Die Sprache des Geldes

Predigt am 28. Juli 2013 zu Römer 15,25-33 (Predigtreihe Römerbrief 45)

25 Doch zunächst reise ich nach Jerusalem, um den Gläubigen dort einen Dienst zu erweisen. 26 ´Die Gemeinden in den Provinzen` Mazedonien und Achaia haben nämlich beschlossen, für die Armen der Gemeinde in Jerusalem eine Geldsammlung durchzuführen. 27 Sie haben das beschlossen, weil sie ihre Schuldner sind. Denn wenn die Gläubigen aus Jerusalem ihre geistlichen Güter mit denen geteilt haben, die keine Juden sind, sind diese nun ihrerseits verpflichtet, denen in Jerusalem mit materiellen Gütern zu dienen.
28 Aber wenn ich diese Sache zum Abschluss gebracht und die Sammlung ordnungsgemäß übergeben habe, will ich auf dem Weg nach Spanien bei euch vorbeikommen. 29 Und ich weiß, dass ich mit der ganzen Fülle des Segens Christi zu euch kommen werde.
30 Geschwister, wir sind durch die Liebe, die der Heilige Geist wirkt, miteinander verbunden. Deshalb bitte ich euch im Namen Jesu Christi, unseres Herrn, dringend darum, mir kämpfen zu helfen, indem ihr in euren Gebeten vor Gott für mich einsteht. 31 ´Betet darum,` dass ich vor den Gefahren gerettet werde, die mir in Judäa vonseiten derer drohen, die das Evangelium nicht annehmen wollen, und dass mein Dienst für Jerusalem von den Gläubigen dort gut aufgenommen wird. 32 Dann kann ich, wenn es Gottes Wille ist, in ungetrübter Freude zu euch kommen und in eurer Mitte eine Zeit der Ruhe und Stärkung verbringen.
33 Der Gott des Friedens sei mit euch allen! Amen.

In diesem Abschnitt des Briefes geht es um Geld. Geld ist immer eine heikle Sache, weil es nichts Neutrales ist, sondern eine Botschaft trägt, und die ist oft sogar brutal eindeutig. Solange zwei Kollegen nicht wissen, was der andere jeweils verdient, kann man viele schöne Worte darüber machen, wie wichtig alle Mitarbeiter für die Firma sind, und wie sehr man sie schätzt. Aber sobald ihre Gehälter bekannt sind, ist sofort klar, dass der eine eben doch noch etwas wichtiger und geschätzter ist als der andere. Und wohin im persönlichen Bereich mein Geld fließt, das redet viel deutlicher über mich als vieles andere, was Menschen sonst noch über mich sagen.

Geld transportiert eine Botschaft

Deswegen möchten wir nicht, dass andere genau wissen, wieviel Geld wir haben und wofür wir es ausgeben. Andersherum sind alle Geheimdienste an Bank- und Kreditkartendaten äußerst interessiert, weil man an diesen Geldflüssen so gut ablesen kann, was jemanden antreibt. Man sieht es einem Geldschein oder einer Münze nicht an, aber Geld stellt immer eine Verbindung zwischen mindestens zwei Menschen her, es transferiert Lebensenergie, auch wenn es völlig unpersönlich aussieht.

Auch bei Paulus trägt Geld eine Bedeutung. Es geht bei ihm sogar um eine ziemlich hohe Summe. Die Spuren dieses Geldes findet man in mehreren seiner Briefe und – etwas versteckter – auch in der Apostelgeschichte. Paulus hat nämlich in allen seinen Gemeinden eine Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem veranstaltet. Dabei ist ordentlich was zusammen gekommen, nicht nur so ein paar Euro fünfzig.

Concord StagecoachUnd das war damals eine viel abenteuerlichere Sache als heute, wo man ganz bequem per Homebanking einen Dauerauftrag einrichtet oder so ziemlich an jedem Ort der Welt per Kreditkarte bezahlen kann. Damals gab es noch nicht einmal Papiergeld, und so musste man größere Summen umständlich in Form von Edelmetall transportieren: in schweren Schatztruhen, die Räubern und Zöllnern gleicherweise ins Auge fielen. Man musste diese Truhen auf unsicheren Schiffen übers Meer transportieren oder auf Lasttieren über unbefestigte Straßen und steile Pässe. Solchem Geld sah man noch viel mehr die konkrete menschliche Lebensenergie an als einem Kontoauszug heute.

Die Botschaft der Geldsammlung

Paulus nahm diese mühsame und gefährliche Reise auf sich, weil er mit dem Geld eine Botschaft verbinden wollte: die Solidarität im neuen Gottesvolk aus Juden und Menschen aus den anderen Völkern. Mit dem Römerbrief wollte er den Graben zwischen diesen beiden Gruppen in Rom überwinden, mit der Geldsammlung den Graben in der weltweiten Christenheit. Er wollte, dass die unterschiedlichen Gruppen sich auch mit dem schnöden Geld gegenseitig ihre Solidarität aussprachen.

Der Hintergrund dabei war, dass Israel in jenen Jahren zunehmend in schwierige Verhältnisse steuerte. Die römischen Statthalter nahmen immer weniger Rücksicht auf das Volk und seine besondere Geschichte. Das Land war ausgeplündert und die Menschen arm. Die Christen waren zusätzlich eine angefeindete Gruppe – je heftiger sich die Konflikte mit den ausländischen Besatzern zuspitzten, um so größer war der Anpassungsdruck auf alle Sondergruppen im Land. In dieser Situation sammelt Paulus Geld für die Unterstützung der Jerusalemer Christen.

Das Pikante daran ist, dass Paulus ein eher gespanntes Verhältnis zu dieser Gemeinde hatte: Leute aus Jerusalem hefteten sich an seine Fersen und brachten ihn immer wieder in Verruf, weil sie er von den neugewonnenen Christen nicht die Einhaltung des jüdischen Gesetzes verlangte. Das war vielleicht nicht die offizielle Politik der Gemeindeleitung, aber es scheint dort eine Art Anti-Paulus-Stimmung gegeben zu haben. Und bei den nichtchristlichen Juden sowieso.

Versöhnung ist keine Beschönigung

Paulus sieht genau die zwei Klippen, an denen er scheitern kann: einmal die Feindschaft der nichtchristlichen Juden, und die kann dann möglicherweise dazu führen, dass sich auch die Gemeinde von ihm distanziert. Bis heute kommt man ja in manchen Ländern leicht in Verruf, wenn man Geld aus dem Ausland annimmt. Deswegen bittet Paulus die römischen Christen, für das Gelingen seiner Mission zu beten. Er beteiligt sie auf diese Weise quasi an seinem Versöhnungsunternehmen. Sie waren gerade selbst Adressaten seines Aufrufs zum Frieden zwischen den unterschiedlichen Gruppen im Gottesvolk, und nun sollen sie auch mit für die Heilung des Risses im ganzen Volk Gottes eintreten.

Wenn Paulus für Versöhnung eintritt, dann macht er das nicht so, dass er die Probleme klein redet. Jesus hat gesagt, dass man seine Feinde lieben soll, aber gerade deshalb muss man wissen, wer die Feinde sind. Paulus weiß, dass es da Leute gibt, die ihn lieber heute als morgen tot sehen würden. Und tatsächlich ist seine Reise nach Jerusalem ein ziemliches Desaster geworden: er wurde beinahe von einer aufgehetzten Menge zerrissen, beinahe von den Römern ausgepeitscht, saß zwei Jahre im Gefängnis, wurde dann unter Bewachung als Gefangener nach Rom geschickt und überlebte beinahe auch die Schiffsreise nicht. Die Kisten mit dem Geld sind im Dunkel der Geschichte verschwunden – am liebsten hätte sie sich wohl der römische Gouverneur unter den Nagel gerissen.

Das Lebenswerk des Paulus

All diese Gefahren kannte Paulus schon vorher – er gehörte nicht zu denen, die meinen, mit ein bisschen Nachgeben und Nettigkeit kriege man die Dinge schon zurecht gebogen. Er wusste, worauf er sich einließ. Aber er wusste auch, dass es sein spezieller Auftrag war, den Heidenchristen die Judenchristen zu erklären und umgekehrt. Es war sein Lebenswerk, das Evangelium zu den Völkern zu bringen und so die ganze Welt in den Einflussbereich des Gottesvolkes zu bringen. Und genau dadurch kam er dauernd in Schwierigkeiten.

Denn manche Heiden mochten es gar nicht, wenn durch Paulus der Gott Israels zu ihnen kam. Und manche Juden mochten es nicht, wenn jetzt auch Menschen aus den gottlosen Völkern Teil des Gottesvolks wurden. Manchmal taten sich sogar die Scharfmacher von beiden Seiten zusammen, um Paulus in Probleme zu bringen. Wer sich nicht in Feindschaften hineinziehen lässt, zieht möglicherweise die Feindschaft beider Seiten auf sich.

Aber Paulus blieb ein hartnäckiger Brückenbauer. Und es sollte der Abschluss seines Lebenswerkes werden, durch diese Sammlung beide Seiten, Juden und die anderen Völker, in Solidarität zu verbinden. Die einen geben, die anderen werden beschenkt. Die einen zeigen Solidarität, die anderen nehmen sie an, und so wird ihre Gemeinschaft besiegelt. Das war eine starke Umsetzung des Evangeliums ins Finanzielle hinein. Paulus konnte seine Botschaft nicht nur mit Worten formulieren, sondern auch mit Geld.

Die Sprache des Gebens

Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass ja auch Gott öfter durch seine Gaben Botschaften an uns richtet. Er schenkt Gedeihen für unsere Arbeit und ihre Früchte, er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte, er sorgt dafür, dass wir zwischen aller Mühe, Arbeit und Nöten immer wieder auf herrliche Augenblicke stoßen, auf köstliche Zeugnisse seiner Freude, an der wir Anteil haben dürfen. Wir sind nicht immer aufmerksam genug, um diese Botschaften wahrzunehmen und zu verstehen, aber Gott ist sich jedenfalls nicht zu schade, um auch durch die ganz materiellen Dinge zu uns zu sprechen. Er würdigt sie mit der Aufgabe, seine Botschaft zu transportieren.

Paulus macht es ihm nach, und er sagt ausdrücklich, dass sich die Kommunikation unter Christen auf geistliche und materielle Dinge erstreckt. Von den einen ist das geistliche Evangelium ausgegangen, die anderen revanchieren sich mit materieller Freundlichkeit. Und irgendwann geht es auch mal andersherum.

Und Paulus setzt mit seiner Sammlung noch ein anderes Zeichen: unter der Herrschaft des Imperiums wird das schwache und besiegte Israel missachtet und ausgeplündert. Im Herrschaftsbereich Jesu wird das umgedreht. Das kann die Ausbeutung zwar bei weitem nicht ausgleichen, aber es ist ein hoffnungsvolles Zeichen der neuen Welt, in der es keine Ausbeutung mehr geben wird. Die Christen signalisieren damit: bei uns ist es anders. Soweit es an uns liegt, wollen wir nicht von diesen ungerechten Strukturen profitieren.

Neue Botschaften für den Mammon

Geld ist unter Christen keine schmutzige, unanständige Sache, über die man am besten schweigt. Natürlich sind viele Botschaften, die in unserer Welt mit Geld verbunden werden, problematisch: Geld redet viel zu oft von Macht, Konkurrenz und unlauterer Einflussnahme. Aber das muss nicht immer so sein. Schon Jesus hat gesagt: macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon! Man kann mit dem Geld auch Signale von Großzügigkeit, Güte und Solidarität verbinden. Und die haben sogar den Vorteil, dass sie besonders glaubwürdig sind: wenn einer seine Botschaft mit einer bedeutenden Summe verbindet, dann ist das nicht einfach so daher gesagt. Wobei natürlich eine »bedeutende Summe« bei einem Millionär anders aussieht als bei einem durchschnittlichen Arbeitnehmer.

Wir sollen jedenfalls auch in der Sprache des Geld von Gottes neuer Welt reden. Auch das muss man lernen. Man kann ja durch Geschenke auch Machtverhältnisse herstellen und Menschen abhängig machen, man kann durch Geld manipulieren – im staatlichen Bereich nennt man das Korruption. Aber man kann eben auch durch Geld Menschen Mut zusprechen weit über die reine Summe hinaus. Man kann ihnen Momente der Freude und Erleichterung schenken. Man kann in ihnen die Vision einer solidarischen Welt erneuern. Deshalb ist es schön, ehrliche Geschenke zu machen: man verliert etwas Besitz und gewinnt Menschen. Man kann Verbundenheit festigen – und wenn ein Geschenk angenommen wird, dann ist das die Bestätigung dieser Verbundenheit.

Treue zur realen Welt

Geld gibt all diesen Gesten noch mal ein ganz besonderes Gewicht. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir jetzt schon in dieser alten Welt voller Unrecht und Gewalt die Dinge reinigen und erneuern können, wenn wir sie in einen neuen Zusammenhang stellen und Gott dienstbar machen. Das funktioniert sogar mit dem ungerechten Mammon. Die Welt ist nicht hoffnungslos verloren, sondern sie ist erneuerungsfähig, und dazu sollen wir ihr treu bleiben.

Dass Paulus so sehr an der Verbundenheit zwischen dem alten und dem neuen Gottesvolk interessiert war, das hat auch damit zu tun: Israel steht für die unauflösliche Verbundenheit Gottes mit seiner Welt, mit der Materie, mit den realen Verhältnissen von Recht, Wirtschaft, Politik, Mächten, Leitbildern und Beziehungen. Gott will diese wirkliche Welt erneuern, nicht irgendwelche konstruierten hochgeistigen Sphären. Deshalb will er ein real existierendes Volk, das auf die reale Welt Einfluss nimmt – auch in der Sprache des Geldes.

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