Im eigenen Interesse
Predigt am 12. August 2001 zu Matthäus 13,44-46
44 »Die neue Welt Gottes ist mit einem Schatz zu vergleichen, der in einem Acker vergraben war: Ein Mensch fand ihn und deckte ihn schnell wieder zu. In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte dafür den Acker mit dem Schatz. 45 Wer die Einladung in Gottes neue Welt hört und ihr folgt, handelt wie der Kaufmann, der schöne Perlen suchte: 46 Als er eine entdeckte, die besonders wertvoll war, verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte sie.«
Wir können die Gottesherrschaft nur gewinnen, wenn wir etwas zurücklassen. Das ist die Botschaft dieser Geschichten.
Da hat also einer auf dem Feld seines Arbeitgebers einen Schatz gefunden. Es waren damals unruhige Zeiten, und Menschen haben oft ihr Geld versteckt, wenn Feinde kamen. Mag sein, dass der ursprüngliche Besitzer längst tot ist. Wenn der Finder den Schatz aber jetzt einfach mitnehmen würde, das wäre Diebstahl. So schüttet er wieder Erde drauf, kratzt alles, was er hat, zusammen und kauft den ganzen Acker samt Schatz. Nur er weiß ja, dass der Acker in Wirklichkeit ein Vielfaches von dem wert ist, was er bezahlen muss. Moralisch gesehen ist das wahrscheinlich nicht die feine Art, aber es geht Jesus um etwas anderes: dass das Reich Gottes ein gutes Geschäft ist, auch wenn einer bei diesem Geschäft alles einsetzen muss, was er hat, seine ganze bisherige Existenz.
Oder der Perlenhändler: als ihm eine wirklich außergewöhnliche, einmalige Perle angeboten wird, da macht er all seinen Besitz flüssig und kauft diese eine. Wenn er die an den Königshof bringt, wird er einen vielfach höheren Preis bekommen.
Würde man diese beiden für verrückt halten, weil sie ihren ganzen Besitz losgeworden sind? Natürlich nicht, wer aus sagen wir mal 50.000 DM durch ein gutes Geschäft eine Million machen kann, der hat es genau richtig gemacht.
Es gibt aber wahrscheinlich auch Leute, die sich sagen würden: hätte ich diesen Schatz nur nicht gefunden! O nein, jetzt muss ich ja meine ganzen Sachen verkaufen, mein Haus werde ich los, all die Umstände, die das mit sich bringt. Wer weiß, ob ich so ein schönes Haus jemals wiederkriege. Und die ganzen Formalitäten beim Anwalt! Was für ein schreckliches Leben, wenn man dauernd Millionen findet!
Aber normal ist das eigentlich nicht. Normal ist die Freude darüber, einen richtigen Schatz gefunden zu haben.
Also ist das erste, was Jesus hier über das Leben im Reich Gottes sagt: es ist ein gutes Geschäft. Es rentiert sich. Das Evangelium bedeutet nicht, dass ich edelmütig auf alles mögliche verzichte, sondern ich mache Gewinn. Ich verfolge mein eigenes Interesse, wenn ich um jeden Preis die Nähe Gottes hier auf Erden suche.
Das war ja die Botschaft, die Jesus brachte: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Es ist für jeden Menschen möglich, in der Kraft und Gegenwart Gottes zu leben, durch Jesus. Gott ist nicht mehr nur hin und wieder für einige wenige zugänglich, sondern sein Heiliger Geist bevollmächtigt jeden, der diese Nähe sucht.
Und wenn ich das tue, dann verfolge ich mein eigenes Interesse. Jesus rückt uns ja sogar in die Nähe von nicht ganz korrekten Geschäftemachern und Spekulanten mit diesen Bildern vom Schatz und von der Perle. Das sind Leute, die ihr eigenes Interesse sehr gut kennen und für sich sorgen. So einer würde sagen: das ist das Geschäft meines Lebens! Das ist doch kein Problem, nein, das ist die Gelegenheit.
Deswegen: Das zweite, was Jesus deutlich macht, ist: wie bei jedem Geschäft muss man auch hier investieren. Du kannst nur Geschäfte machen, wenn du bereit bist, etwas einzusetzen. Selbst wer Lotto spielt, muss das Geld für den Schein investieren. Aber in den beiden Geschichten, die Jesus erzählt, sind die Gewinnchancen wesentlich besser als beim Lotto. Man kann sogar sagen: Geschäfte, die noch sicherer sind, kann man sich kaum vorstellen. Der Mann, der den Acker kauft, der kann ja bis zuletzt gucken, ob da nicht an der fraglichen Stelle auch ein anderer buddelt. Und der Kaufmann kennt genau den Unterschied zwischen Erzeugerpreis und Abnahmepreis bei Perlen.
Trotzdem werden wahrscheinlich auch hartgesottene Spekulanten den Atem anhalten, wenn sie tatsächlich alles auf eine Karte setzen sollen, ihren ganzen Besitz, ihre ganze Existenz. Normalerweise ist man da vorsichtiger. Die Zukunft ist nie genau planbar, es gibt viele Unwägbarkeiten, und normalerweise versucht man, auf der sicheren Seite zu sein. Aber bei manchen Gelegenheiten muss man tatsächlich mit beiden Händen zugreifen. Und wenn du es nicht tust, wirst du dich dein Leben lang grämen, dass du diese Gelegenheit verstreichen ließest. Aber Jesus erzählt hier von Gelegenheiten, die nach menschlichem Ermessen wirklich minimales Risiko und maximalen Gewinn bedeuten. So klar ist das bei den meisten Geschäften längst nicht. Damit will er deutlich machen: Hier, wo es um Gott geht, ist das Risiko viel kleiner als bei euren sonstigen Geschäften. Weil Gott zu seinen Versprechen steht. Dieses Risiko könnt ihr wirklich eingehen. Gott sorgt dafür, dass ihr nicht Pleite macht.
Die Investition, die für das Reich Gottes nötig ist, ist auch hier das Zurücklassen der alten Existenz. Jetzt aber nicht das Geld und den Besitz, sondern die Art zu leben. Wenn einer aus der unsichtbaren Quellen Gottes lebt, dann verändert das den Energiefluss in seinem Leben, dann tritt bisher Wichtiges in den Hintergrund und der Lichtkegel der Aufmerksamkeit richtet sich auf ganz andere Sachen. Das kann auch Besitz betreffen, aber das ist nicht das Zentrum. Doch wir sind an die alten Verhältnisse gewöhnt, und jede Umstellung scheint uns erstmal ein Verlust zu sein.
Deshalb sind es auch manchmal Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, die zu Gott finden. Die sagen sich: es ist alles so schrecklich, da kann ich mich auch auf so etwas Ungewohntes wie Gott einlassen.
Die Menschen Gottes sind immer wieder gerufen, aufzubrechen und das alte Leben hinter sich zu lassen. Das fing schon an mit Abraham, der loszieht, weg von seinen Verwandten und alten Freunden, in das neue Land, das Gott ihm ankündigt. Und bei Jesus sind das die Jünger, die ihr bisheriges Leben hinter sich lassen und mit ihm gehen.
Weil Gott uns neues Leben schenken will, muss immer etwas Altes zurückbleiben. Und wir hängen daran, so wie der Schatzfinder sicher an seinem Haus und seinem Gärtchen gehangen hat, das er für den Acker verkaufen musste.
Kein Gewinn ohne Investition, das heißt: wir müssen einen Preis bezahlen, auch wenn der sich auf jeden Fall lohnt. Wir müssen nur gut unterscheiden: Jesus hat vom Reich Gottes gesprochen, das ist etwas anderes als die Kirche, auch wenn das manchmal zusammenläuft. Es ist manchmal sinnvoll, wenn wir Energie und Zeit in die Kirche investieren oder auch in eine andere Organisation, die Menschen hilft. Da gibt es viele sinnvolle Möglichkeiten. Aber da kann man auch viel Energie investieren und fragt sich am Ende: und wofür? Was bekomme ich zurück? Eine Urkunde für 25 Jahre treue Dienste, und das war es?
Es geht um das Reich Gottes, nur das ist eine wirklich sichere Investition. Wenn in mir und um mich herum die Wirklichkeit Gottes wächst. Das wird bleiben. Echter Gewinn ist etwa:
- Wenn Menschen gesünder werden, und wenn sie das auch unter verschärften und erschwerten Bedingungen festhalten können. Das ist etwas, worum einen mancher Millionär beneiden würde. Denn das ist nicht mit Geld zu ersetzen. Aber das heißt auch: die alten Strategien aufgeben, mit denen man sich bisher durchs Leben geschlagen hat.
- Selbstmitleid etwa
(das tut ja erstmal gut, wenn man sich sagen kann, wie schlecht es einem geht, aber Jesus sagt: hör auf, damit machst du dich kaputt), - oder Launen
(das erleichtert zuerst ungemein, wenn man den Frust an anderen auslassen kann, aber Jesus sagt: lass es sein!) - oder Vorwürfe an andere
(man ist ja immer so froh, wenn man einen Schuldigen gefunden hat, das tut uns erstmal gut, aber Jesus sagt: lass es los, das bringt dir nichts).
- Selbstmitleid etwa
- Wenn Gott uns so nahe ist, dass wir genau die Erfüllung finden, die sonst alle nur suchen. Was tun Menschen sonst für einen kleinen Schub Befriedigung und Aufmunterung! Was geben Menschen für Geld aus für dieses kleine gute Gefühl, das man hat, wenn man sich etwas schönes Neues gekauft hat! Wieviele von uns brauchen immer wieder die kleine Freude, irgend etwas Schönes zu essen, damit der Tag nicht so freudlos ist! Ich will gar nicht reden von verschärften Maßnahmen wie Alkohol und anderen Drogen. All das sind Ersatzmaßnahmen für die große Erfüllung, Gott zu spüren und von ihm Glück zu empfangen. Und wir müssen diesen Ersatz aufgeben, weil er sonst das Echte kaputtmacht, und uns natürlich auch. Aber das ist die Kehrseite davon, dass wir das Bessere bekommen.
- Was auf jeden Fall bleibt, ist auch: wenn wir vor Gott uns selbst entdeckt haben, wie wir im Kern sind. Wir leben sonst so weit von uns selbst weg, an der Oberfläche, in unseren Beschäftigungen, die uns chronisch unterfordern, in Beziehungen, wo wir uns nie unser wirkliches Gesicht zeigen. Gott findet uns da, wo wir wir selbst sind, und wir lernen dann von ihm, wer wir sind. Aber dann müssen wir auch wirklich aufhören, an dieser Oberfläche zu hängen und sie festzuhalten. Auch wenn wir bisher nicht gewusst haben, das es anders gehen kann.
- Echter Gewinn ist es auch, wenn Menschen verbunden werden in ihrer Sehnsucht nach Teilhabe am Reich Gottes. Solche Begegnungen sind Kraftquellen, und Jesus stiftet Beziehungen, in denen Menschen wachsen und sich kennenlernen in ihrer Hoffnung und in ihrer Schwäche. Aber dann lässt man andere zurück, die das nicht verstehen und nicht mitgehen können, und auch das ist ein Preis.
Das Reich Gottes ist ja so vielgestaltig – es hat immer wieder neue Gesichter. Es kommen neue Erfahrungen dazu und alte werden weniger zentral. Und immer wieder heißt es: Altes muss aufgegeben werden, damit das Neue wachsen kann. Immer wieder muss man aufbrechen, damit man Jesus nicht verliert.
Ganz viele Geschichten in der Bibel haben mit Wanderungen zu tun: von der Befreiung aus Ägypten und dem Zug ins neue Land bis zu den Missionsreisen der Apostel. Immer wieder haben Menschen einen Preis dafür bezahlt, damit sie in der Wirklichkeit Gottes leben können. Aber wenn wir sie fragen könnten: »Hat es sich gelohnt? Habt ihr es nicht bereut, soviel aufgegeben zu haben?« – sie würden einer nach dem andern antworten:«Nein! Es hat sich gelohnt! Es war die beste Investition meines Lebens! Ich kann dir nur raten, es auch so zu machen.«