Was sind Cluster?

Eine Organisationsform zwischen Kleingruppe und Ortsgemeinde: ein Konzept aus der St. Thomas‘ Church in Sheffield

Ich fand via Marlin bei der St. Thomas‘ Church in Sheffield einen interessanten Artikel über Cluster – eine Organisationsform zwischen Kleingruppe und Ortsgemeinde. Es erinnert mich an unsere Organisationsform bei HorizonT. Bevor ich noch viel erkläre, übersetze ich den Artikel – da steht alles drin. Man beachte aber, dass der Artikel im September 2003 zuletzt bearbeitet wurde.

Was?

Viele Gemeinden haben Kleingruppen oder Zellgruppen (oft informelle Bibelgruppen, die von Freiwilligen geleitet werden) und Versammlungen der ganzen Gemeinde (in der Church of England meist in der festen Form des Kathedralgottesdienstes unter Leitung der Geistlichen). Wir in St. Thomas haben uns bemüht, wieder eine überschaubare Form dazwischen zu finden, in der man Gemeinde leben und erleben kann: eine Gemeinschaft von Christen, die sich zur Mission in der größeren Gemeinschaft, zu der sie gehören, verpflichtet hat; die Leitung liegt in der Hand von Freiwilligen, die von erfahrenen Leitern (einige davon ordinierte Geistliche, aber nicht nur) unterstützt werden.
Cluster bestehen aus Kleingruppen, die die gleiche oder eine ähnliche Vision gemeinsam haben. Oft sind sie aus der Vervielfältigung einer einzigen Kleingruppe hervorgegangen. Eine Gemeinschaft von zwei oder drei Kleingruppen würde man einen wachsenden Cluster nennen, und wenn im Laufe der Zeit die Kleingruppen auf sechs oder acht gewachsen sind, dann entstehen aus dem ursprünglichen Cluster normalerweise zwei neue Cluster.

Warum?

Es scheint, dass Gott Menschen so eingerichtet hat, dass wir uns normalerweise in drei verschiedenen Gruppengrößen versammeln. In der Bibel finden sich etwa im Alten Testament die Familie, der Clan und der Stamm; in den Evangelien das Haus, die Synagoge und der Tempel; und unter den Jüngern Jesu die Gruppen der Zwölf, der Siebzig und der Hundertzwanzig.
In St. Thomas kennen wir diese Gruppen als Kleingruppen, als Cluster und als Gottesdienst [Engl. celebration. Dieses Wort bedeutet hier offenbar mehr als einen Gottesdienst, nämlich so etwas wie eine Sub-Gemeinde. Auf der aktuellen Website der Gemeinde taucht der Begriff jetzt aber nicht mehr auf.]. Die Beziehungen werden um so enger, je mehr man zu den kleineren Gruppenformen kommt; auf der anderen Seite nimmt die Qualität der Inhalte (in Anbetung, Lehre, Kinderarbeit usw.) zu, wenn man zu den größeren Einheiten kommt. Für manche wird es leichter sein, in die Anonymität eines Gottesdienstes zu kommen, während andere die Beziehungen in einer Kleingruppe schätzen, oder auch die Gelegenheit zum Engagement, die die Cluster bieten.
Cluster erlauben uns, manches zu tun, was weder Kleingruppen noch Gottesdienste leisten. Cluster schaffen eine Umgebung, in der es leichter ist, alle Mitglieder in die Mitarbeit zu integrieren – leichter als in einzelnen Kleingruppen. Vor allem bilden sie eine Brücke zwischen den beiden anderen Gruppengrößen, wodurch das Wachstum der Mitglieder in Gaben und Dienst gefördert wird. Denn es ist ein ziemlich großer Schritt von der Leitung einer Gruppe von zehn Personen in Anbetung und Lehre hin zu der gleichen Aufgabe für dreihundert!
Schließlich bilden Cluster eine missionarische Struktur, die es erlaubt, eine ganze Stadt zu durchdringen und so die Gemeinde wachsen zu lassen. Und zwar nicht nur deshalb, weil so Leiter herangebildet werden, sondern weil sich so die „Außenfläche“ der Gemeinde vergrößert – es gibt mehr Andockpunkte, über die Menschen zur Gemeinde dazustoßen können.

Wie?

Unsere Strategie ist „Verstreuen und Sammeln“. Cluster treffen sich verstreut über die ganze Stadt, normalerweise wöchentlich und am Sonntag; aber sie treffen sich auch mit den anderen Clustern im Gottesdienst, meistens einmal monatlich, wobei in dieser Woche das Treffen des Clusters selbst ausfällt.
Wie so ein Cluster Gemeinde darstellt, ist deutlich festgelegt durch unsere gemeinsamen Grundsätze: nämlich „Up“ (unser Verhältnis zu Gott, z.B. in Anbetung und Fürbitte), „In“ (unser Verhältnis untereinander, z.B. geistliche Unterstützung) und „Out“ (unser Verhältnis zu denen, die Jesus noch nicht kennen, z.B. das „Friedenskind“-Prinzip nach Matth. 10,11-14). Wenn Cluster Erfolg haben sollen, dürfen sie nicht versuchen, Gottesdienste im Kleinformat zu feiern (z.B. indem sie ein großes Gottesdienst-Team aufbauen). Wenn man die Größenverhältnisse nicht beachtet, funktioniert nichts; das ist auch einer der Gründe für den landesweiten Rückgang der Kirchenmitgliedschaft in den letzten Jahrzehnten. Was die Cluster tun, entweder in ihren regelmäßigen Treffen oder bei Aktionen, entscheidet sich vor allem durch ihren jeweiligen Aufgabenschwerpunkt [mission focus]. Wir haben gemeinsame Grundsätze, aber sie werden nicht in Uniformität (weder in Größe noch in Stil) umgesetzt. Der Schlüssel ist Unterschiedlichkeit in Einheit.

Wo?

Cluster treffen sich in verschiedenen Stadtteilen – allerdings vor allem im Südwesten, Westen und im Zentrum – und an sehr unterschiedlichen Treffpunkten: Schulen, Stadtteilzentren, Cafes, Restaurants, Pubs – sogar in einem Museum und einer großen Garage. Der Ort richtet sich nach dem hauptsächlichen Aufgabenschwerpunkt des Clusters: wenn das Ziel ist, eine vorstädtische Nachbarschaft zu erreichen, trifft man sich vielleicht in der örtlichen Schule; wenn es um ein sozial schwieriges Stadtviertel geht, kann es der Veranstaltungsraum in einem Pub sein.

Wohin?

Wir wollen, dass Menschen genau dort in der Gemeinde mitmachen, wo sie hingehören. Das bestimmt sich aus unserer Sicht etwa durch folgende Gesichtspunkte:

  • ist es eine Gruppe, deren Zielen der Einzelne zustimmen kann?
  • ist es ein Ort, wo die eigene Lebenswirklichkeit aus göttlicher Perspektive angesprochen wird (also: wer weder Student ist noch an Studententhemen interessiert, der sollte nicht Mitglied in einem Cluster für Studenten werden – aber vielleicht könnte er ja solch einen Cluster als Mentor begleiten)?
  • ist es der Ort, wo jemand am besten anderen Unterstützung geben und selbst Unterstützung empfangen kann?

Deshalb ermutigen wir Menschen, den Platz zu suchen, der für sie richtig ist – im Bewusstsein, dass das Zeit kosten wird und auch das Ausprobieren verschiedener Möglichkeiten dazugehört. Zu diesem Zweck ist es am Besten, wenn Sie ein „Welcome“-Formular an der Information ausfüllen oder einen Sub-Gemeinde-Leiter [celebration leader, s.o.] ansprechen.

Wer?

Cluster werden normalerweise von Freiwilligen geleitet (obwohl manchmal zuerst angestellte Mitarbeiter der Gemeinde den Cluster gründen, die dann die künftigen Leiter ausbilden). Viele dieser Freiwilligen gehen einer normalen Arbeit nach und werden in ihrer Funktion vom Sub-Gemeinde-Leiter [celebration leader, s.o.] unterstützt. Meistens haben sie zuerst Leitungserfahrung als Kleingruppenleiter gesammelt und sind in die Leitung eines Clusters hineingewachsen, indem sie einen neuen Cluster mit einer gewachsenen Kleingruppegegründet haben. Manche leiten auch im Team.
Wir ermutigen alle Gemeindemitglieder, ihren Platz in einer Kleingruppe, einem Cluster und einer Sub-Gemeinde zu finden. Das bedeutet keine zusätzlichen Termine, sondern es geht um die volle Beteiligung an dem, was Kirche bedeuten kann. Im Leib Christi gibt es für jeden einen Platz und eine Aufgabe. Gott wird sie Ihnen zeigen, und Sie werden dabei wachsen – das ist unsere feste Überzeugung.

Kommentar:

Auch wenn man im Einzelnen manches anfragen und vor allem für deutsche Verhältnisse neu denken müsste, ist dies doch ein sehr interessanter Ansatz, um die Lücke zwischen kleinen Hauskreisen (die wenig nach außen ausstrahlen und sich oft zu sehr isolieren) und dem Gemeindegottesdienst (der zu wenig Gemeinschaftselemente und zu viele formale Elemente mit Veranstaltungscharakter enthält) zu schließen. Gerade für missionale Aktivitäten jeder Art sind Cluster besser geeignet. Übrigens scheint es, dass auch die Gemeinden des Neuen Testaments von der Größe her eher so etwas wie Cluster waren.
Eigentlich verbirgt sich dahinter ein Gemeindekonzept, das auf ein „Gemeindeleben“, wie wir es in Deutschland haben (mit Frauenkreisen, Bastelgruppen, Ökumene-Kreisen, Chören usw.) verzichtet und statt dessen daran festhält, dass jede Gemeindeaktivität einen klaren, verbindlichen geistlichen Rahmen hat – gerade auch dann, wenn sie nach außen einen praktischen Dienst an der örtlichen Community tut.
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Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. marlster

    Sehr gute Zusammenfassung und Kommentare. In 2 Wochen werde ich auch was dazu schreiben. Ist sicher spannend, an dem Thema dran zu bleiben. Es wäre auch super, wenn du noch mehr von deinen Erfahrungen damit weitergibst.
    Gruß, Marlin

  2. Simon

    Ich finde das Thema auch sehr, sehr spannend, warte allerdings noch darauf, eine Gemeinde kennen zu lernen, in der das so funktioniert. Mein Eindruck ist, dass es schwierig ist, die Cluster in Addition zu Kleingruppentreffen und wöchentlichem Gottesdienst zu etablieren.

    Bei Grace haben wir Cluster – so heißen sie zumindest – aber aus meiner Sicht läuft das etwas enttäuschend. Als wir im letzten Jahr kamen, gab es sehr verschieden große Cluster, die sich zumeist monatlich für ca. 2 Stunden getroffen haben. Man kannte sich nicht und musste sich jedes Mal neu vorstellen – ein richtiges Gemeinschaftsgefühl kam nicht auf. Inwzischen lesen wir ein Buch in allen Clustern, es geht also ein bisschen mehr ans Eingemachte – mit dem Resultat, dass fast alle Cluster auf ca. 10 Leute geschrumpft sind – damit haben wir nun faktische Kleingruppen.

    Bei der Community Church of Joy, wo Mike Breen nun ist (der hat das von dir beschriebene Konzept in Sheffield eingeführt), läuft das Ganze meines Wissens nach noch schlechter – in dieser Megagemeinde gibt es glaube ich gerade 2 Cluster.

    In beiden Gemeinden (und im Unterschied zu Sheffield, wenn ich das richtig verstehe) gibt es den wöchentlichen Sonntagmorgen-Gottesdienst. Insofern sehe ich im Wesentlichen zwei Optionen:

    1) Man ersetzt den Sonntagmorgen-Gottesdienst zumindest teilweise mit den Clustertreffen – diese bekommen eine ähnliche Funktion wie die Gottesdienste (so ungefähr wie in Zellgruppen-Gemeinden und Hausgemeinden). Dieses Modell finde ich sehr interessant, sehe aber momentan noch nicht, wie das in einer volkskirchlichen Gemeinde umsetzbar wäre.

    2) Man bietet Cluster zusätzlich zu Kleingruppen an – für diejenigen, denen Kleingruppen zu eng sind und die sich eher in einer Gruppe von 50-70 Leuten wohl fühlen. In diesem Modell liegt der Fokus wahrscheinlich etwas mehr auf gemeinsamen Aktivitäten, sozialen Engagement und Gemeinschaft als auf gottesdienstähnlichen Elementen.

    Also, die generelle Idee, dass die verschieden großen Gruppen in der Gemeinde repräsentiert sind, finde ich hervorragend. Gibts noch Beispiele außer der Gemeinde in Sheffield, wo sowas gemacht wird und tatsächlich auch funktioniert?

  3. tiefebene

    Danke für diese ganzen Informationen zu real existierenden Clustern! Wir haben anscheinend bei uns eine Art Cluster entwickelt, ohne von diesen Überlegungen oder dem Namen „Cluster“ irgendetwas zu wissen. Und bei uns funktioniert es ziemlich gut.
    Allerdings merke ich jetzt, dass es bei uns anscheinend etwas anders organisiert ist. Ich werde also mal etwas ausführlicher posten, wie wir darauf gekommen sind und wie unser Cluster funktioniert.
    Aber es dauert noch ein bisschen – ich fahr jetzt erstmal auf Konfirmandenfreizeit. Danach geht es hier weiter.

  4. Schrotty

    Hey,
    ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich noch nicht ganz zu dem durchgedrungen bin, was Cluster eigentlich sind 😉

    Verstehe ich richtig, dass Cluster aus Kleingruppen bestehen und diese Kleingruppen sich dann einzeln treffen. Oder trifft sich der ganze Cluster auch erstmal vorher?

  5. tiefebene

    Es gibt anscheinend verschiedene Arten, einen Cluster zu gestalten. Gemeinsam ist, dass ein Cluster eine größere Einheit ist, die mehrere Kleingruppen umfasst. Ob sich die dann einzeln treffen (und nur gelegentlich alle gemeinsam) oder (wie bei uns) stärker integriert sind, also eher eine Großgruppe mit Teilgruppen, das ist unterschiedlich. Das ist ja an ganz verschiedenen Orten unabhängig voneinander entstanden.
    Aber das Interesse scheint immer zu sein, eine Einheit zu schaffen, die größer als eine Kleingruppe ist (und dann mehr Möglichkeiten hat), aber kleiner als eine normale Gemeinde.

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