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Brafman/Beckstrom beschreiben in diesem Kapitel, wie es für eine Organisation immer wieder neu gilt, eine Balance zwischen Zentralisation und Dezentralisation zu finden (den „sweet spot“). Auch dazu gibt es wieder Fallbeispiele:
- Peter Drucker suchte in den 1940er Jahren nach dem Geheimnis des Erfolgs von General Motors. Er fand heraus, dass die Firma Verantwortung sehr breit streute und den einzelnen Anteilungen große Selbständigkeit gab – also schon eine Art Hybridorganisation war. Er hielt das für den Schlüssel zum Erfolg und schlug vor, diese Elemente noch zu verstärken. GM enpfand das als Angriff, nach dem Motto: wir sind doch sowieso die Besten – wieso sollen wir etwas ändern? Daraufhin ging Drucker später nach Japan und fand dort offene Ohren. Als Resultat war Toyotas Unternehmenskultur in den 1980er Jahren die weit überlegene. Sie hatten die bessere Balance zwischen Zentralisation und Dezentralisation, zwischen Kreativität und Kontrolle.
- eBay setzte sich als führende Auktionsplattform im Internet durch, weil sie – im Unterschied zur Konkurrenz, die das Geschäft selbst in der Hand behielt – einen großen Schritt in Richtung Dezentralisation gingen. Andererseits waren noch genug Kontrollelemente eingebaut (die Verifikation der Bieter etwa). Damit hatte eBay genau den „Sweet Spot“ getroffen, die optimale Balance. Das ist der Punkt, wo am meisten Geld verdient wird.
Entscheidend ist nun, dass dieser optmale Punkt sich dauernd ändert. Das hatte General Motors nicht bedacht. Am Beispiel des Musikgeschäfts zeigen Brafman/Beckstrom, wie dieser Punkt sich verschieben kann, in Abhängigkeit insbesondere von der technischen Entwicklung:
- Bis zum 19. Jahrhundert war das Musikgeschäft völlig dezentralisiert – einzelne Musiker machten eben Musik, so gut sie es konnten.
- Mit der Erfindung des Phonografen verschob sich der „Sweet Spot“ schnell in Richtung Zentralisation: nun war das meiste Geld zu verdienen, wenn man eine Plattenfirma gründete …
- … und je größer die Plattenfirmen wurden, um so rentabler konnten sie arbeiten wegen der Synergieeffekte.
- Mit der Erfindung des Internet und der Tauschbörsen verschob sich der Sweet Spot dramatisch zur Dezentralisation. Bei völliger Dezentralisation (z.B. eMule) sind aber keine Profite zu machen, auch weil das für die Kunden (z.B. Virengefahr) zu riskant ist.
- Apple schließlich fand mit den iTunes schließlich den Punkt, wo man einerseits dem Bedürfnis der Kunden sehr weit entgegenkommt, andererseits aber noch verdienen kann. Somit ist die Firma der lachende Dritte im Konflikt zwischen den Plattenfirmen und den Tauschbörsen. Das heißt aber nicht, dass Apple sich nun ewig eine goldene Nase verdient: bei jeder Verschiebung der optimalen Mitte werden die Karten neu gemischt.
Der Wunsch nach freiem Austausch von Informationen verschiebt den Sweet Spot ebenso zur Dezentralisation wie der Wunsch nach Anonymität. Das Verlangen nach Sicherheit und Verantwortlichkeit jedoch verschiebt ihn in die andere Richtung, zu mehr zentralen Lösungen.