Gründlich verdorbene Geschäfte
Predigt am 8. Mai 2016 zu Offenbarung 18,9-24 (Predigtreihe Offenbarung 31)
Im 18. Kapitel der Offenbarung geht es um den Untergang Babylons, was ein Deckname für die weltbeherrschende Großmacht, in diesem Fall Rom, ist. Beim letzten Mal im März haben wir gehört, wie Johannes ihren plötzllichen Untergang beschreibt. Heute erfahren wir von den Reaktionen darauf:
9 Und es werden sie beweinen und beklagen die Könige auf Erden, die mit ihr gehurt und geprasst haben, wenn sie sehen werden den Rauch von ihrem Brand, in dem sie verbrennt. 10 Sie werden fernab stehen aus Furcht vor ihrer Qual und sprechen: Weh, weh, du große Stadt Babylon, du starke Stadt, in einer Stunde ist dein Gericht gekommen!
11 Und die Kaufleute auf Erden werden weinen und Leid tragen um sie, weil ihre Ware niemand mehr kaufen wird: 12 Gold und Silber und Edelsteine und Perlen und feines Leinen und Purpur und Seide und Scharlach und allerlei wohlriechende Hölzer und allerlei Gerät aus Elfenbein und allerlei Gerät aus kostbarem Holz und Erz und Eisen und Marmor 13 und Zimt und Balsam und Räucherwerk und Myrrhe und Weihrauch und Wein und Öl und feinstes Mehl und Weizen und Vieh und Schafe und Pferde und Wagen und Leiber und Seelen von Menschen. 14 Und das Obst, an dem deine Seele Lust hatte, ist dahin; und alles, was glänzend und herrlich war, ist für dich verloren und man wird es nicht mehr finden.
15 Die Kaufleute, die durch diesen Handel mit ihr reich geworden sind, werden fernab stehen aus Furcht vor ihrer Qual, werden weinen und klagen: 16 Weh, weh, du große Stadt, die bekleidet war mit feinem Leinen und Purpur und Scharlach und geschmückt war mit Gold und Edelsteinen und Perlen, 17 denn in „einer“ Stunde ist verwüstet solcher Reichtum!
Und alle Schiffsherren und alle Steuerleute und die Seefahrer und die auf dem Meer arbeiten standen fernab 18 und schrien, als sie den Rauch von ihrem Brand sahen: Wer ist der großen Stadt gleich? 19 Und sie warfen Staub auf ihre Häupter und schrien, weinten und klagten: Weh, weh, du große Stadt, von deren Überfluss reich geworden sind alle, die Schiffe auf dem Meer hatten; denn in „einer“ Stunde ist sie verwüstet!
20 Freue dich über sie, Himmel, und ihr Heiligen und Apostel und Propheten! Denn Gott hat sie gerichtet um euretwillen.
21 Und ein starker Engel hob einen Stein auf, groß wie ein Mühlstein, warf ihn ins Meer und sprach: So wird in einem Sturm niedergeworfen die große Stadt Babylon und nicht mehr gefunden werden. 22 Und die Stimme der Sänger und Saitenspieler, Flötenspieler und Posaunenbläser soll nicht mehr in dir gehört werden, und kein Handwerker irgendeines Handwerks soll mehr in dir gefunden werden, und das Geräusch der Mühle soll nicht mehr in dir gehört werden, 23 und das Licht der Lampe soll nicht mehr in dir leuchten, und die Stimme des Bräutigams und der Braut soll nicht mehr in dir gehört werden. Denn deine Kaufleute waren Fürsten auf Erden, und durch deine Zauberei sind verführt worden alle Völker; 24 und das Blut der Propheten und der Heiligen ist in ihr gefunden worden und das Blut aller derer, die auf Erden umgebracht worden sind.
Als 2008 die Finanzkrise eskalierte, da hörte man aus den Reihen derer, die versuchten, das alles im Griff zu behalten, sie hätten in den entscheidenden Nachtsitzungen »in den Abgrund geblickt«. Von einer »Kernschmelze des Systems« war die Rede, die gerade noch einmal verhindert werden konnte. So gerade eben ist das System noch einmal am Zusammenbruch vorbeigeschlittert. Aber ob das ein zweites Mal klappen wird, das bezweifeln viele Sachkenner. Neulich las ich ein Buch von einem sehr kritischen Beobachter unserer Welt, und er wollte nicht behaupten, dass so ein Zusammenbruch eines Tages garantiert passieren würde, aber er hielt es für ziemlich wahrscheinlich. Das Interessante dabei ist, dass keiner genau weiß, wie denn so ein Zusammenbruch aussehen würde und welche Folgen er hätte. »Zusammenbruch« oder »großer Crash« und ähnliche Worte sind ja nur Bilder für etwas, was sich niemand genau ausmalen kann, bevor es passiert.
Aus der Perspektive der Nutznießer des Imperiums
Genauso geht es Johannes, wenn er vom kommenden Untergang Babylons spricht: »Babylon« ist der Deckname für Rom, in der Zeit des Johannes das Zentrum des weltbeherrschenden Unterdrückungs- und Ausbeutungssystems. Über zwei Kapitel beschreibt Johannes das Ende des großen Babylon, darauf laufen seine ganzen Katastrophenschilderungen hinaus, und er kann sich das auch nur in einem Bild vorstellen, im Bild der Zerstörung einer eroberten Stadt, die brutal ausradiert wird. So hatte Rom das mit vielen anderen Städten gemacht: die Mauern eingerissen, die Häuser verbrannt, die Menschen verkauft.
Johannes schildert das alles raffinierter Weise aus der Perspektive der Nutznießer des babylonischen Ausbeutungssystems, die aus der Entfernung die Feuersbrunst und den aufsteigenden Qualm sehen. Und durch ihre Klagen hindurch deckt er dieses System sozusagen von innen auf.
Lokale Herrscher, Kaufleute, Reeder
Das sind einmal die Könige, die örtlichen Machthaber, die ihre Völker an das Imperium verkauft haben und dafür ihren Anteil am Luxusleben bekommen haben. Die sind vor allem erschüttert, wie schnell das alles gekommen ist. Wer heute obenauf ist, kann morgen schon am Ende sein. Das jagt allen Potentaten einen gehörigen Schrecken ein.
Viel ausführlicher hört man die Kaufleute, die lang und breit ihre Waren beschreiben, für die sie jetzt keinen Abnehmer mehr finden. Der ganze Handel kommt zum Stillstand. Genauer gesagt: der Handel mit Luxusgütern. Denn in der langen Aufzählung geht es vor allem um Schmuck, um kostbare Stoffe, um Inneneinrichtungen aus Tropenholz und Elfenbein, um teure Gewürze und Duftstoffe, um Leckerbissen aus aller Welt, um Pferde und Kutschen und um Sklaven. Alles teure Premium-Güter für die Reichen. Der größte Teil des Welthandels dient der superreichen Oberschicht. Die einzigen Güter aus dieser langen Aufzählung, die auch für die einfachen Bürger Roms in Betracht kamen, waren der Weizen und vielleicht ab und zu mal etwas Fleisch vom importierten Vieh.
Am Ende dieser Reihe nennt Johannes den Sklavenhandel: Menschen werden verkauft, mit Leib und Seele! Die ganze Wirtschaft des Imperiums erhebt sich auf diesem Fundament der Sklaverei, wo Menschen nicht mehr Menschen sind, sondern eine Ware, ein Mittel zum Zweck. Auf die Sklaven läuft diese ganze Aufzählung von Waren hinaus – der Sklavenhandel scheint Johannes ganz besonders entsetzt zu haben.
Ebenso wie die Kaufleute beklagt sich das Transportgewerbe: wie sollen wir jetzt weiter reich werden? Unser ganzes Geschäft ist ruiniert, und wir haben doch so gut verdient! Vorbei ist es mit den Shoppingtouren und mit dem Appartment in teuerster Lage, mit den Luxusyachten und den üppigen Boni. Und sie alle vergießen echte Tränen und sind erschüttert wegen des reichen Profits, den sie doch schon fest eingeplant hatten. Das Geld hat sich in sie hineingefressen und ist das Zentrum geworden, um das all ihre Gedanken kreisen. Wenn Babylon am Ende ist, dann bricht auch ihre Identität zusammen.
Gott greift ein
Mitten in dieses seitenlange Gejammer hinein klingt aber endlich auch ein ganz anderer Ruf: Freue dich Himmel! Freut euch, ihr Christen! Lasst euch nicht von dem Gejammer anstecken! Versteht, dass das Gottes gerechtes Gericht ist, und um euretwillen ist es gekommen.
Und dann kommt ein starker Engel und wirft in einer Zeichenhandlung einen schweren Felsbrocken ins Meer und begleitet das mit einem Fluch: so wird die Metropole untergehen! Man wird sich da noch nicht mal mehr an den guten, einfachen Dingen des Lebens freuen können: keine Musik mehr, keine gute, produktive Arbeit mehr, die Mühle wird nicht mehr malen und die Lampe nicht mehr leuchten, und die Freudenlieder von Braut und Bräutigam werden verstummen. Unterdrückung und Ausbeutung, Luxus und Gier zerstören am Ende auch die guten Gaben Gottes, die Basis des menschlichen Lebens. Wenn alles zur Ware wird, wenn alle sich davon anstecken lassen, wenn alle mittanzen beim Tanz ums Goldene Kalb, das ruiniert am Ende auch das Echte und Substanzielle. Und zwar deswegen, so schließt Johannes, weil das immer verbunden ist mit Gewalt, mit dem Abschlachten von Menschen und ganz besonders mit Gewalt gegen alle, die sich, wie die Christen, an die Johannes schreibt, diesem Sog entziehen.
Luxus, erkauft mit Blut und Tränen
Johannes hat im Lauf seines Buches sozusagen Schicht für Schicht aufgedeckt, welcher Kampf in der Welt tobt. Immer konkreter ist er geworden. Jetzt, wo wir fast vier Fünftel des Buches hinter uns haben, haben wir sogar einen Warenkatalog der Luxusgüter betrachtet, für die die unterworfenen Menschen im Imperium schuften müssen. Wir haben das Fundament gesehen, auf dem das alles ruht: Blut und Tränen, Gewalt und Tod. Und wir haben Gottes Urteil darüber gehört: das alles wird nicht bestehen bleiben.
Johannes will seine Leute lehren, vom Ende her zu denken. Sie leben in einem Imperium, in dem nichts daraufhin deutet, dass es jemals stürzen könnte. Natürlich gibt es Krisen, Rivalitäten um den Kaiserthron, aber das System selbst bleibt stabil. Es ist auf der Höhe seiner Macht. Sein Militärapparat scheint unbesiegbar. Jede Opposition im Innern wird gnadenlos verfolgt. Der Propagandaapparat zieht die Menschen in seinen Bann.
Abstand halten!
Aber Johannes sagt: täuscht euch nicht! Das alles kann und wird von einem Moment zum andern kollabieren. Lasst euch nicht irre machen. Haltet fest an Jesus, haltet fest an eurem Nein zu diesem Tanz ums Goldenen Kalb. Lasst euch da nicht hineinziehen, denn wenn ihr keinen Abstand habt, dann werdet auch ihr in den Untergang des Imperiums hineingezogen.
Denn am Ende sind all solche Systeme instabil, die von Gier und vom Habenwollen angetrieben werden. Das passt einfach nicht zu der Welt, die Gott geschaffen hat. Gott hat die Liebe und die Gemeinschaft aller Geschöpfe ganz tief in die Fundamente der Welt eingebaut. Er hat die Welt auf sich hin geschaffen, für ein liebevolles Verhältnis zu Gott. Er schenkt und gibt. Und wenn Menschen sich in ein System hineinziehen lassen, das auf Gewalt und Ausbeutung beruht ist, das wird nicht gut gehen.
Erstaunliche Nähe über 2000 Jahre
Wir leben heute in einer Welt, die erstaunliche Parallelen hat zur Welt des Neuen Testaments. Es ist gar nicht so schwer und kompliziert, die Bibel über den Abstand der 2000 Jahre zu verstehen.
Natürlich ist nicht alles gleich. Wir sehen heute wahrscheinlich deutlicher als die Menschen damals die Sollbruchstellen, an denen es zu einem Crash kommen könnte: dass die Welt begrenzt ist, dass der Raubbau an der Umwelt die Erde verwüstet, dass die Erderwärmung nicht mehr zu stoppen sein könnte, dass die Finanzströme zu immer größerer Ungleichheit und Instabilität führen, dass die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt, verunsicherte Menschen zu Hass und Gewalt greifen und die menschliche Tiefe eingeebnet wird zugunsten von immer mehr Außensteuerung.
Aber noch nicht mal die schärfsten Kritiker würden darauf wetten, dass es demnächst wirklich den großen Crash geben wird. Die meisten von uns können nicht in die Zukunft sehen, und wer es kann, der kann dann doch nicht sagen, ob es die nahe oder die ferne Zukunft ist, die er gesehen oder geahnt hat.
Verlockungen zurückweisen
Aber in jedem Fall stimmt die Botschaft des Johannes: glaubt nicht, dass der Status Quo so unerschütterlich ist, wie er tut. Denkt vom Ende her! Auch wenn Babylon noch ganz stabil aussieht, es gibt auf jeden Fall schon jetzt vorlaufende Erschütterungen, und die können auch schon ziemlich heftig sein. Haltet Abstand, damit ihr nicht eines Tages auch bei denen steht, deren ganze innere Welt zusammenbricht, weil sie auf die falsche Grundlage vertraut haben. Und dann müsst ihr nicht so viel Angst haben. Es ist nicht eure Welt, die da zerbricht. Und die äußeren Gefahren kann man viel besser bestehen, wenn der innere Kompass funktioniert. Übt euch in dieser Beweglichkeit, die wir brauchen, wenn sich die Dinge schnell ändern.
Die ganze Sorge des Johannes war, dass seine Leute irgendwie doch wieder vom Imperium eingefangen werden, entweder durch Druck und Drohung, oder durch die Verlockungen der Propaganda. Wenn sie damals die Tempelfeste zu Ehren des Kaisers feierten, dann war die ganze Stadt auf den Beinen. Es gab Freibier und Gegrilltes umsonst, und irgendwie war das sehr verlockend, da dazu zu gehören. Man musste schon große Stärke entwickeln, um da nicht mitzulaufen.
Das große Bild sehen
Diese Stärke will Johannes wecken, indem er seinen Leuten den dahinter stehenden Kampf offenbart. Er sagt ja nicht: du, du, das darfst du nicht! Geh nicht hin! Feiern ist böse! Sondern er sagt: schau dir das große Bild an! Versteh, wie es alles zusammen hängt! Denk nicht bloß bis heute Abend, sondern denk vom Ende her! Sei klug, blende Gott nicht aus, und nimm die Rolle ein, die Gott dir zugedacht hat! Die Christen spielen eine ganz wesentliche Rolle in dem Kampf, der um die Zukunft der Welt geführt wird. Heute sieht es vielleicht so aus, als ob dein Beitrag nichts entscheidet, aber wenn man das ganze Bild ansieht, dann stimmt das nicht. Deine Fähigkeit, Nein zu sagen, dich zu entziehen, Verbindungen zu kappen und nicht zum Komplizen zu werden, die ändert alles. Wenn ihr durchhaltet, dann kann Gott euch von der anderen Seite her zu Hilfe kommen. Dann steht ihm ein Tor in die Welt offen. Haltet dieses Tor geöffnet!
Gedeihen am Rande
Das ist auch jetzt schon für uns gut. Denn die guten, einfachen Dinge, die echt sind und keine Fassade: das Licht der Lampe, das Mahlen der Mühle, gute, produktive Arbeit von Menschen, die ihre Sache verstehen, Musik, das Lied von Braut und Bräutigam, die sich freuen, dass sie sich gefunden haben, all diese guten Dinge, die gedeihen auch jetzt schon dort, wo wir mit dem Schöpfer des Himmels und der Erde verbunden sind und ihn loben und uns an all dem freuen.
Niemand muss sich an ein System verkaufen, das auf Blut und Tränen gebaut ist. Johannes zeigt uns in seiner Offenbarung das ganze Bild und deckt uns die Alternativen auf.