Fehlbesetzung für den himmlischen Thron?

Predigt am 10. August 2014 zu Offenbarung 3,14-22 (Predigtreihe Offenbarung 09)

14 »Und an den Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Der, der treu ist, der vertrauenswürdige und zuverlässige Zeuge, der Ursprung von allem, was Gott geschaffen hat – der lässt ´der Gemeinde` sagen:

15 Ich weiß, wie du lebst und was du tust; ich weiß, dass du weder kalt noch warm bist. Wenn du doch das eine oder das andere wärst! 16 Aber weil du weder warm noch kalt bist, sondern lauwarm, werde ich dich aus meinem Mund ausspucken.

17 Du sagst: ›Ich bin reich und habe alles im Überfluss, es fehlt mir an nichts‹, und dabei merkst du nicht, in was für einem jämmerlichen und erbärmlichen Zustand du bist – arm, blind und nackt. 18 Ich rate dir: Kaufe bei mir Gold, das im Feuer gereinigt wurde, damit du reich wirst, und weiße Kleider, damit du etwas anzuziehen hast und nicht nackt dastehen und dich schämen musst. Kaufe auch Salbe, und streiche sie dir auf die Augen, damit du wieder sehen kannst. 19 So mache ich es mit allen, die ich liebe: Ich decke auf, was bei ihnen verkehrt ist, und weise sie zurecht. Darum mach Schluss mit deiner Gleichgültigkeit und kehre um!

20 Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir.

21 Dem, der siegreich aus dem Kampf hervorgeht, werde ich das Recht geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, so wie auch ich den Sieg errungen habe und jetzt mit meinem Vater auf seinem Thron sitze.

22 Wer bereit ist zu hören, achte auf das, was der Geist den Gemeinden sagt!«

Am Ende des siebten und letzten Briefes der Offenbarung steht die Perspektive, die Jesus allen seinen Gemeinden eröffnet. Sie wird beschrieben mit dem Bild, dass sie ebenso wie Jesus auf dem Thron sitzen werden. Der Thron, das ist klar, ist ein königliches Symbol: von einem Thron aus wird regiert. Die Perspektive ist also nicht nur, dass Jesus nach seiner Auferstehung diese Welt regiert, sondern dass er das tut unter Beteiligung seiner Leute.

Anteil an der Weltregierung Gottes

Wer beim Himmelfahrtsgottesdienst auf dem Hüttengelände dabei war, der könnte sich vielleicht erinnern, dass wir da gesagt haben: der Himmel ist die verborgene Seite der Welt, und von da aus wird sie in Wirklichkeit regiert. Der Himmel ist der Kontrollraum für die Erde, er ist sozusagen das Chefbüro. Heute sitzen die Leute mit Macht ja nicht mehr auf einem Thron und geben Audienzen, sondern sie sitzen in einem Büro an einem Schreibtisch oder sie sitzen am Kabinettstisch oder am Vorstandstisch.

Vielleicht ist es für manche von uns kein verlockender Gedanke, noch mehr Zeit am Schreibtisch oder mit Sitzungen zuzubringen, genauso wie mancher alte König vielleicht über seinen unbequemen Thron gestöhnt haben mag und über die vielen Leute, die er mit hoheitsvollem Gesichtsausdruck anhören musste. Aber Thron und Schreibtisch sind ja alles nur Bilder. Gemeint ist: Jesus ist der wahre König der Welt, erstaunlicherweise ist er es, der trotz aller menschlichen Irrungen und Wirrungen den Lauf der Welt lenkt, er regiert, und daran sollen seine Leute beteiligt sein.

Eine andere Art von Macht

Und die Pointe bei der ganzen Sache ist natürlich: wenn Jesus König ist, dann bekommt das Wort »König« eine ganz andere Bedeutung, als wir es normalerweise kennen. Wenn Jesus Macht ausübt, dann ist das eine andere Art von Macht. Wenn Jesus von einem siegreichen Kampf spricht, der es ihm erlaubt, auf dem Thron zu sitzen, dann sind weder Feldzüge noch politische Intrigen gemeint, die er erfolgreich bewältigt hat.

Das muss von Anfang an ganz sein, weil sonst alles falsch wird und aus Jesus und den Christen schnell eine religiös verbrämte Herrschaftsclique werden könnte. Das ist im Lauf der Geschichte manchmal passiert, aber damals zur Zeit der ersten Christen hätte jeder über so eine Idee nur gelacht, weil kaum einer weniger politische Macht hatte als die paar armen Christen. Wenn im Zusammenhang von Jesus und seinen Leuten von Thronen und Macht die Rede war, dann war das entweder ein schlechter Witz oder es muss eine völlig andere Art von Macht gemeint sein.

Und genau darum geht es, aber es ist viel einfacher zu sagen, worin diese andere Macht nicht besteht, als positiv zu beschreiben, wie sie funktioniert. Die normale Art von Macht kennen wir, über die hören wir jeden Tag in den Medien. Aber diese andere Art von Macht, über die wird seltener gesprochen, und deswegen ist sie uns nicht so geläufig, deswegen muss man das immer ganz von Anfang an durchbuchstabieren. Also habt ein bisschen Geduld mit mir und lasst euch auf diesen Gedankenweg ein!

Ein Sieg in zwei Schritten

Der Sieg, von dem Jesus redet, den hat er in zwei Etappen errungen: das erste Mal am Anfang seines Wirkens, als er in der Wüste dem Satan begegnete und der ihn auf die Probe stellte. Aber Jesus blieb fest und sagte: nein, ich werde meine göttlichen Kräfte nicht benutzen, um Brot zu zaubern, oder um Leute mit Propaganda zu beeindrucken. Und ich will auch nicht deine Art von Weltherrschaft aus deiner Hand haben. Das bleibt auch alles noch im Negativen: so nicht! Aber als sich dann der Satan wütend verzogen hat, da kommen die Engel Gottes und versorgen Jesus mit Essen. Nachdem er dem satanischen Zugriff auf die Welt widerstanden hat, da erschließt sich der verborgene Segen.

Die zweite Etappe des Kampfes kam am Ende, als Jesus auf seinen Tod zuging, und sich abzeichnete, dass er die ganze Brutalität politischer Macht am eigenen Leib erfahren würde. Und auch da hat er sich geweigert, dieser Drohung des Kreuzes mit den gleichen Mitteln entgegen zu treten. Man kann sagen, dass die Versuchung durch den Satan in einem Bild vorwegnahm, worum es für Jesus am Kreuz ging: auch unter diesem erbarmungslosen Druck frei zu bleiben von der Art, mit der die großen Mächte dieser Welt die Menschen unter Kontrolle halten. Im Kreuz konzentrierte sich die grausame Macht des stärksten Imperiums, das die Welt bis dahin gesehen hatte. Trotzdem ließ sich Jesus nicht von seinem Weg abbringen. Und auch das ist erst mal eine negative Aussage: ich lasse mich nicht auf eure Logik ein! Aber als Jesus sein Leben beendet hat, in Treue zu Gott bis zum letzten Atemzug, da griff Gott ein und ließ ihn auferstehen. Als die Mächte der Welt ihre ganze Todesmacht gezeigt hatten, da zeigte sich, dass das Leben Gottes stärker ist.

Das war der grundlegende Durchbruch. Denn wenn selbst das Kreuz nicht das Leben Gottes zerstören konnte, dann gibt es nichts, das stärker sein könnte als der Segen, der von Gott her in die Welt strömt.

Ein Durchbruch – viele Durchbrüche

Aber dieser grundlegende Durchbruch, der muss sich nun in der ganzen Welt ausbreiten. Mit einem noch ziemlich neuen Fremdwort kann man sagen: dieser Durchbruch muss implementiert werden. Er muss angewandt und umgesetzt werden, er soll zu ähnlichen Durchbrüchen im Kleinen und im Großen führen, überall auf der Welt, in allen Zeitaltern und Kulturen.

Man kann sich das auch klar machen an einem Musikstück. Der Komponist hat es geschrieben, aber es soll ja nicht auf dem Notenblatt stehen bleiben, sondern es soll zu lebendiger Musik werden. Es muss aufgeführt werden, und es wird immer wieder anders klingen, abhängig von der Qualität der Instrumente und dem Können der Musiker, je nach Geschmack der Zeit und Temperament des Dirigenten. Aber es geht immer um das selbe Stück, und ohne den Komponisten und seine Idee und seine Arbeit hätte es all diese Aufführungen nie gegeben.

Und da kommen eben die Leute Jesu ins Spiel. Wir sollen dafür sorgen, dass das Stück aufgeführt wird, dass der Durchbruch, den Jesus erreicht hat, sich in allen möglichen und unmöglichen Situationen wiederholt. Deshalb sollen wir der Logik der Mächte und ihrer Art von Macht widerstehen und stattdessen Ausschau halten nach dem verborgenen Segen, der eine bessere Lösung ist als die Herrschaftslogik der Mächte. Das ist die Art, wie Jesus die Welt regiert: indem er Menschen losschickt, die mindestens eine Ahnung haben vom verborgenen Segen in dieser Welt.

Menschen, die Segen bringen

Menschen, die mindestens eine Ahnung davon haben, dass es ganz real nachhaltiger ist zu segnen als zu bomben. Das haben uns die Kriege der letzten zwanzig Jahre sehr deutlich gezeigt, dass aus Gewalt immer neue Gewalt entsteht. Diese ganzen Methoden von Bestrafen, Vergelten, Belehren und Vernichten, die funktionieren einfach nicht. Es ist wesentlich effektiver, Segen weiterzugeben: also Krankenhäuser zu bauen und Seuchen zu bekämpfen, für Gerechtigkeit zu sorgen, Menschen ein Auskommen zu verschaffen, Flüchtlinge gastfreundlich aufzunehmen, all diese Dinge. Es ist nicht nur weniger riskant, Ärzte und Lebensmittel zu schicken als Soldaten, es ist sogar billiger. Ich frag mich, warum sich der Steuerzahlerbund da noch nicht hintergeklemmt hat und sich beschwert, was da an Geld verschwendet wird.

Im Großen, in der Politik, ist das oft besser zu beobachten, aber das funktioniert genauso leicht oder genauso schwer auch im Kleinen. Segen weitergeben, selbst zum Segen zu werden, das ist die beste Art, Einfluss auszuüben. Aber das bedeutet in der Regel mehr an persönlichem Einsatz, mehr Überwinden von Denkgewohnheiten, mehr Nötigung, sich zu exponieren. Unser ganze Alltag ist anders eingerichtet, die ganze Strömung des Lebens zieht uns woanders hin. Meistens muss erst der normale Lauf der Welt kräftig rumpeln und krachen, bis wir überlegen, ob es auch anders geht.

„Wir kriegen das schon allein hin“

Deswegen hat Jesus so viel Mühe mit der Gemeinde in Laodizea. Das war eine reiche Stadt, sie hatten dort viele bekannte Banken und exportierten Wolle und Stoffe. Kurz vor diesem Brief hatte es da ein Erdbeben gegeben, und als die Römer fragten: braucht ihr Hilfe zum Wiederaufbau?, da sagten die Laodizener: nein danke, das kriegen wir schon allein hin. Und irgendwie scheint das auch auf die Christen dort abgefärbt zu haben, diese Haltung: wir brauchen nichts.

Am entscheidenden Punkt bettelarm

Und der Brief versucht ihnen deutlich zu machen: auch wenn ihr gut versorgt seid mit Geld und Stoffen und allem möglichen – euch fehlt gerade das wirklich Wichtige, nämlich der Schatz im Himmel und das weiße Gewand der Himmelsstaatsbürgerschaft, also kurz gesagt: euch fehlen all die menschlichen Qualitäten und die Verbindung zu Gott, die es euch erlauben würden, wirklich aktiv an der Herrschaft Jesu beteiligt zu sein. Wenn man auf eure Beteiligung an der Weltregierung Gottes schaut, dann seid ihr ganz arme Hunde, und ihr wisst es noch nicht mal. Eure christliche Substanz ist so dünn, dass ihr als Thronerben Gottes eine glatte Fehlbesetzung seid, ihr wäret ein Witz auf meinem Thron.

In diesem Zusammenhang steht dann das berühmte Wort davon, dass sie weder heiß noch kalt sind, sondern lau, und dass Jesus das zum Kotzen findet. Sie haben irgend etwas von ihm begriffen, aber sie setzen es nicht um, sie schwärmen vom Notenblatt, aber sie geben kein Konzert. Sie feiern seinen Sieg, aber sie siegen nicht selbst in ihrer Zeit in ihrer Stadt. Und jeder von uns denkt jetzt hoffentlich darüber nach, wie es da mit ihm und seiner Gemeinde bestellt ist.

Bestehen in einer Welt voller Umwälzungen

Dies ist der letzte von den sieben Briefen der Offenbarung. Danach fängt das an, wofür die Offenbarung berühmt und berüchtigt ist: Schilderungen von Umbrüchen, Erschütterungen und weltweiten Katastrophen. Und diese Zusammenstellung sagt: das ist der Horizont, in dem ihr lebt. So sieht die Welt aus, in der als Gemeinden eine entscheidende Rolle spielt. Auch wenn sich das aus eurer Perspektive relativ normal und alltäglich anfühlt, ihr steht mitten in einem kosmischen Drama, und es nicht egal, ob ihr schon Übung mit dem Siegen habt, oder ob ihr immer nur die Notenblätter studiert, statt das Stück endlich mal selbst aufzuführen. Natürlich kann man sich bei so einem Auftritt blamieren, aber wozu ist denn Musik da, wenn sie nicht gespielt wird?

Und wenn all diese Umwälzungen auch euch erreichen, dann sollt ihr vorbereitet sein. Solange alles im grünen Bereich scheint, da kommt man auch mit den normalen Mitteln einigermaßen durch. Da bewältigt man auch mal kleinere Katastrophen wie ein Erdbeben ohne Hilfe von außen.

Wir haben hier in Europa jetzt lange solche Zeiten erlebt, wo alles friedlich und zivilisiert zuging. Der erste Weltkrieg liegt ein Jahrhundert zurück, der zweite bald auch schon siebzig Jahre. Aber irgendwie scheint es, dass die Zeiten wieder gefährlicher werden. Und dann braucht man dringend Erfahrung damit, auf Jesu Art zu siegen, anstatt immer wieder fantasielos die alten Reaktionsmuster durchzuspielen. Darin sind wir ziemlich untrainiert. Es wird Zeit, dass wir unsere tatsächlichen Defizite wahrnehmen und lernen, auch unter schwierigen Bedingungen aus dem verborgenen Segen heraus zu handeln.

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