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Als ich vor zweieinhalb Jahren hier schrieb, dass Ilsede Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge werden würde, ahnte ich schon, dass da einiges an Arbeit auf mich zukommen würde. Aber ich ahnte nicht, wie intensiv das mich und die Gemeinde beschäftigen würde, und vor allem: dass es zweieinhalb Jahre dauern würde, bis ich wieder (abgesehen von der Veröffentlichung einiger Predigten) den Anlauf zum Bloggen schaffe.
Der Vorsatz, regelmäßig aus der Gebläsehalle (dem Standort der Einrichtung, siehe Bild oben) zu berichten, erwies sich als undurchführbar. Der wichtigste Grund dafür war natürlich, dass viel zu wenig Zeit dafür blieb. Es ging dabei aber auch immer um Menschen: Flüchtlinge natürlich, aber auch deutsche Mitarbeiter der vielen Hilfsorganisationen. Begegnungen wären beschädigt worden, wenn ich dabei im Kopf immer schon etwas für den Blog formuliert hätte.
Deswegen kommt nun ein eher summarischer Rückblick in mehreren Teilen.
Die Pionierphase
Am Anfang stand die Pionierphase: es wurde improvisiert, und bis dahin wirdfremde Menschen arbeiteten unproblematisch zusammen. Die Hilfsorganisationen brachten ihr Know-How mit der Unterbringung und Versorgung großer Menschengruppen ein, aber alle Abläufe, die sich speziell auf Flüchtlinge bezogen, mussten erst neu organisiert werden. Auch die Mitarbeiter des Landkreises (der die Trägerschaft des Ganzen hatte) wussten nicht immer genau, wie es weiterging, denn sie waren wiederum vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abhängig, in dessen Auftrag der Landkreis die Einrichtung betrieb.
In dieser Zeit gab es jeden Tag unvorhergesehene Situationen. Ich hatte meiner Frau z.B. eines Morgens zu berichten, dass wir über Nacht acht syrische Gäste gehabt hatten, die jetzt Frühstück brauchten. Aber wir haben in dieser Zeit viele Dinge unkonventionell gemanagt, die sonst viel mühsamer gewesen wären. Auch mit den Mitarbeitern der verschiedenen Behörden und der Security gab es in der Regel eine gute, konstruktive Zusammenarbeit. Es gab unglaublich viel guten Willen und Vertrauen. Viele einzelne großartige (und auch weniger großartige) Geschichten aus dieser Zeit gibt es, aber man kann sie eigentlich nur persönlich weitererzählen. Ich war wirklich stolz auf unseren Landkreis, der das organisatorisch gut hinbekam, und in dem es so viele engagierte Freiwillige gab.
Auf der anderen Seite war es für alle Beteiligten enorm beanspruchend. Ich selbst war so gut wie jeden Tag in der Einrichtung. Auf Bitten des Landkreises haben wir uns um die Kinderbetreuung gekümmert. Wir, das waren im Kern außer mir die Kollegin aus der Nachbargemeinde und später eine Mitarbeiterin, die wir aus landeskirchlichen Mitteln anstellen konnten; dazu eine recht große Gruppe von immer wieder wechselnden Freiwilligen. Auch da gab es ein tolles Engagement. Wir hatten den Vorteil, dass wir mit unserer kirchlichen Mitarbeiterkultur viele Einzelheiten der Zusammenarbeit nicht erst erfinden mussten. Trotzdem gab es immer wieder neue Situationen, in denen wir flexibel reagieren mussten. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir mit unserer Spielzone umgezogen sind. Aber es war toll zu erleben, dass wir auch ohne große Diskussionen oder Absprachen in die gleiche Richtung arbeiteten und uns 100%ig aufeinander verlassen konnten.
Ich selbst erlebte mich ein wenig als Seelsorger in der Einrichtung. Ich sprach mit Flüchtlingen (oft mehr mit Gesten als mit Worten), mit der Leitung, mit anderen Freiwilligen aus unterschiedlichsten Hintergründen, mit den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen und der Security. Für viele war das eine sehr intensive Zeit, beanspruchend, aber auch eindrucksvoll. Manche waren froh, dass sie hier wieder einen guten Job gefunden hatten. Die Flüchtlingsbetreuung hat ja auch viele Arbeitsplätze geschaffen, und es wundert mich gar nicht, dass Deutschland sich seit dem Herbst 2015 einer langanhaltenden guten Konjunktur erfreut.
Sechs intensive Monate
Nach einigen Wochen war ich tief erschöpft und bin erst einmal ein paar Tage krank geworden. Danach kam Weihnachten, wo ich dann vor allem in meinem Hauptjob gebunden war.
Als ich danach wieder im „Camp“ (so nannten es die Flüchtlinge, und wir nahmen ihren Sprachgebrauch auf) war, spürte ich, dass es inzwischen eine klimatische Veränderung gegeben hatte. Es war jetzt alles viel geregelter, aber auch weniger flexibel. Personen hatten gewechselt. Es gab eine Menge Vorschriften. Die Pionierphase war vorbei. Natürlich muss sich irgendwann eine gewisse Regelmäßigkeit und Berechenbarkeit einstellen. Aber es war schon schade, dass nun langsam wieder der Alltag einkehrte, mit bürokratischen Prozeduren und Menschen, die wieder stärker auf die Zuständigkeiten schauten.
Zu Beginn des Jahres 2016 begann der Zustrom an Flüchtlingen zurückzugehen. Die prinzipiell vorhandenen 600 Plätze sind sowieso nie ausgeschöpft worden, aber nun funktionierte die Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen besser. Es mussten nicht mehr so viele Menschen kurzfristig aufgenommen und beherbergt werden. Im März war die Einrichtung so gut wie leer. Im April 2016 wurde sie geschlossen.
Inzwischen dient die Gebläsehalle wieder als Veranstaltungsort für Konzerte, Ausstellungen, Partys und andere Events mit bis zu 2000 Personen.
Für uns in der Flüchtlingsarbeit Engagierte begann ein neuer Abschnitt.
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