Der Pfeil des Sieges und die Parkplatzbeter
Predigt am 24. März 2019 mit 2. Könige 13,14-19
Sie kennen bestimmt diese Geschichten, wo die gute Fee kommt und jemandem verspricht, er hätte drei Wünsche frei. Und wie das dann so ist: er vergeigt sie alle. In einem Märchen hat einer so großen Hunger, dass er sich sofort mit dem ersten Wunsch ein Paar Würstchen bestellt. Dann streitet er sich mit seiner Frau und wünscht ihr schließlich vor Wut das Würstchen an die Nase, und dann muss er den letzten Wunsch aufbrauchen, um das Würstchen wieder von der Nase seiner Frau abzukriegen.
Das gibt es auch auf christlich: da kommt aber ein Engel und stellt die Erfüllung von drei Gebetswünschen in Aussicht. Und dann wünscht sich die Frau zuerst einen freien Parkplatz in Hannover zur Haupteinkaufszeit, ohne langes Suchen. Und tatsächlich, sie fährt hin und genau vor dem Geschäft, wo sie sich eine Bibel kaufen will, ist ein freier Parkplatz. Sie parkt da, alles ist wunderbar, aber als sie wieder rauskommt steht da eine Polizeistreife und schreibt sie auf, weil sie nichts in die Parkuhr gesteckt hat. Und da kommt der Zorn Gottes über sie und sie sagt: möge Ihr Motor verrecken, jetzt sofort, dass das Auto am Asphalt klebt! Und es geschieht, die kriegen tatsächlich den Wagen nicht mehr an, aber damit ist schon der zweite Wunsch weg. Und dann steht das Polizeiauto da wie festgeklebt, aber leider genau vor ihrem eigenen Wagen, und sie braucht den dritten und letzten Wunsch, damit sie wieder aus der Parklücke rauskommt.
Israel: hoffnungslos unterlegen
Hier in unserer Geschichte geht es dem König Joasch von Israel ganz ähnlich. Da kommt zwar keine gute Fee, und auch kein Engel, aber der Prophet Elisa gibt ihm sozusagen eine Freifahrschein für die Kämpfe mit den syrischen Aramäern, eine Art Siegesgarantie, und er vergeigt es alles.
Man muss wissen, dass Israel damals militärisch seinen Nachbarn hoffnungslos unterlegen war. Die Aramäer von Damaskus hatten Pferde und Streitwagen, das waren damals die modernsten Waffen, die es gab, sie waren militärisch bestens organisiert, und dem hatten die israelischen Bauern nichts entgegenzusetzen. Und wenn dann so ein paar syrische Bandenführer überlegten: »was machen wir am Wochenende? Im Fernsehen läuft nichts, bei Eintracht Damaskus darf man im Stadion noch nicht mal mehr Böller schmeißen, was machen wir?« Dann hatte prompt irgendwer die Idee: »Wollen wir nicht mal wieder Blitzkrieg in Israel machen?« Und die anderen sagten: »Au ja, wir fahren zum Vergewaltigen und Plündern nach Israel! Wir zünden ein paar Dörfer an, rauben die Ernte, die Frauen und den Wein und machen eine Mordsparty damit!« So machten sie es, und der König von Israel mit seinen langsamen Fußsoldaten konnte sein Volk nicht beschützen, weil keiner wusste, wo die Syrer mit ihren schnellen Panzern das nächste Mal zuschlagen würden.
So ähnlich war es bei uns im Dreißigjährigen Krieg, als in Steinbrück Soldaten stationiert waren, und wenn die Geld brauchten, dann überfielen sie einfach mal die umliegenden Dörfer, auch Groß Ilsede. Man konnte sich aber auch mit viel Geld davon freikaufen, und Groß Ilsede hat 150 Jahre gebraucht, um die Kredite zurückzuzahlen, mit denen sie diese Schutzgelder finanziert haben.
Die »Streitwagen« Israels
Israel hat damals nur überlebt, weil sie die Propheten Gottes hatten, allen voran der Prophet Elisa, aber der war nicht alleine, sondern man kann in der Bibel noch rekonstruieren, dass der überall seine Stützpunkte hatte, mit örtlichen Prophetenbünden. Es gab so eine Art prophetischen Geheimbund, und die organisierten den Widerstand gegen die aramäische Soldateska. Vor allem scheinen sie mit prophetischer Intuition vorausgesehen zu haben, wo die Syrer als nächstes angreifen würden, und dann konnte der König seine Soldaten rechtzeitig dahin schicken und den Aramäern eine Falle stellen.
Für uns heute klingt das ganz schrecklich: Gott und Militär so eng miteinander in Verbindung zu bringen, wir kennen inzwischen die Bergpredigt und denken da viel sensibler, aber wir dürfen das nicht in eine Zeit zurückprojizieren, in der es noch 800 Jahre oder so bis zu Jesus dauern sollte.
Damals waren ausgerechnet die Propheten die einzige Waffe, mit der sich Israel gegen die Kavallerie der Syrer wehren konnte. Daher dieser seltsame Titel, mit dem der König Joasch Elisa anredet: »Wagen Israels und seine Reiter«. Das bedeutet: die anderen haben Streitwagen und Streitwagensoldaten, wir haben dich und deine Propheten. Unsere Kavallerie seid ihr!
Das Vermächtnis des Propheten: ein Pfeil des Sieges
Und jetzt passiert es, dass der Prophet, der Mann Gottes, der den ganzen Widerstand inspiriert hat, der das getan hat, was eigentlich der König tun müsste, aber nicht konnte, dass dieser Prophet Elisa sterbenskrank war. Das muss keine besondere geheimnisvolle Krankheit gewesen sein. Damals konnte man schon an einer Blinddarmentzündung sterben. Auf jeden Fall erfährt der König, dass Elisa nicht mehr lange zu leben hat. Und er weiß: das ist in dieser Lage die absolute Katastrophe. Sofort bricht er auf zum Propheten und beschwört ihn: »Bitte! bleib bei uns! Du kannst mich jetzt nicht im Stich lassen! Was sollen wir ohne dich machen? Ohne dich machen sie uns völlig platt! Du kannst jetzt nicht einfach sterben und mich allein zurücklassen wie eine Waise! Du bist der Vater Israels! Ich bin immer nur der ausführende König unter dir gewesen. Du bist der wirkliche Chef! Bitte, bitte bleib!!«
Aber auch Propheten sterben, manchmal sogar an Blinddarmentzündung. Und man muss sich vorstellen, wie Elisa mit letzter Kraft zum König sagt: nimm deinen Bogen und die Pfeile! Mach das Fenster auf, nach Osten, Richtung Damaskus, wo die Aramäer lauern! Und der sterbende Elisa legt seine Hände auf die Hände des Königs und sagt: »So, spann den Bogen! So weit du kannst! Und jetzt – schieß!!« Und unter den segnenden Händen Elisas lässt der König die gespannte Bogensehne los, und der Pfeil fliegt nach Osten, Richtung Damaskus.
Und Elisa ruft in prophetischer Kraft: »Sieg! Ein Sieg von Gott! Meine Kraft wohnt nun in dir! Du wirst diese feige Bande besiegen, bei Afek! Gott ist mit dir und meine Kraft auch! Mach sie platt, diese Vergewaltiger und Mörder! Du bist gesegnet!«
Irgendwas stimmt nicht!
Aber irgendwie merkt Elisa, dass etwas nicht stimmt. Was er gesagt hat, ist beim König nicht wirklich angekommen. Und deswegen gibt es noch einen zweiten Durchgang. »Nimm deine Pfeile!« sagt er. Und diesmal legt er dem König nicht die Hände auf. Er hat ihm ja seine Kraft schon gegeben. Elisa hat nichts mehr, was er auf den König übertragen könnte. So wird es in Zukunft sein: Elisa stirbt, und der König muss allein sein Volk verteidigen, mit der Kraft Elisas, unter dem Segen Gottes, aber in eigener Verantwortung. Er wird nicht mehr ausführender König sein, sondern – König. Er ist der Chef. Und das kann einem ganz schön Angst machen. Es ist manchmal einfacher und bequemer, ein Zwerg zu sein als ein Riese. Es ist manchmal leichter, Geselle zu sein als Meister. Es gibt einen Haufen Leute, die ihre volle Power nie erreichen, weil sie Angst davor haben.
Ein Haufen Leute, auch unter den Christen, die würden, wenn sie so eine Zusage Gottes bekommen, erst mal einen Ausschuss gründen, der die Schlachtpläne überprüft, ob sie auch keine Rechtschreibfehler haben, und dann würden die dem obersten Militärrat vorgelegt, und der berät die ausführlich, dann geht das zum Finanzminister, der ist aber ein sparsamer Schwabe und streicht die Kosten für die Munition, weil die den Etat überschreiten, und der Krieg sowieso schon so teuer ist, und am Ende fragt der König: ist es auch 100%ig garantiert, dass wir gewinnen? Und seine Generäle sind ehrliche Leute und sagen: Majestät, es sieht gut aus, aber vor Gericht, auf hoher See und im Krieg ist man immer in Gottes Hand! Und da sagt der König: Nö, dann bleibe ich lieber zu Hause!
Diese Feiglings-Könige, die es nicht auf die Reihe kriegen, weil sie die Hosen voll haben, die sind es, die Gottes Volk die Dynamik nehmen. Wie die Leute, von denen wir vorhin in der Lesung gehört haben (Lukas 9,57-62), die 800 Jahre später auch Jesus noch genervt haben, wenn sie sagen: aber ich muss erst noch, und gerade jetzt geht es nicht, weil … äh, mein Goldhamster hat Masern, und ich muss die Kinder ins Kaspertheater bringen, und ich kriege Ärger mit meiner Frau, wenn ich nicht pünktlich um 12 zum Mittagessen wieder da bin. Und Jesus sagt: dann bleib zu Hause. Bleib zu Hause und steh uns nicht im Weg. Bleib zu Hause, das ist das Beste, was du für das Reich Gottes tun kannst. Es ist kein großer Beitrag, aber es ist immer noch besser, als wenn du die anderen erst ermüdest und dann ansteckst mit deiner Bedenkenträgerei.
Der König wird getestet
Elisa möchte aber, dass der König Joasch ein guter König ist, ein König, der mit der Kraft Gottes zusammenarbeitet, und er zeigt ihm in dem zweiten Bild, was jetzt ansteht. »Nimm die Pfeile«, sagt er (Pfeile waren anscheinend die einzige Waffe, die den aramäischen Streitwagen gefährlich werden konnte), »und jetzt schlag damit zu! HAU ZU!«
Und der König macht »bumm, bumm, bumm«. Und dann hört er auf und guckt den Propheten an: »war es richtig so?« Und der Prophet sagt: »lernst du es denn nie? Du bist der KÖNIG! Du musst entscheiden! Du musst das Volk Gottes führen! Ich sterbe. Da gibt es keinen mehr, bei dem du dich absichern kannst! Du bist der Chef, du hast die Verantwortung. Du musst was riskieren. Aber weil du so zögerlich bist, wirst du die größte Chance deines Lebens verpassen. Du hast dich für die Selbstverzwergung entschieden. Ich hatte gehofft, du würdest endlich ZUSCHLAGEN wie ein Fürst des Gottesvolkes, und stattdessen hast du zugeschlagen wie ein Kind mit dem Spielhämmerchen aus Styropor.
Ja, du wirst die Syrer besiegen, Gott hat dich gesegnet, du wirst ein bisschen gewinnen, aber die Chance, diese Geißel der Menschheit endlich vom Erdboden zu vertilgen, damit die Menschen in Ruhe und Sicherheit leben können und ihre Kinder in Frieden großziehen können, diese Chance hast du vertan, weil du im entscheidenden Moment zurückgeschreckt bist vor dem Format, das du haben könntest. Du hast Angst gehabt vor dem Sieg über die Zerstörung, der zum Greifen nahe war. Und wenn einer vor dem Sieg Angst hat, dann soll er lieber gar nicht erst kämpfen.
Wollen wir nur Parkplatzbeter sein?
Liebe Freunde – das ist die Frage, die Gott uns stellt: wollen wir Parkplatzbeter sein, oder wollen wir die Größe bekommen, die Gott uns zugedacht hat? Wollen wir sein wie der – ich glaube: amerikanische, aber ich weiß es nicht mehr genau – Evangelist, der betete: »Gott, gibt mir Amerika oder lass mich sterben!«? Ich glaube, er hat dann Amerika nicht bekommen, sondern nur – ich glaube, Chicago, oder wenigstens einen Teil von Chicago, und er war auch damit schon ganz zufrieden, aber der hätte mit den Pfeilen wenigstens so lange zugeschlagen, bis Pfeile und Teppichboden völlig zerfetzt gewesen wären.
Deswegen: was sind wir? Sind wir Parkplatzbeter, oder sagen wir: Gott, gib mir Hannover mit sämtlichen Parkplätzen die sie da haben, und die A2 dazu, nein, das reicht immer noch nicht: gib mir ILSEDE!!!
Leute, Jesus war kein Warmduscher. Der ist ans Kreuz gegangen. Ich hoffe und bete, dass das uns allen hier erspart bleibt. Aber ein bisschen weniger Angst vor der eigenen Stärke, die Gott uns geben will, weniger Verstecken vor dem Format, zu dem er uns beruft, das würde ich mir wirklich wünschen.