Freiheit hat einen Preis.

Das musste das Volk Israel lernen, als sie aus der Sklaverei in Ägypten geflohen waren. Dort in Ägypten wären sie beinahe als Volk ausgelöscht worden, aber dann hatte Gott sie wunderbar gerettet. Und so waren sie auf dem Weg durch die Wüste in das gute Land, das Gott ihnen versprochen hatte. Das Land, in dem sie als freies Volk leben sollten.

Und Gott führt sie sehr umsichtig durch die Wüste: er versorgt sie mit Manna und Wachteln gegen den Hunger, er öffnet verborgene Quellen, damit sie Wasser zum Trinken haben, und er führt sie auch um das Land der Edomiter herum, damit sie auf dem Weg nicht gegen dieses starke Volk kämpfen müssen.

Die Meckerer vom Dienst

Aber der Weg ist lang, und das leckere Manna und die knusprigen Wachteln werden auf die Dauer eintönig. Und sie reden sich alle möglichen Gefahren ein, an denen sie sterben könnten, obwohl sie bisher ganz gut überlebt haben. Und am Ende sind Mose und Gott schuld: warum mussten sie das Volk auch aus der Sklaverei befreien? »Hätten wir gewusst, dass Freiheit so mühsam sein kann, dann wären wir lieber Sklaven geblieben! Freiheit ist ja grundsätzlich eine feine Sache, aber nur wenn das Essen schmeckt!«

Freiheit hat einen Preis.

Aber dann kommen die besorgten Bürger, verbreiten schlechte Stimmung und machen Angst: Mose, kannst du uns eine Garantie geben, dass alles gut wird? Sind wir auch gegen Löwen versichert? Ist das Manna vegan? Dürfen wir die Wachteln überhaupt essen oder verstoßen wir gegen das Naturschutzgesetz? Gibt es ein Zertifikat, dass das Wasser schadstofffrei ist? Könnten wir nicht mit den Edomitern verhandeln, damit sie uns freiwillig durchlassen? Haben wir genug Blasenpflaster für so einen langen Weg dabei?

Menschen sind sehr erfinderisch im Herbeireden von Problemen. Besonders dann, wenn es um die Kosten der Freiheit geht. Und was macht Gott?

Gott sagt: ich zeige euch mal, was ein echtes Problem ist. Und dann schickt er ihnen Feuerschlangen. Irgendsolche Viecher, deren Biss schweinisch weh tut, und man kann auch dran sterben. Und da wird ihnen klar, dass es tatsächlich schlimmere Probleme gibt als eintöniges Essen. Sie haben auf einem ziemlich hohen Niveau gejammert. Menschen gewöhnen sich an alles Mögliche, wenn es ihnen mit Gewalt aufgedrückt wird. Sie lassen sich versklaven und unterdrücken und sagen: da kann man nichts machen. Aber wenn es um ihre Befreiung geht, dann werden sie kritisch und wollen die möglichst zum Nulltarif haben.

Eine Erinnerung an die wirkliche Welt

Gott macht ihnen klar: Die Freiheit hat einen Preis, aber die Sklaverei, die wird richtig teuer. Es gibt in dieser Welt tödliche, böse Mächte, die Menschen quälen und Leben vernichten wollen. Wenn wir heute an die Ukraine denken: erinnert ihr euch noch an die russischen Gräueltaten in Butscha? Wie die da in dem besetzten Gebiet gefoltert und getötet haben, wehrlose Zivilisten? Oder wie Putin eiskalt Hunderttausende seiner eigenen Leute in diesem Krieg verheizt? Wenn er schon seine eigenen Leute ungerührt in den Tod schickt, was würde er dann wohl mit uns anderen tun, wenn er die Macht dazu hat? Der Preis der Tyrannei ist viel, viel höher als der Preis der Freiheit.

Ich habe vor ein paar Tagen im Internet ein Bild des zu Tode gebrachten Alexej Navalny gesehen, und daneben stand: »So sieht übrigens ›Man darf ja gar nichts mehr sagen‹ tatsächlich aus«. Alle, die bei uns jammern, es gäbe eine Meinungsdiktatur und sie dürften gar nichts mehr sagen, die muss man doch immer mal wieder daran erinnern, wie eine echte Diktatur aussieht. Und Gott macht das bei Israel in der Wüste mit den Feuerschlangen. Er erinnert sein Volk daran, dass es wirklich Schlimmeres in der Welt gibt als eintöniges Essen.

Die Schlange ist in der ganzen Bibel das Symbol für die Feindschaft gegen das Leben, ein Symbol für die Feindschaft gegen Gott und seine Geschöpfe. Vom Paradies an bis zum letzten Buch der Bibel – der Offenbarung – ist die Schlange das Symbol für den Zerstörer, den Feind Gottes und des Lebens. Mit Gottes Hilfe kann man dieser dunklen Bedrohung entgegentreten, aber es kostet einen Preis.

Ein Denk-Mal für die Zerstörung

Und damit das nicht in Vergessenheit gerät, soll Mose die kupferne Schlange aufrichten. Dieses Schlangendenkmal ist die stete Erinnerung daran, wovor man sich wirklich fürchten muss: vor dieser dunklen Macht in der Welt, deren perverse Freude darin besteht, anderen die Freude zu verderben und das Leben kaputt zu machen. So wie man bei uns eigentlich eine Gedenkstätte im Ahrtal einrichten müsste, damit sich alle an die Flutkatastrophe dort erinnern und wissen: so teuer wird der Klimawandel für uns alle, wenn wir weiter zu wenig und zu spät handeln. Was da auf uns zukommt, das sind Zerstörungen und Kosten, gegen die die Umrüstung auf Wärmepumpen ein Klacks ist.

Freiheit hat einen Preis. Aber der Preis des Nichtstuns ist viel, viel höher.

Auch die ganzen Gedenkstätten in unserem Land, wo an die Gräueltaten der deutschen Nazis erinnert wird, wo Schulklassen hinfahren und erzählt bekommen, dass es bei uns wirklich KZs gegeben hat, dass Millionen planmäßig umgebracht worden sind, und am Ende ein Krieg stand, der auch über unsere Eltern und Großeltern Tod und Zerstörung gebracht hat, die Stolpersteine, die an deportierte Juden erinnern, das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin, all diese Erinnerungszeichen, das sind solche Kupferschlangen, die uns erinnern sollen, dass es wirklich grausame böse Mächte gibt, die diese Welt bedrohen. Und die warnen uns vor diesem elenden Gemecker und Gemaule, bei dem es immer darum geht, dass man den Preis der Freiheit nicht bezahlen will.

Mose richtet dieses Erinnerungszeichen auf. Aber es wirkt nicht automatisch. Man muss schon hingucken, damit es hilft. Nur wenn du diese ganzen Erinnerungszeichen und Gedenkorte wahrnimmst, wenn du sie nicht übersiehst, nur dann wirken sie. Du musst die Kupferschlange anschauen, du musst der Tatsache ins Gesicht sehen, dass diese Welt gefährlich ist. Und dass wir ohne Gott in schrecklicher Gefahr wären. Viele sagen dann: o nein, daran mag ich überhaupt nicht denken! Solche Gedanken machen mir Angst! Ich will diese Schlange nicht sehen! Aber wenn du wegschaust, kannst du sterben.

Gott sucht Verbündete

Und viel später erinnert Jesus im Gespräch mit dem Schriftgelehrten Nikodemus an diese Geschichte und sagt: ich werde auch so ein Zeichen sein wie die Kupferschlange in der Wüste. Ich werde am Kreuz hängen als Zeichen dafür, was der Preis ist, wenn die dunklen Mächte in dieser Welt die Oberhand bekommen. Und ich werde da hängen als Zeichen, dass Gott kommt, um sich seine Welt zurückzuholen von diesen Mächten, ich bin das Zeichen dafür, dass Gott diese Todesmächte nicht ignoriert, sondern in den Konflikt mit ihnen geht. Und durch mich wirbt Gott darum, dass ihr alle dabei mitmacht und bereit seid, den Preis für die Freiheit zu zahlen. Gott sucht Verbündete.

Warum fügen Menschen sich so schnell ins Unvermeidliche, wenn es ihnen aufgedrückt wird, und warum gibt es so viele Bedenkenträger, wenn es darum geht, der dunklen Bedrohung rechtzeitig und entschieden entgegenzutreten? Warum kriegt es der Westen auch nach zwei Jahren Krieg nicht hin, der Ukraine genügend Munition zu liefern?

Too little, too late

Ich bin wirklich kein Freund des Krieges. Ich weiß, dass jeder Krieg unendlichen Schaden anrichtet an menschlichen Körpern und Seelen. Ich lese Berichte von der Front dort und mag mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, da zu kämpfen. Und mir tun diese armen russischen Wehrpflichtigen leid, die mit brutaler Gewalt gezwungen werden, in den sicheren Tod zu laufen und die vorher schon von den Berufssoldaten wie der letzte Dreck behandelt werden.

Aber wenn es jemals einen gerechten Krieg gegeben hat, dann ist es dieser Abwehrkampf der Ukraine gegen die Putinschen Feuerschlangen. Ich glaube, dass wir Christen in der Nachfolge Jesu andere Wege gehen müssen als staatliche Akteure, aber ich warte wirklich darauf, dass jemand von denen, die jetzt so viel von Frieden reden, einen realistischen, praktischen Vorschlag macht. Ich selbst bin ziemlich ratlos, was man gegen diese brutale russische Aggression anderes tun kann, als der Ukraine all das Kriegsgerät zu liefern, die sie jetzt brauchen. Und natürlich Kranke heilen und Generatoren liefern und endlich auch den russischen Deserteuren Asyl gewähren, die nicht bei Putins Krieg mitmachen wollen. Den eigentlichen Preis der Freiheit bezahlen im Augenblick sowieso nicht wir, sondern die Ukrainer. Und dann sollten wir sie dabei nicht im Stich lassen. Krieg ist überhaupt nichts Gutes, aber wenn man ihn schon führt, dann muss man ihn mit aller Entschlossenheit führen und nicht mit Zögern und Halbherzigkeiten.

Wollt ihr das?

Liebe Leute, was sagt uns heute die kupferne Schlange des Mose? Sie sagt: macht euch nichts vor! Schließt nicht die Augen vor der Bedrohung allen Lebens. Vom Augenzumachen geht die nicht weg. Und wenn ihr persönlich vielleicht noch mal von den Schlangen verschont bleibt, dann fressen sie eure Kinder und Enkel. Wollt ihr das?

Freiheit kostet einen Preis. Aber der Preis für alle, die unter einem autoritären menschenfeindlichen Regime leben müssen, ist viel höher. Wie ist es denn, im Iran unter den Mullahs zu leben, in Nordkorea unter der Kim-Dynastie, in Putins Russland, aber auch im Ungarn von Victor Orban? Wie wird es sein, in Amerika zu leben, falls Trump noch mal Präsident würde? Und wie würde es sein, in Deutschland zu leben, wenn die AfD jemals an die Macht käme? Davor kann einem doch nur grauen!

Freiheit kostet einen Preis. Bei uns kann der darin bestehen, dass man sich bei einer Demo die Füße abfriert. Er besteht auch darin, dass wir mehr Geld ausgeben müssen für die Bekämpfung des Klimawandels, für die menschenwürdige Aufnahme der Flüchtlinge, die Gott uns in unser schönes Land schickt oder für die Unterstützung der Ukraine. Das ist nicht nichts, und wir müssen schauen, dass es bei uns nicht wieder die Schwächsten sind, die am meisten darunter leiden, während die Reichen immer reicher werden. Auch gesellschaftliche Solidarität gibt es nicht zum Nulltarif. Aber all diese Kosten sind gut investiert.

In Wirklichkeit hat der Zerstörer erbärmlich Angst

Wenn wir stattdessen lieber Meckern und Maulen, Bedenken tragen und uns die Zukunft lieber nicht ausmalen wollen, dann wird Gott auch uns wieder feurige Schlangen schicken, damit wir aufwachen und merken, wie es in der Welt wirklich aussieht. Ich weiß nicht, wie die Schlangen dann aussehen werden, aber es wird weh tun.

Wir sollen klug sein und lieber die Kupferschlange ansehen, all diese Zeichen, die aufgerichtet sind, um uns an die dunkle Bedrohung des Lebens zu erinnern. Wir sollen nicht wegschauen, sondern dem Bösen in seiner ganzen Hässlichkeit ins Gesicht sehen. Davor fürchtet er sich. Nicht wir müssen uns davor fürchten. Vor dem furchtlosen Blick freier Menschen hat der Zerstörer Angst. Wenn wir mit Gott und Jesus Christus im Bund sind, dann muss er unter unserem Blick die Augen niederschlagen und sich endlich seiner ganzen eigenen Erbärmlichkeit stellen.

Gebet

Barmherziger Gott,
du hältst die ganze Welt in deiner Hand:
ermutige uns und alle, die jetzt voller Angst sind,
erschrocken und geschockt,
dass es wieder Krieg geben kann in Europa, in unserer Zeit; und er hört nicht auf.
Sprich mit Kraft zu uns und zu allen, die jetzt in Furcht vor dem Morgen leben.

Vor dir wollen wir denken an die Menschen in der Ukraine:
ihre Kinder,
ihre Alten,
ihre verletzlichen Erwachsenen,
ihre Babies, die bald geboren werden sollen.
Vor dir wollen wir denken an die Menschen in der Ukraine:
ihre Verteidiger in diesem grausamen Krieg,
ihre Fürsprecher,
für alle,
die sich um die Verwundeten kümmern,
die bei den Verzweifelten ausharren,21
die berichten über die Barbarei
und Zeugnis geben von der Verheerung des Landes;
für alle, die jetzt die Toten begraben.

Vor dir wollen wir denken an die Menschen in der Ukraine:
ihre Anführer, dass sie weiter ihr Volk stärken können
mit ihrem Wort und ihrem Beispiel;
dass sie weiter Hilfe und Solidarität empfangen
aus der ganzen Welt,
dass du ihnen rätst und Klarheit schenkst,
dass du ihre Herzen vor der Versuchung von Bitterkeit und Hass bewahrst.

Vor dir wollen wir denken an die Menschen in Russland:
dass sie die Wahrheit erfahren, die vor ihnen verborgen wird, und dass sie sie auch hören wollen.
Wir beten für die russischen Kirchen,
dass sie den Mut und die Worte finden,
um zur Macht die Wahrheit zu sprechen.
Wir beten für die russischen Soldaten,
die in dieses Inferno des Krieges gezwungen werden,
die nicht wussten, was man mit ihnen vorhatte,
die Schaden nehmen an Leib und Seele,
und für ihre Familien, die Angst um sie haben.
Bewahre sie davor, dass die Gewalt ihre Seelen zerfrisst.

Vor dir denken wir an den russischen Präsidenten, seine Berater und Unterstützer:
wir rufen den Richtspruch des Himmels an,
für einen radikalen Wandel und ein Ende ihrer Lügen, Intrigen und Morde.
Wir beten darum, dass sie noch im Leben für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden,
und wissen, dass sei deinem Gericht keineswegs entkommen können.

Vor dir denken wir an unser eigenes Land,
und bitten um aufrichtige Anteilnahme,
dass der Schmerz der ukrainischen Nation von uns geteilt wird,
dass ihre Erschöpften, Verwundeten und Verängstigten bei uns Zuflucht finden,
einen Ort des Friedens, an dem sie sicher sind
und wo die Wunden heilen können.

(nach einem Gebet aus der Iona-Community)