Auferstehung ist Verwandlung
Predigt am 09. April 2023 (Ostern I) zu 1. Korinther 15,50-58
50 Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.
51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.
54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ 56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!
58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
Auferstehung bedeutet Verwandlung. Das ist das Geheimnis, das Paulus am Ende seines großen Auferstehungskapitels im 1. Korintherbrief verrät. Bei der Auferstehung geht es gar nicht in erster Linie darum, dass nach dem Tod »nicht alles aus ist«, wie es so schön heißt, sondern das eigentliche Wunder ist die Verwandlung der alten Welt und ihrer Bewohner in Geschöpfe der neuen Welt. Deswegen schreibt Paulus:
Paulus‘ großes Geheimnis
Das ist das große Geheimnis, schon fast der Höhepunkt des ganzen Briefes. 14 Kapitel lang hat Paulus der Gemeinde von Korinth geschrieben über Streit in der Gemeinde, über das richtige Verhalten beim Abendmahl, über Fleisch aus heidnischen Tempeln, und noch viel mehr. Aber in Kapitel 15 merkt man: es ging eigentlich im Hintergrund schon die ganze Zeit über um die zentrale Bedeutung der Auferstehung Jesu: dass die sich im Leben der Gemeinde widerspiegelt. Und jetzt ist Paulus so weit, dass er zu seinem Thema kommen kann, das er schon die ganze Zeit im Hinterkopf hatte.
Aber dann schreibt er noch mal 49 Verse lang zum Thema Auferstehung, zitiert christliche Überlieferung, setzt sich mit Leuten auseinander, die meinten, die Auferstehung sei schon längst geschehen, oder die denken: Auferstehung – das geht doch gar nicht! Und nachdem er das alles geklärt hat, kommt er auf das entscheidende Geheimnis zu sprechen: Auferstehung ist Verwandlung! Auferstehung ist das Ende des alten Menschen und der Beginn des neuen.
Damit meint er nicht, dass Jesus nur symbolisch auferstanden wäre oder so ähnliches. Er hat ja am Anfang des Kapitels schon sehr klar gemacht: mit der Auferstehung Jesu steht und fällt der christliche Glaube. Aber was bedeutet Auferstehung? Es geht um Verwandlung.
Nicht alle müssen sterben
Das merkt man daran, dass nach Paulus nicht alle Menschen sterben müssen. Ja wirklich! Das widerspricht zwar den ganzen bekannten Weisheiten, wenn Menschen Dinge sagen wie: sterben müssen wir alle mal. Aber das ist eben Jesus und seine Auferstehung, die bringen alles durcheinander. Sogar diese angeblich sicherste Tatsache, dass jeder Mensch irgendwann sterben muss.
Paulus hat damals sogar damit gerechnet, dass er selbst möglicherweise zu denen gehören würde, die nicht sterben müssen, sondern stattdessen nur verwandelt werden. Gut, da hat er sich getäuscht, Gottes langer Weg durch seine Schöpfung ist doch viel länger geworden, als Paulus ahnte. Aber das ändert nichts an seinem großen Geheimnis: nicht jeder Mensch wird sterben müssen, denn wenn die neue Welt Gottes in Fülle anbricht, wenn die Posaune des Jüngsten Tages ertönt, dann werden einige Christinnen und Christen ja noch leben, und die müssen dann nicht noch schnell sterben, damit Jesus sie auferwecken kann. Einige können einfach weiterleben. Aber alle müssen verwandelt werden.
Jesus als Hinweisgeber
Und wenn wir wissen wollen, was diese Verwandlung bedeutet, dann müssen wir daran denken, wie der auferstandene Jesus in der Bibel beschrieben wird: Man kann ihn sehen, man kann mit ihm sprechen, er kann etwas essen, man sieht an ihm noch die Wunden der Kreuzigung, er ist also richtig in einem Körper. Er ist kein Geist, der im weißen Nachthemd durch eine Ruine flattert und »Huhu!« ruft.
Aber trotzdem war er irgendwie anders, sodass die Jüngerinnen und Jünger ihn zuerst nicht erkannt haben, wenn sie ihm begegnet sind. Es hat immer eine Zeit gebraucht, bis der Groschen fiel. Und er konnte offenbar auch durch Wände gehen, denn er stand auf einmal mitten unter den Jüngern, obwohl die sich aus Furcht in einem Haus verbarrikadiert hatten.
Das sind alles nur bruchstückhafte Informationen, aber wir haben in der Bibel genug davon, um sagen zu können: Der Auferstandene war wirklich ein Mensch mit Leib und Seele. Es geht nicht darum, dass die Seele irgendwie getrennt vom Körper weiterexistiert, wie die Griechen sich das damals vorgestellt haben. Zu einem Menschen gehören nun mal Leib und Seele, sonst ist es kein Mensch. Und deshalb werden wir auch nach der Auferstehung wieder einen Körper haben. Aber einen verwandelten.
Auch Jesus war ja jetzt ein Mensch des Himmels. Ich glaube zwar, dass bei Jesus dieser Unterschied so gering war, wie er bei keinem anderen Menschen sein wird. Jesus war schon hier auf der Erde von den Kräften des Himmels erfüllt. Und er war nicht von Sünde gezeichnet. Trotzdem, auch bei ihm gab es eine Veränderung: er ließ den alten Leib aus Fleisch und Blut hinter sich und bekam einen neuen Körper, der schon zur zukünftigen neuen Welt passt. Wie das geht, das verrät uns die Bibel nicht, wohl deshalb, weil es so sehr anders ist, dass wir es mit unseren Denkmöglichkeiten gar nicht verstehen würden.
Totaliter aliter
Es gibt dazu eine nette Anekdote von zwei Mönchen, die sich Tag für Tag vorstellen, wie es wohl im Himmel sein wird. Und sie möchten unbedingt wissen, ob sie mit ihren Fantasien richtig liegen. Sie verabreden deshalb, dass der erste von ihnen, der stirbt, versuchen soll, noch mal kurz dem andern ein Signal zu geben. Aber sie wissen natürlich, dass es knapp werden kann, und deshalb soll der dann nur ein einziges Wort sagen. Wenn der Himmel ungefähr so ist, wie sie es sich ausgemalt haben, dann soll er sagen: »taliter«, das ist natürlich lateinisch und bedeutet: es ist so wie gedacht. Oder er soll sagen »aliter« – das heißt: anders, also: es ist anders, als wir es uns vorgestellt haben. Dann stirbt der erste und schafft es tatsächlich, dem noch Lebenden im Traum zu erscheinen. Und er sagt sogar zwei Worte: »Totaliter aliter!« Ich glaube, das kann man verstehen, auch wenn man kein Latein kann. Es bedeutet »total anders«, also: der Himmel ist vollkommen anders als in unserer Vorstellung!
Gemeinde als Wellnessoase?
Diese Geschichte sagt nicht nur etwas über unsere begrenzten Denkmöglichkeiten. Sie sagt auch, dass wir dazu neigen, die neue Welt Gottes immer in das einzupassen, was wir schon kennen. Der neue Wein soll irgendwie rein in die alten Schläuche. Damals in Korinth haben sie das erhoffte neue Leben aus Christus als eine Art spirituelle Wohlfühloase verstanden: auf einmal hatten sie Freiheit, Solidarität, Gemeinschaft und dachten, das wäre schon alles und sie wären im Grunde schon im Himmel. Da war auch wirklich mehr los als bei uns. Und in dieser erbarmungslosen Welt der Antike, wo Menschenleben wenig zählten, da müssen die ersten Gemeinden vielen wie das Paradies vorgekommen sein. Besser kann es doch gar nicht mehr werden, haben sie gedacht.
Aber Paulus sagt ihnen: ihr seid überhaupt nicht am Ziel! Ihr habt noch ganz viel vor euch! Da ist noch eine ganze Welt, die darauf wartet, verwandelt zu werden. Und in euch selbst ist auch noch so viel alte Welt, so viel Streit, Rangeln darum, wer der Größte ist, Intrigen, Starkult und so weiter. Da ist noch so viel Fleisch und Blut, da muss noch ganz viel Wandlung passieren. Das Reich Gottes ist nicht eine Optimierung dessen, was ihr schon kennt, sondern es ist ein anderes Leben, totaliter aliter!
Die Kirche als Optimierung des Lebens – kommt uns das nicht bekannt vor? Die Kirche als Sahnehäubchen obendrauf auf das, was sowieso geschieht. Ein bisschen zusätzlicher Glanz bei Jubiläen und Familienfeiern. Oder ein bisschen Gemeinschaft hier und ein bisschen Trost da. Das ist zwar alles noch viel harmloser als das, was sie damals in Korinth gemacht haben, aber das Prinzip ist das Gleiche: Wir nutzen die Kräfte der neuen Welt, um die alte Welt ein bisschen hübscher und chicer zu machen. Wir bedienen uns beim frischen Wasser des Lebens und leiten es auf unsere alte Mühle.
Am Werk des Herrn teilnehmen
Aber Paulus sagt: Die Ewigkeit ist kein verlängertes Diesseits. Die Gemeinde ist keine geistliche Wellnessoase, wo man regelmäßig zum Auftanken vorfährt, damit man neue Energie bekommt und die stressige Welt besser erträgt. Die Gemeinde ist der Anfang der neuen Welt, da wird das Vergängliche verschluckt vom unvergänglichen Leben, und das ist der Anfang einer Welt, in der der Tod nicht mehr regiert. Für weniger ist das Christentum nicht zu haben. Da geht es um die Erneuerung der ganzen Welt, und das bedeutet manchmal auch einen Haufen zusätzlichen Stress. Aber du wirst dich dabei viel lebendiger fühlen, als wenn du dich ein Wochenende lang verwöhnen lässt.
Und damit kommt Paulus zum Zielpunkt des ganzen Briefes:
Das »Werk des Herrn«, von dem Paulus da spricht, das ist die Verwandlung der Welt. Und wie die hier bei uns jetzt beginnt, das ist nicht schwer zu verstehen. Darüber hat Paulus ihnen ja 14 Kapitel lang geschrieben, und es geht um so einfache Dinge wie Urteilsfähigkeit, Solidarität, Menschenkenntnis und ähnliches. Einfach, ja, aber man muss es wollen. Man muss Eifer entwickeln. Man muss Konflikte und Probleme sehen wollen und nicht ignorieren.
Nichts wird umsonst gewesen sein
Und alles, was dann passiert, das hat schon die Qualität der neuen Welt. Nichts davon ist vergeblich. Nichts davon geht verloren. Es wird alles seinen Platz in der neuen Welt finden. Alle guten Werke werden dann geputzt und poliert und auf den Leuchter gestellt werden, sodass sie hell strahlen und ein Stolz und eine Freude sind. Investiert in das, was bleiben wird, sagt Paulus, sammelt euch Schätze im Himmel, nehmt immer noch zu im Werk des Herrn!
Und das heißt nicht, dass erschöpfte Männer und Frauen jedes Jahr wieder mehr vom Gleichen aufgepackt bekommen, sondern dass wir immer tiefer verstehen, was unsere Aufgabe ist, und sie immer besser erfüllen können. Wir sollen wachsen und im Neuen zunehmen, bis wir schließlich mit fast allem, was wir tun, die Art Jesu um uns herum verbreiten und uns dazu nicht erst extra aufraffen müssen.
Ostern erinnert uns daran, dass wir in die neue Welt investieren sollen und nicht in das, was schon immer da war. Ostern soll uns mutig und neugierig machen, damit wir die wichtigen Dinge unterscheiden von denen, die wir auch lassen können. Die künftige Welt klopft jetzt schon an die Tür der alten Welt, und ihre Kräfte fließen in unser Leben als Erwartung, Vorfreude und Begeisterung.