichte, darum ging es von Anfang an, und nun können wir es in aller Klarheit sehen.
Und Johannes hat das alles nicht geschrieben, damit vorwitzige, neugierige Leute über den Weltuntergang spekulieren können. Die Offenbarung soll den sieben Gemeinden in Kleinasien helfen, nicht die Orientierung zu verlieren. Dazu müssen sie wissen, worauf es alles hinausläuft und wie das mit Gottes großer Geschichte zusammenhängt. Sie sollen wissen, dass am Ende Gott noch einmal sein Schöpferwort sprechen wird, wie am Anfang: »Siehe, ich mache alles neu!«. Am Ende steht nicht das Ende mit Schrecken, sondern der Neuanfang, die Verwandlung.
Bilder für Bruch und Neuanfang
Bei den Bildern, in denen das beschrieben wird, geht es immer um Ereignisse, die auch jetzt schon für uns fundamentale Verwandlungen bedeuten: das Bild von der Hochzeit von Himmel und Erde erinnert daran, dass eine Hochzeit der Moment ist, wo das Leben von zwei Menschen sich grundlegend ändert – jedenfalls, wenn es gut geht: es sind immer noch diese beiden Menschen, aber von nun an läuft ihr Leben in einem ganz anderen Rahmen. Sie sind von nun an zu zweit, nicht mehr allein.
Oder das Bild davon, dass jemand als Kind anerkannt und zum Erben eingesetzt wird: es ist derselbe Mensch, aber er kommt in einen ganz anderen Status, wenn er einen Platz in einer Familie und Anteil am Familienerbe bekommt.
Und schließlich Gott, der unter den Menschen wohnt: wenn jemand neu in dein Leben eintritt, dann bist du immer noch derselbe, aber wenn dieser Jemand sehr wichtig ist, dann ändert sich alles.
Immer wieder Bilder für eine radikale Verwandlung, aber nicht so, dass das Neue gar nichts mehr mit dem Vorherigen zu tun hätte: es geht um dieselben Personen, aber es ändert sich alles. Es ist gar nicht einfach, das zusammenzudenken, erst recht, wenn es um Himmel und Erde geht: es ist keine andere Geschichte, die hier erzählt wird. Gott stampft nicht seinen ersten Versuch ein, als ob er ihm misslungen wäre, und jetzt hofft er, dass es beim zweiten Mal besser klappt. Nein, es geht immer noch um diese eine Geschichte von der Welt, die Gott geschaffen hat und in die er Jesus gesandt hat.
Dass dieselbe Geschichte weitergeht, aber völlig neu, das scheint ein Widerspruch zu sein, und es ist wirklich schwer, dabei auf keiner der beiden Seiten vom Pferd zu fallen. Wir können es uns vielleicht am ehesten an diesem Bild der Hochzeit klar machen: bis dahin hat man allein gelebt, allein entschieden, sich sein Leben mehr oder weniger gut eingerichtet, und dann ist man zu zweit, und alles steht noch einmal neu zur Disposition: von der Frage, wofür man sein Geld ausgibt bis zum Thema, wie man die Zahnpastatube aufrollt. Kein Stein des Lebenshauses bleibt auf dem andern. Ok, wahrscheinlich bleiben wir auch nach Hochzeiten in Wirklichkeit doch an vielen Stellen die alten, aber es ist eben ein Bild, das uns einigermaßen die Richtung zeigen soll:
Himmel und Erde
Auch in der neuen Welt gibt es Himmel und Erde, es ist nicht so, dass die Erde sich auflöst und nur noch der Himmel übrig bleibt, aber es ist alles neu, weil Himmel und Erde jetzt endlich wieder zusammen kommen. Ganz am Anfang, in der Schöpfungsgeschichte, waren Himmel und Erde eng verwoben: Gott kam zu den Menschen auf Besuch und freute sich bei einem Abendspaziergang unter den Bäumen des Paradieses. Dann brach diese enge Verbindung ab, aber jetzt ist sie wieder da, intensiver und näher als je zuvor.
Und wie finden Himmel und Erde zusammen? Indem das neue Jerusalem aus dem Himmel herabkommt. Man muss sich klarmachen, dass in der Bibel die Richtung anders läuft als wir es in den populären Vorstellungen kennen: nicht wir kommen eines Tages in den Himmel, sondern der Himmel kommt zu uns, zur Erde. So wie wir im Vaterunser beten: dein Reich komme (also zu uns her)! Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden! Immer geht die Richtung vom Himmel zur Erde. Und nun wird endlich diese ganze himmlische Wirklichkeit enthüllt, aufgedeckt, offenbart, und auf der Erde sichtbar.
Nichts geht verloren
Vorhin in der Lesung haben wir aus dem Kolosserbrief (3,1-6) gehört, dass unser Leben mit Christus bei Gott verborgen ist und eines Tages in Herrlichkeit offenbart wird. Das geschieht hier: wenn das Neue Jerusalem vom Himmel auf die Erde kommt. Was bisher auf der verborgenen Seite der Welt aufbewahrt wurde, das wird jetzt sichtbar in seiner ganzen Herrlichkeit. Jesus redet vom gleichen Zusammenhang, wenn er sagt, dass wir uns Schätze im Himmel sammeln sollen (Matth. 6,20): Was wir in den Spuren Jesu tun, das geht nicht verloren. Auf der sichtbaren Seite der Welt bleibt es immer zwiespältig, fragwürdig und vorläufig. Aber auf der verborgenen Seite der Welt bewahrt Gott es auf, und er fügt es zusammen zum Neuen Jerusalem.
In unseren Augen sieht das Volk Gottes, die Kirche, oft schwach, fragwürdig, korrumpiert und unbedeutend aus. Und nicht ohne Grund natürlich. Aber hier sehen wir die himmlische Seite dieser Realität, und sie ist im Verborgenen schon jetzt strahlend und schön, weil Jesus sich damit verbunden hat. Wir sind als irdische Kirche ein billiges Gefäß für eine viel größere Wirklichkeit, – so drückt es Paulus aus. Und diese kostbare Realität des Reiches Gottes gibt auch dem billigen Gefäß seine Würde und Herrlichkeit.
Wenn wir also in der Gemeinde Jesu leben und arbeiten, glauben und hoffen, dann sind das Bausteine, aus denen Jesus jetzt schon das Neue Jerusalem baut, die Heilige Stadt, die kommt. Nichts von dem, was wir tun, wird vergessen werden. Keine freundliche und barmherzige Tat ist umsonst, auch wenn sie kein Mensch bemerken würde. Es wird alles seinen richtigen und vollen Platz finden. Aber Hass und Erbitterung, Gier und Neid, Lüge und Feigheit, das wird vergehen. Das hat keinen Platz in der Neuen Welt.
Kein ehrliches Lob Gottes aus dankbarem Herzen ist umsonst – es findet jetzt schon sein Echo in den Chören auf der verborgenen Seite der Welt. Und manchmal wird etwas von dieser Herrlichkeit auch sichtbar. Manchmal können wir auch jetzt schon sehen, wie Jesus unter uns wirkt, wie er sogar durch unsere Begrenztheit und Zwiespältigkeit hindurch die Welt bewegt.
Die Last der Schmerzen
Wenn diese ganze Wirklichkeit enthüllt wird, dann wird Gott alle Tränen abwischen. All den Schmerz und die Schrecken der Weltgeschichte wird Gott am Ende revidieren. Jetzt trägt diese Erde die erdrückende Last von Gewalt und Unrecht, sie ist getränkt mit Blut, und unzählige Tränen sind geflossen. Wir tragen schwer an diesem Erbe der Menschheitsgeschichte, es lastet auf uns allen, es verdunkelt unsere Sicht auf die Welt. All die Gewalt und all die Schmerzen bringen immer neue Gewalt und immer neue Schmerzen hervor. Aber wir haben diesen Ausblick auf den Tag, an dem Gott die Tränen abwischen wird, alle, und es wird keinen Tod mehr geben und keinen Schmerz. Menschen werden nicht mehr schreien vor Schrecken, Qual und Angst. Das alles wird Vergangenheit sein. Wir wissen nicht, wie das gehen soll, gelegentlich ahnen wir vielleicht etwas davon, aber letztlich können wir uns nur an das Versprechen halten, dass Gott das tun wird.
Das ist der Grund, wir nicht einstimmen müssen in den Chor derer, die nach Rache schreien, die Blutvergießen mit Blutvergießen ausgleichen wollen. Wir sehen im Augenblick deutlich diese ganze Erbitterung in so vielen Menschen, die aus uralten und neuen Wunden gespeist wird. In ganz unterschiedlichen Kulturen und Milieus treibt es Menschen an, zu schmähen, zu wüten, zu entwürdigen und ihr eigenes Leben und das Leben anderer zu zerstören. Sie glauben, das sei ein Weg, ihre Wunden zu heilen, woher auch immer sie stammen mögen. Oder wenigstens ein Weg, um den Schmerz nicht zu fühlen.
Der Tag der Versöhnung
Aber wir schauen aus nach dem Tag, an dem Gott alle Tränen abwischen wird, und wo wir es können, sollen wir das jetzt auch schon tun und heilen und für Versöhnung eintreten und ein Zeichen und Hinweis auf diesen Tag der endgültigen Versöhnung sein.
Es kommt der Tag, wo diese ganze alte Welt der Gewalt und des Leides vergangen ist und niemand ihrer mehr gedenken wird. In der neuen Welt wird es noch nicht einmal mehr das Meer geben – das Meer symbolisiert in der Bibel immer das Chaos, das Bedrohliche. Aus dem Meer steigen die Monster. Das Meer ist ein Rest des ursprünglichen Chaos, der sich in der Schöpfung Gottes noch erhalten hat, auch wenn Gott ihm eine Grenze gesetzt hat. Wenn Gott alles neu macht, dann gibt es auch diese Quelle der Gefahr nicht mehr.
Gott unter den Menschen
An dieser Stelle redet Gott nun tatsächlich selbst zum Seher Johannes und verbürgt sich dafür, dass das alles die Wahrheit ist. Gott selbst, nicht ein Engel oder Heiliger. Das ist schon ein erstes Sichtbarwerden des Tages, an dem Gott unter uns wohnen wird und wir direkten Zugang zu ihm haben. Er kommt nicht nur zu Besuch wie in der Zeit des Paradieses – nein, jetzt »wohnt« er unter uns. Das Wort , das da steht, erinnert daran, dass Gott in der Stiftshütte gewohnt hat, später im Tempel und dann in Jesus. Immer hat es auch in der Zeit der Trennung Zeichen seiner Anwesenheit unter uns gegeben. Aber jetzt wohnt er tatsächlich in seiner Schöpfung, und es zeigt sich, dass sie von Anfang an dazu bestimmt war: eine Wohnung für Gott zu sein, wo er mit seinen Geschöpfen in freier Gemeinschaft lebt.
Der große Gott hat einen Ort geschaffen wo er seinen Geschöpfen begegnen und mit ihnen leben kann. Das ist der Sinn unserer Welt. Das ist auch das Ziel unseres Lebens. Das ist der Siegespreis, der aller Mühen wert ist. Das ist die Vision, die uns immer wieder ruft, Schätze im Himmel zu sammeln, unser noch nicht offenbartes Leben mit Jesus an die erste Stelle zu setzen und nach dem Tag auszuschauen, an dem es in Herrlichkeit sichtbar wird.