Schaut nach oben!

Predigt am 7. April 2013 zu Jesaja 40,26-31

Predigt am 7. April 2013 zu Jesaja 40,26-31

26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht: Wer hat die (Sterne) dort oben erschaffen? Er ist es, der ihr Heer täglich zählt und heraufführt, der sie alle beim Namen ruft. Vor dem Allgewaltigen und Mächtigen wagt keiner zu fehlen.
27 Jakob, warum sagst du, Israel, warum sprichst du: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, meinem Gott entgeht mein Recht? 28 Weißt du es nicht, hörst du es nicht? Der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf. Er wird nicht müde und matt, unergründlich ist seine Einsicht. 29 Er gibt dem Müden Kraft, dem Kraftlosen verleiht er große Stärke. 30 Die Jungen werden müde und matt, junge Männer stolpern und stürzen. 31 Die aber, die dem Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft, sie bekommen Flügel wie Adler. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.

Als das Volk Israel besiegt und nach Babylon verschleppt war, das war äußerlich gesehen ihre schlimmste Zeit. Aber in dieser Zeit haben sie Dinge über Gott verstanden, die sie nirgendwo anders hätten lernen können. Sie waren nur noch eine Fußnote der Weltgeschichte, kurz davor, sich im Völkerschmelztiegel Babylon endgültig aufzulösen. Viel dramatischer war das als heute, wo schon seit langem die Soziologen das Ende von Christentum und Kirchen prophezeien und auch vielen gutmeinenden Christen beim Gedanken an die Zukunft das Herz in die Hose rutscht, und sie denken: oje, in einer Generation sind wir bestimmt ausgestorben!

Damals in Babylon stand es wirklich auf Messers Schneide. Leute aus einem kleinen Königreich in einem winzigen Ländchen fanden sich plötzlich wieder mitten im Herzen eines Weltreichs. Traumatisiert von all dem Morden und Brennen, das sie gesehen hatten, geschwächt von einem Hunderte Kilometer langen Fußmarsch, wurden sie überwältigt von einer riesigen Metropole und einer hochentwickelten Kultur. Alles war so viel größer und mächtiger, als sie es von zu Hause kannten: riesige Tempel und Tore, breite Prozessionsstraßen, der berühmte Turm zu Babel, eine entwickelte Zivilisation, effektive Verwaltung, eine mächtige Militärmaschine – da kamen sie sich noch viel ohnmächtiger vor als Lieschen Müller aus Kleinkleckersdorf, wenn es sie von heute auf morgen in eine Weltstadt verschlagen hat.

Verschleppt ins Herz eines Weltreiches

Und natürlich gehörten zu dieser Zivilisation die babylonischen Götter, die mit hochgeputzten Multimedia-Events gefeiert wurden: Götterbilder, Lichteffekte, Weihrauch, Pauken und Trompeten, kostbarstes Material. Das Ischtar-Tor, das heute in Berlin im Museum steht, ist immer noch beeindruckend in seiner ganzen Farbenpracht.

Daneben kamen sie sich schäbig vor, mit einem Gott, dessen Tempel gerade in Flammen aufgegangen war, deren Heimat zur Wildnis wurde, Verschleppte, die wieder ganz unten neu anfangen mussten.

Aber irgendwann in diesen Jahren hörten sie die Stimme wieder, die sie aus der Heimat kannten, die Stimme Gottes, die sie in ihrem Glück nur allzu gern überhört hatten. So wie Gott im Munde der Propheten geredet hatte, so standen wieder Menschen auf und die Stimme sprach von Neuem, aber diesmal in einer neuen Tonlage. In der alten Heimat hatten die Propheten gewarnt, dass Ungerechtigkeit und Gewaltherrschaft ins Verderben führen würden. Und sie hatten ja Recht behalten, es war alles so gekommen, wie sie es angekündigt hatten. Aber jetzt, besonders in den Worten, die im zweiten Teil des Jesajabuches gesammelt sind, war der Ton anders. Jetzt waren es Worte der Ermutigung. Jetzt stärkte ihnen einer den Rücken gegen den überwältigenden Sog dieser Reichshauptstadt.

Eine neue Perspektive

Schaut nach oben! sagte er. Löst den Blick vom täglichen Klein-Klein, von der Arbeit, vom vollen Terminkalender, von den Schikanen babylonischer Ausländerbehörden, von den Geldsorgen und den schnellen kleinen Freuden, die leer sind und nicht satt machen, schaut nach oben zum Himmel! Der Himmel ist immer ein Bild dafür, dass es noch etwas anderes gibt als die Apparate, in die wir eingebunden sind und wo wir funktionieren müssen. Noch der elendeste Sklave freut sich, wenn er gelegentlich einen Blick zum Himmel erwischt, und die Diktatoren wissen, weshalb sie ihre Gefangenen gerne in fensterlosen Zellen einkerkern. Dort in Babylon, im Süden, ist der Glanz der Sterne noch viel prächtiger als bei uns, und es gab noch nicht die Verschmutzung des Himmels durch irdische Lichtquellen.

Schaut nach oben! Seht wie groß und prächtig das alles ist! Stell dich in einer klaren Nacht unter das Himmelgewölbe und sag dir: so groß ist das alles, viel größer als die Enge, in der ich lebe. Gott hat das geschaffen, es ist alles in seiner Hand, er ist der Gott des Himmels, und vor ihm ist auch der ganze Glanz Babylons eine billige Funzel, genauso wie die Leuchtreklamen und Laserbeamer von heute.

Ihr kennt den Schöpfer

Und ihr seid sein Volk! Der Gott des Himmels, der immer noch so viel größer ist als dieses riesige Gewölbe, der alles geschaffen hat, er kennt euch auch hier in den Plattenbauten von Babylon, und er lässt euch nicht aus den Augen, niemals. Ihr seid und ihr bleibt sein Volk, und das ist besser und größer als alles, was euch die Metropole bieten kann an Glanz und Verlockung. Ihr kennt seine Gedanken, ihr kennt sein Herz, ihr seid sein Augapfel. Tag für Tag geht sein Segen in die Welt, und Tag für Tag wacht er über euch. Lasst euch nicht irre machen, indem ihr nur auf euren täglichen Kampf schaut und auf eure kümmerlichen Umstände. Schaut nach oben und schaut nach vorn. Schaut auf die ganze Realität, und dazu gehört der Schöpfer der Welt, der Gott des Himmels. Erst so stimmt das Bild.

So ist im Elend von Babylon endgültig der Gedanke geboren worden, dass der wahre Gott nicht eine von den vielen großen Kräften in dieser Welt ist, nicht die politische Macht, nicht das militärische Potential, nicht die wilden Triebe der Menschen, sondern dass er diese ganzen Kräfte erschaffen hat und ihr Herr ist, und keiner davon traut sich, auch nur eine Minute zu spät vor ihm zu erscheinen.

Denn die Babylonier glaubten, dass die Sterne Götter seien, dass die Sterne die wirklichen Herren der Welt wären. Deshalb betrieben sie Astronomie und versuchten, den Willen der himmlischen Mächte aus den Bahnen der Gestirne herauszulesen. Wenn die Babylonier also nach oben schauten, sahen sie auch dort am Himmel ihre Herren. Der zweite Jesaja dagegen sagt: Unsinn, das alles hat unser Gott geschaffen. Er gibt den Sternen ihre Bahn genauso wie den Königen. Die Babylonier sagten: die Sterne stehen hinter den Königen. Israel sagte: die Herzen der Könige sind in der Hand des Herrn, und er lenkt sie, wie er will.

Die Entzauberung der Götter

Damals in Babylon wurde auch die Schöpfungsgeschichte der Bibel aufgeschrieben. In der biblischen Schöpfungsgeschichte müssen die Sterne bis zum vierten Tag warten, bevor sie an der Reihe sind, erschaffen zu werden. Bei den Babyloniern waren sie Götter, in der Schöpfungsgeschichte sind sie Lampen. Drei Tage lang kommt Gott auch sehr gut ohne sie aus. Damit ist alles gesagt.

Heute streiten sich Menschen darum, ob nun Gott die Welt wirklich in sieben Tagen erschaffen hat oder nicht. Egal, ob sie das bestreiten oder bejahen, sie zeigen damit nur, dass sie nichts verstanden haben. Die wirkliche Frage ist: wer regiert diese Welt? Die großen Mächte oder der Gott, der alles erschaffen hat und es Tag für Tag mit seinem Segen erhält?

Damals wurde irgendwo in den babylonischen Schlichtbauten endgültig der Gedanke geboren, dass all die Mächte, die uns im Griff haben, die uns schikanieren und faszinieren, dass all diese Mächte und Gewalten doch nur klein und ohnmächtig sind vor dem Gott des Himmels, der die Welt erschaffen hat, der anders ist als seine Schöpfung und der sie trotzdem in jeder Sekunde erfüllt mit seiner Gegenwart und seiner Kraft. Unter den ohnmächtigen Verbannten wuchs die Freiheit, die dieser Gott seinen Menschen schenkt, und seit damals sehen wir dort oben am Himmelszelt nicht mehr unsere Herren, die uns schon hier auf Erden genug drangsalieren, sondern die Größe und Majestät unseres Gottes. Und sie richtet uns auf, wie bescheiden und betrübt unsere Verhältnisse auch sein mögen.

Die Kraft des Schöpfers

Denn darum geht es in diesem zweiten Teil des Jesajabuches: Gottes Energie, mit der er Tag für Tag die Welt bewegt, die kommt auch zu seinen Leuten. Es ist die Energie der Hoffnung. Es ist die Kraft der Freiheit. Es ist die Zähigkeit derer, die sich nicht blenden lassen vom Glanz der Imperien jeder Art, die ihre Kraft nicht im Hamsterrad der Apparate erschöpfen.

In den traditionellen Gesellschaften sind die Alten mit ihrer Lebensweisheit das Ideal. In der dynamischen, eher modernen Zivilisation von Babylon scheinen es die jungen Leute mit ihrem Schwung gewesen zu sein, an denen sich alle orientierten. Aber Jesaja sagt: auch das ist eine Illusion. Ohne die Kraft der Freiheit, die vom Gott des Himmels kommt, erschöpfen sich auch die Jungen schnell. Die großen Mächte absorbieren ihre Lebenskraft, auch sie werden müde und kraftlos, und am Ende bleiben erschöpfte Alte zurück, die ewiggleiche Geschichten erzählen, für die sich keiner interessiert. Aber wer Anteil hat an der Lebenskraft des Schöpfers, wer nicht Geschöpfe verehrt, sondern den Schöpfer kennt und ihm vertraut, der wird nicht müde, dem wachsen Adlersflügel, und seine Kraft wird jeden Morgen erneuert. Es ist die Kraft der Freiheit, die auch dann noch da ist, wenn unser Körper alt geworden ist und die Spuren der Jahre unübersehbar sind.

Wahrheit muss neu gewonnen werden

Im Prinzip hatte Israel das alles auch schon vorher gewusst. Sie hatten auch schon vorher geglaubt, dass Gott die Welt geschaffen hatte. Aber jetzt, in der Konfrontation mit Babylon, wurde das alles noch einmal neu geboren. Gott hat alles noch einmal aufs Spiel gesetzt: sein Volk, seine Wahrheit, und es wurde alles noch einmal neu geboren, klarer und stärker als je zuvor. Allmählich begann die Wahrheit aufzuscheinen, dass Gottes Kraft sich bei den äußerlich Machtlosen zeigt und dass sie von anderer Art ist und anders wirkt als die Macht der Mächtigen.

Dass Gottes Kraft in seinen Menschen liegt und nicht in den Waffen, dass er auch vom Tod erretten kann, das alles beginnt sich hier anzudeuten. Aber auch das alles hat Gott noch einmal aufs Spiel gesetzt, als Jesus den Weg in den Tod auf sich nahm. Es musste alles noch einmal mit Jesus sterben und auferstehen, und es wurde von neuem geboren, deutlicher und wirksamer als je zuvor. Durch alle Dunkelheiten hindurch enthüllte sich Gottes Wahrheit immer genauer. Und deswegen müssen wir keine Angst vor der Dunkelheit haben. Über allem leuchten die Sterne, die uns immer wieder erinnern an die Größe und Majestät Gottes.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Katrin

    Ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Für den Fall, dass Sie erkrankt sind wünsche ich „Gute Besserung!“.

    1. Walter

      Es ist alles ok, manche Predigten veröffentliche ich hier nicht aber jetzt ist wieder was Neues drin. Vielen Dank für die freundliche Anteilnahme!

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